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Die Designerin Eva Riedl
„Ich will nicht Mode machen“
„Zeitlos“ - im Sinne von „keiner Modeströmung unterliegend“ – diese Forderung stellte Eva Riedl selbst an ihre Designarbeiten und so wurden sie auch von der zeitgenössischen Kritik gesehen. „Ich will nicht Mode machen“ sagte sie einmal in einem Interview und damit ihre bewusste Abgrenzung vom „Zeitgeist“, dem Mode naturgemäß zu unterliegen hat, bekräftigt. Der durchaus auch ironisch zu verstehende Titel „NŌ FASHION“ für ihre Modekollektionen drückte diese Haltung auch nach außen hin aus und verwies gleichzeitig auf Eva Riedls engen Bezug zu fernöstlicher, insbesondere japanischer Kunst und Kultur, zum NŌ-Spiel, dieser Form der höchsten Konzentration zwischen Tanz und Theater, Darsteller und Publikum.
Eva Riedl war als Künstlerin Autodidaktin. Sie wurde am 3. Februar 1931 In Ottakring als einziges Kind des Radiomechanikers Adolf Flassig und seiner Ehefrau Hilde geb. Geisberger geboren und auf den Namen Eveline getauft. Schon früh kam sie mit dem für ihre spätere künstlerische Arbeit vorbildhaften Wiener Jugendstil in Berührung. Ihr Großvater Johann Flassig war pensionierter Vorstand der Wiener Stadtbahn, ihre Eltern wohnten in dessen Dienstwohnung in dem 1895 nach Plänen von Otto Wagner errichteten Stationsgebäude „Josefstädter Straße“ am äußeren Gürtel.
„Alle Räume waren 6 Meter hoch und überall war diese Otto-Wagner-Proportion und seine Ornamente“ erinnerte sich Eva Riedl 1981 in einem Interview an die direkt unter den Geleisen und Bahnsteigen gelegene großväterliche Wohnung.
Zunächst schien es, als würde der kleinen „Zeppeline“ – so hatte sie ihr Großvater genannt, inspiriert durch die am 12. Juli 1931, wenige Monate nach Evelines Geburt, erfolgte Landung des Luftschiffes „Graf Zeppelin“ in Wien Aspern –, eine Theaterkarriere beschieden sein. Von ihrem 4. bis zum 7. Lebensjahr spielte sie am Burg- und Akademietheater in vielen Kinderrollen in Stücken wie „Der Biberpelz“, „Ein Puppenheim (Nora)“ oder „Peterchens Mondfahrt“ neben den Bühnengrößen Ewald Balser, Raoul Aslan, Hilde Wagener, Lotte Medelsky, Rosa Albach-Retty oder Else Wohlgemuth. Viele Jahrzehnte später antwortete Eva Riedl auf die Frage, warum sie nie Schauspielerin werden wollte: „Eine zweite Wessely wäre ich nicht geworden, und darunter hätt’ ich’s nicht getan.“
Dieser angeborene Hang zu Perfektion, zu Logik, Mathematik, Natur und Technik veranlasste Eveline Flassig, die Höhere Bundeslehr- und Versuchsanstalt für chemische Industrie in der Rosensteingasse zu besuchen. Auch dieses 1911 nach Plänen von Julius und Wunibald Deininger, einem Schüler Otto Wagners, errichtete Gebäude zeichnet sich durch seine klare Gliederung und ornamentalen Jugendstildekor aus, wie er sich Jahrzehnte später bei Eva Riedls Entwürfen für die „Villa Mozart“ in Meran wieder findet.
Nach der Matura 1954 arbeitete sie einige Jahre in der Chemischen Industrie und heiratete 1957 den Tierarzt Dr. Alois Karl Halama. Mit der Geburt von zwei Söhnen, Peter (1961) und Dieter (1964), dem Bezug einer Jahrhundertwendevilla in Kaltenleutgeben im Wienerwald und dem Plan, gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Forschungslabor für Futtermittel zu betreiben, schien ihr weiterer bürgerlicher Lebensweg zwischen Familie und Beruf vorgezeichnet.
Mitte der 1960-er Jahre lernte Eveline Halama den Wiener Gobelinkünstler Fritz Riedl kennen. In dessen Atelier am Sebastianplatz im dritten Bezirk verkehrten damals junge Künstler wie Markus Prachensky und Kurt Moldovan. Thomas Bernhard, der ebenfalls zu dem Freundeskreis gehörte, verarbeitete seine Erinnerungen an diese Zeit in seinem 1984 einen Skandal auslösenden Roman „Holzfällen“, wo er vom dem „Tapisseriekünstler“ berichtet, der mit der „besten Freundin“ seiner Lebensgefährtin Joana nach Mexiko „durchgegangen“ sei und diese später geheiratet hatte.
Die erwähnte „beste Freundin“ war Eveline Halama. Sie trennte sich im Sommer 1967 von ihrem Mann, ließ die bürgerliche Existenz hinter sich und begleitete Fritz Riedl auf einer Ausstellungs- und Vortragsreise durch die USA bis nach Mexiko, wo er eine Gobelinmanufaktur gründen wollte. Eveline kehrte jedoch ihrer Söhne wegen nach wenigen Monaten wieder nach Österreich zurück. Obwohl sie und Fritz Riedl 1968 in Wien heirateten, war der Beziehung von kurzer Dauer. Er ging nach Mexiko und die Ehe wurde bald darauf geschieden. Eva Riedl, wie sie sich nunmehr nannte, blieb in Wien und arbeitete wieder in der Pharmaindustrie.
Dort lernte sie Anfang der 1970-er Jahre Heinz Sobota kennen, einen Wiener Kleinkriminellen und Zuhälter, der 1978 durch sein autobiographisches Buch „Der Minus-Mann“ für kurze Zeit große Popularität erlangen sollte. In diesem „Die Lust der Gesellschaft am Verbrechen“ bedienenden Werk, wie es die Zeitschrift „profil“ einstufte, beschreibt er Eva Riedl als die einzige Frau, die er wirklich geliebt hatte. Inmitten seiner von Gewalt und Menschenverachtung geprägten Umwelt war jedoch auch diese Beziehung zum Scheitern verurteilt.
Zu dieser Zeit begann Eva Riedl den schon länger gehegten Wunsch nach einer eigenständigen künstlerischen Laufbahn in die Tat umzusetzen. Im Jahre 1973 trat sie in das Designerteam der Wiener Textilkünstlerin Vesna ein. Deren neugegründetes Atelier in der Bäckerstraße umfasste die Bereiche Entwurf, Siebdruck, Mode und die bald von Eva Riedl übernommene textile Innenausstattung. Eines ihrer ersten großen Projekte war die Umsetzung von Vesnas Ausstattung für das 1975 eröffnete „Hotel Hilton“ am Wiener Stadtpark.
Nach ihren „Lehr- und Gesellenjahren bei Vesna“, wie Eva Riedl diese Zeit später benannte, machte sie sich im Jahre 1976 selbständig. So wurde sie mit 45 Jahren zur „Jung-Designerin“. Ihre ersten großen Aufträge waren die Einrichtung der Hotels „Villa Mozart“ in Meran und „König von Ungarn“ in Wien. Hier verwirklichte sie ein ganz in der Tradition der Wiener Werkstätte stehendes reduziertes Design.
Im Laufe der folgenden beiden Jahrzehnte schuf Eva Riedl ein reiches Oeuvre in den verschiedensten Designbereichen. Neben den Inneneinrichtungen für Hotels entstanden Privatwohnungskonzepte sowie Möbel und Lampen unter der Devise „funktionell und unaufdringlich“. Später kamen Teppichentwürfe und Muster für Dekorstoffe hinzu, darunter das von Josef Hoffmann beeinflusste „Kleine Quadrat“, das auch von der Wiener Firma Backhausen in ihr Programm aufgenommen wurde. In weiteren Stoffmustern verarbeitete Eva Riedl Anregungen der Wiener Werkstätte, aber auch italienischer Renaissancefußböden.
Im Jahre 1979 eröffnete sie ihr erstes eigenes Atelier am Spittelberg, Auf ihre Initiative hin wurden in dem damals neu revitalisierten Viertel die ersten Kunsthandwerksmärkte abgehalten. Für das Plakat zur Ausstellung „Spittelberg – Wiedererweckte Vergangenheit“ im Bezirksmuseum Neubau entstand 1981 eine ihrer wenigen gegenständlichen graphischen Arbeiten, die die Barockfassaden der Häuser Spittelberggasse 18 und 20 zeigt.
Zu Beginn der 1980-er Jahre macht sich im Werk Eva Riedls der zunehmende Einfluss fernöstlicher Kulturen bemerkbar. Ihre eigenen Stoffmuster führten sie nun auch zur Mode. Es entstanden Modekollektionen wie „„NŌ FASHION“ oder „East of Fashion“, basierend auf den traditionellen „Urschnitten“ japanischer, chinesischer und mongolischer Bekleidung, verbunden mit dem „Bemühen zur Reduktion, dort, wo es die Zweckmäßigkeit erfordert, und zur Opulenz, soweit es die Zweckmäßigkeit gestattet“, wie Eva Riedl 1991 im Katalog zur Ausstellung „Zeitlos“ anmerkte. Gleichzeitig mit Kimonos, Yukatas und Hakamas entstanden aber auch Kleidungsstücke mit Lokalcolorit, wie „Kimonodirndl“ oder „Blaudruckkimonos“.
Mit Entwürfen für Handtaschen, Schuhe, Hüte und Schirme lieferte die Künstlerin auch die passenden Accessoires zu ihrer Mode, die sie ab 1981 in einem eigenen Laden in der Rotenturmstrasse verkaufte. 1988 erfand Eva Riedl die „Vienna Art Shirts“ - eine damals noch wenig bekannte Art des Kultursponsorings. Bildsujets aus verschiedenen Museen wurden von ihr graphisch umgestaltet und auf die damals noch als „kulturlos“ geltenden T-Shirts gedruckt. Diese „Art Shirts“ sollten ihren TrägerInnen Attribute wie „Kultur, Bildung und Witz“ verleihen und unterstützen gleichzeitig die beteiligten Institutionen durch eine Spende.
Eva Riedls Werke zeigen ihre „Liebe zur Geometrie“, zu Klarheit und Funktionalität in Verbindung mit hoher handwerklicher Qualität in der Ausführung, an der sie oft selbst beteiligt war. Ihre Arbeiten basieren auf mit Lineal und Zirkel gezeichneten exakten und meist symmetrischen Konstruktionen. Nur selten verlässt sie das Ornament und zeigt Bildgestaltungen, dennoch gibt es für viele Werke Hinweise auf Narrative im Hintergrund. Gleichzeitig unterstellte Eva Riedl ihren Werken auch immer wieder Humor, wie zum Beispiel dem schlafenden „Lazy Tiger 109“, oder dem sprichwörtlichen „Goldenen Wienerherz“, einem Hocker in Form eines goldenen Herzens.
Eva Riedl war stets eine künstlerische Einzelgängerin und stand auch in der Wiener Modeszene der 1980-er und 1990-er Jahre in der Mitte zwischen der etablierten Wiener Luxus- und der progressiven jungen U-Mode – weder zu dem einen noch zu dem anderen gehörig. Dies ist vermutlich mit ein Grund, warum sie heute, 25 Jahre nach ihrem frühen Tod im Alter von 65 Jahren am 12. Jänner 1996, vergessen ist. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Tullnerbach.
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Kommentare
Liebe Frau Dobeinig, vielen Dank für Ihren Kommentar! Eva Riedl war zweifelsohne eine tolle Frau, die ein sehr selbstbestimmtes Leben geführt hat! Das Museum hat einige ihrer Kleider in der Sammlung, vielleicht ergibt sich ja mal die Gelegenheit, sie wieder in einer Ausstellung zu zeigen! Beste Grüße, Peter Stuiber
noch nie etwas von eva riedl gehört - eine tolle frau mit vielen ideen - einfach super vielleicht gibt es ja wieder eine ausstellung von ihr ?
es zeigt sich wieder wie vielfältig man sein leben gestalten kann - immer wieder etwas neues machen - toll !!