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Didi Sattmann und Peter Stuiber, 23.8.2021

Zum 70. Geburtstag von Didi Sattmann - Teil 1

„Ich wollte einfach dabeisein“

Didi Sattmann begann in den 1980er Jahren mit dem Fotografieren von Legenden des Kulturbetriebs und wurde selbst bald zu einer Institution in der Kunstzene. Von 1993 bis 2016 arbeitete er im Wien Museum. Aus Anlass seines 70. Geburtstags haben wir den Fotografen im Weinviertel besucht. Teil 1 eines Interviews – über Anfänge, Fortschritte und Weichenstellungen im Berufsleben.

Peter Stuiber

Wie bist Du zur Fotografie gekommen?

Didi Sattmann

Ich habe schon früh hobbymäßig fotografiert. Es gab da einen Fotoclub in Hall bei Admont, in der Steiermark, in meiner Heimat. Dort habe ich mich u.a. mit der Arbeit in der Dunkelkammer vertraut gemacht. Aber ich dachte nie, dass ich einmal von der Fotografie leben würde. Mein bester Freund war damals, schon seit Gymnasialzeiten, der Hans Kronberger, der später EU-Abgeordneter der FPÖ wurde. Wir beiden waren die linken Revoluzzer in der Schule! Der Hans Kronberger hat dann in Wien eine Dissertation über den „rasenden Reporter“ Egon Erwin Kisch geschrieben. Das Thema hat mich sehr fasziniert. Ich habe übrigens zuerst auf der BOKU mit Forstwirtschaft, später dann mit einem Jus-Studium begonnen. Und eines Tages hat das Magazin „Extrablatt“, für das Kronberger zu der Zeit gearbeitet hat, für eine Enthüllungsstory einen Fotografen gebraucht. Und da niemand von den etablierten Fotografen des Magazins das machen wollte, hat der Kronberger mich gefragt.

PS

Worum ging es da genau?

DS

Um einen Rechtsaußen-Politiker der ÖVP namens Karl Steinhauser. Mir hat die Aufgabe total Spaß gemacht, auch wenn ich mich ein bisschen vor der Rache der Rechten gefürchtet habe. Von da an habe ich mir zugetraut, mit dem Fotografieren Geld zu verdienen.

PS

Das Magazin „Extrablatt“ ist heute eine publizistische Legende…

DS

Es war ein Monatsmagazin am linken Rand der SPÖ, immer in Geldnöten. Christoph Ransmayr und Andrea Schurian waren in der Redaktion, Peter Turrini, Elfriede Jelinek oder Joe Berger haben fürs Magazin geschrieben, zu den fixen Fotografen zählte u.a. der Willy Puchner. Es war eine Offenbarung für mich, dass ich diese Leute dort kennengelernt habe.

PS

Das Fotografieren für Aufdeckergeschichten war aber nur ein Anfang.

DS

Der Christoph Ransmayr ist zu mir gekommen und hat gesagt: Du, ich hab da einen befreundeten Maler, der heißt Hubert Scheibl, der bräuchte einen Fotografen für Aufnahmen seiner Bilder. Also sind wir gemeinsam dorthin gegangen. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich im Atelier eines Künstlers! Das war so faszinierend, der Geruch, das Haptische, die Farben, aber auch der „schwierige“, unkonventionelle Mensch. Ich stamme aus einer sehr konventionellen, bürgerlichen Familie. Ohne darüber nachzudenken, dachte ich, dass ich lieber ein Foto vom Künstler machen will. Ich hab ihn gefragt, und er hat geantwortet: Dreimal darfst Du abdrücken! Das war hart. So hat es begonnen mit der Porträtfotografie. Ich wollte selber Künstler sein. Aber so schnell geht das nicht.

PS

Wie bist Du zu Aufträgen gekommen?

PS

Nach dem Ende des „Extrablatts“ habe ich beim „Basta“ der Fellner-Brüder begonnen. Aber das war mir zu wenig wahrhaftig. Die Vorgaben, wie ein Foto auszusehen hat: Der muss schlecht ausschauen, den heben wir in den Himmel. Ich habe einige Sachen gemacht, die ich später bereut habe. Sigrid Löffler hat mich in einer Rezension des „Basta“ als den „Fotovandalen Sattmann“ bezeichnet. Das war das letzte, was ich sein wollte. Nach einem Jahr war ich vom Journalismus geheilt.

PS

Und wovon hast Du dann gelebt?

DS

Ich war damals schon in der Kunstszene der Bäckergasse wie zu Hause. Da gab es einerseits das „Oswald & Kalb“ und andererseits das „Alt-Wien“. Und dort habe ich die Journalistin Eva Deissen kennengelernt, die mich wiederum Ursula Pasterk vorgestellt habe, die damals Intendantin der Wiener Festwochen war. Und so wurde ich Produktionsfotograf der Wiener Festwochen, zuerst für Ursula Pasterk, dann für Klaus Bachler. Das war für mich die Rettung. Denn ich hätte weder als freier Pressefotograf noch als Künstler überleben können. Bei der Arbeit für die Festwochen hatte ich freie Hand, wie ich die Produktionen fotografiere. Es war unglaublich spannend zu sehen, wieviel Sinne im Theater angesprochen werden, und was dafür in Bewegung gesetzt wird.

PS

Ab 1993 hast Du auch fürs Wien Museum gearbeitet, damals noch „Historisches Museum der Stadt Wien“. Wie kam es dazu?

DS

Das hatte wiederum mit Ursula Pasterk zu tun, die mich sehr geschätzt hat und schon Kulturstadträtin war. Sie hat mir gesagt, ich solle mich doch um einen Job im Museum bewerben. Im Rückblick, das weiß ich heute, war das für mich genial. Damals hab ich mir zuerst gedacht: Ich bin doch nicht deppert und geh in ein Museum! Doch es war ein Selbstfindungsprozess, der damit eingesetzt hat. Da ging es auch darum, dass ich zum Beispiel jeden Tag pünktlich in der Arbeit sein musste – als freier Fotograf bin ich ja gekommen und gegangen, wann ich wollte.

PS

Zu dieser Zeit war Günter Düriegl der Direktor des Hauses.

DS

Mit ihm hatte ich einerseits viele Konflikte, aber andererseits hat er mir viel ermöglicht. Ich habe ihm zum Beispiel ein Projekt über Jugendkulturen in Wien vorgeschlagen, damals kamen grad Piercings, Tattoos und bunte Frisuren auf. Vielleicht hat mich das damals auch gerade interessiert, weil meine eigenen Kinder Jugendliche waren. Das Thema hat dem Düriegl zwar persönlich überhaupt nicht gefallen, aber er hat mich trotzdem machen lassen. Und die Fotos wurden dann zunächst im Otto Wagner-Pavillon am Karlsplatz und später dann noch im Rathaus ausgestellt. Das waren für mich tolle Möglichkeiten.

PS

War eigentlich zu Beginn klar, was Deine Aufgabe im Museum sein soll?

DS

Ursprünglich war vorgesehen, dass ich auch von den Objekten Repro-Aufnahmen machen soll, doch dafür hatte ich überhaupt nicht die richtige Ausrüstung und konnte das auch nicht. Daher haben wir uns geeinigt, dass ich Reportagen mache. Die Themen kamen aber häufig von mir. Ich habe zum Beispiel vorgeschlagen, mit den von mir fotografierten österreichischen Journalisten eine Ausstellung zu machen – natürlich auch mit der Intention, dass das Leute ins Haus bringt. Das Projekt nannte sich „Jäger und Gejagte“. Beim Katalog durfte ich alle Autoren für die Texte selber aussuchen, ich hatte freie Hand und konnte es kaum glauben.

PS

Wieviel Zeit hattest Du da nebenbei noch für freie Projekte?

DS

Ich war ja nur halbtags im Museum, habe mir aber immer Urlaub genommen, um weiter für die Festwochen zu fotografieren. Neben diesen beiden Jobs war kein Platz mehr für freie Arbeiten, denn ich hatte ja auch Familie, die mir immer sehr viel bedeutet hat. Vor dem Museum war ich viel in der Kunstszene unterwegs. Immerhin hatte ich auch im Museum ab und zu Gelegenheit, Künstler zu fotografieren.

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Didi Sattmann: Maria Lassnig, 1991

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Didi Sattmann: Andrea Schurian, Erwin Wurm, Siegfried Anzinger und Brigitte Kowanz, 1987

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Didi Sattmann: Elfriede Jelinek und Valie Export, 1997

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Didi Sattmann: Franz West, 1988

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PS

Nochmal zurück in die Zeit vor dem Museum. Wie kann man sich Deine Rolle in der Kunstszene in der Bäckerstraße vorstellen?

DS

Ich wollte einfach dabeisein, die Sachen haben sich so ergeben. Mal gab es eine Attersee-Matinee, dann wieder wurde ein ausgestopfter Elefant aus dem Naturhistorischen Museum, der schon ganz desolat war, in das Landhaus von Kurt Kalb gebracht. Dort sind wir hingefahren und haben auf den Elefanten gewartet. Aber der Elefant am Transportanhänger konnte nicht unter einer Brücke durch oder so ähnlich, also haben wir gewartet bis zum Morgengrauen, bis Armin Thurnher vom „Falter“ mich und meine Frau Karin nach Hause gebracht hat. Ich habe den Elefanten nie gesehen, aber das war egal, Hauptsache, ich war dabei. Mich hat das Hinein-in-den-Tag-oder-in-die-Nacht-Leben der Künstler begeistert, die kaufmännische Seite von Kunst habe ich ja nie erlebt. Am faszinierendsten war die gemeinsame Zeit von Martin Kippenberger und Albert Oehlen, die Wien unsicher gemacht haben. Die Denkweise der beiden! Das war unglaublich. Ich hab sie fotografiert und hab die Fotos angeboten, aber niemand wollte sie haben. Wer sind die? Jetzt ist der Kippenberger lang tot und ein Star in allen Museen. Damals hat er unglaublich darunter gelitten, dass die Leute seine Kunst nicht verstanden haben.

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Didi Sattmann: Fiakerrennen „Peter Altenberg Gedächtnispreis“ mit Martin Kippenberger und Albert Oehlen, 1984

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Didi Sattmann: Fiakerrennen „Peter Altenberg Gedächtnispreis“ mit Martin Kippenberger und Albert Oehlen, 1984

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Didi Sattmann: Fiakerrennen „Peter Altenberg Gedächtnispreis“ mit Martin Kippenberger und Albert Oehlen, 1984

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Didi Sattmann: Fiakerrennen „Peter Altenberg Gedächtnispreis“ mit Martin Kippenberger und Albert Oehlen, 1984

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PS

Welche Künstlerinnen und Künstler haben Dich sonst noch geprägt? Welchen bist Du als Fotograf am nächsten gekommen?

DS

Eine schwierige Frage. Von Arnulf Rainer habe ich eine Serie, die ihm nahekommt. Sonst? Frohner, Kippenberger – von denen, die man kennt. Ich bin sehr stolz auf einer Serie mit Norbert Maringer, den ich als Künstler sehr schätze und von dem ich am meisten gelernt habe, Kunst zu verstehen. Ich hatte eine tolle Begegnung mit Maria Lassnig, deren Kunst ich damals weder gemocht noch verstanden habe. Dabei entstand eine Serie, die vielleicht einzigartig ist – und die demnächst in einem Buch über Maria Lassnig publiziert werden wird. Auch die Begegnungen mit Peter Turrini haben mich sehr geprägt. Das Besondere an all dem: Es kommen immer wieder neue Leute.

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PS

Du schreibst auch gerne, über Deine Arbeit, über Dinge, die Dich beschäftigen.

DS

Mich hat immer gewundert, wie wenig Künstler über ihre Arbeit, über abstrakte Dinge Auskunft geben. Ich hatte immer das Bedürfnis, verstanden zu werden. Das Schreiben war für mich eine Möglichkeit, bei mir selbst in die Tiefe zu gehen, auch in Verbindung mit Meditation oder mit japanischem Bogenschießen. Um dann Antworten auf die Fragen des eigenen Lebens zu geben. Warum fotografiere ich eigentlich Menschen? Weil ich trotz meiner Hörbehinderung auf Menschen zugehen wollte. Erst gegen Ende meiner Arbeit im Museum bin ich draufgekommen, dass ich das auch ohne Fotografie schaffen kann.

Der zweite Teil dieses Interviews ist hier zu lesen.

Didi Sattmann, Fotograf, Autor. Mitglied bei Kulturvernetzung, FLUSS NÖ sowie in der Künstlerhaus Vereinigung. Aufgewachsen in der Steiermark, lebt im Weinviertel. Studium Forstwirtschaft, Rechtswissenschaft (ein Anlauf). Zahlreiche Gelegenheitsjobs, wie Fensterputzer, Stahlkocher, Kranfahrer, Gärtner, Fahrer, Monteur, Lagerarbeiter, etc. Langjähriger Fotograf der Wiener Festwochen, von 1993 bis 2016 Fotograf im Wien Museum. „Erst die Arbeit mit der Kamera ermöglichte mir, einem von Kindheit an hochgradig Hörbehinderten, den Zugang zur Welt und zu den Menschen.“  www.didisattmann.at

Peter Stuiber studierte Geschichte und Germanistik, leitet die Abteilung Publikationen und Digitales Museum im Wien Museum und ist redaktionsverantwortlich für das Wien Museum Magazin.

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Kommentare

Martin Vukovits

Der Didi Sattmann war immer seiner Zeit voraus und hat Stimmungen erkannt, als sie für uns noch Alltag waren. Seine "Zeitkapseln" werden noch lange explodieren und kostbare Erinnerungen freilegen.

Barbara Höller

Lieber Didi - ich habe Dich ja erst vor kurzer Zeit kennen und schätzen gelernt und mit vollem Interesse diesen Text gelesen um Dich noch besser zu verstehen. Ein wunderbares und liebevoll gemachtes Interview, das Dir sehr nahe kommt. Mit so wunderbaren Fotos.
Alles Gute! Barbara

Walter Schramm

<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<hallo Didi! Alles Gute zum Geburtstag! Wir haben uns jetzt lange nicht mehr gesehen, weis auch nicht ob du dich noch an mich erinnerst!
Ich habe deine Fotos immer sehr bewundert und sogar eines einmal gekauft(mit Franz West) Auch habe ich dir immer etwas nachgeeifert und sicher auch einiges von dir gelernt.
Ich habe jetzt schon den 80. Geburtstag gefeiert und bin für den Repotagestil nicht mehr so geeignet :) Liebe Grüße und nochmals alles Gute! Walter

Roland

Vielen Dank für das Interview, welches schon Lust auf den 2.Teil macht!
Und nachträglich alles Gute zum Geburtstag!