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Die Mandlbögen aus dem Verlag Trentsensky
Bühnenzauber im Kleinformat
„Seit einer Reihe von Jahren bestrebt, bei der Herausgabe der mannigfachsten Werke für die Kinderwelt Angenehmes und Nützliches in zweckmäßiger Verbindung zu bieten, …“: Mit diesen Worten warb der Wiener Verleger Matthäus Trentsensky im Dezember 1849 in der „Wiener Zeitung“ für seine vor den Feiertagen erscheinenden Mandlbögen, die wohl auch in seiner Geschäftsauslage zu sehen waren. Trentsensky war bekannt für seine qualitätsvollen Bilderbogen, die die Kinder selbst bemalen und ausschneiden konnten. Dieses günstige Spielzeug aus Papier zählte zu seinen erfolgreichsten Produkten. Passend zur Vorweihnachtszeit sind nun mehr als 900 Mandlbögen – vorwiegend Figurinen für das Papiertheater – in der Online Sammlung des Wien Museums zu finden.
Im Biedermeier waren Mandlbögen sehr beliebt, galten sie doch als nützliche Beschäftigung für die Jugend. Vorläufer von Mandlbögen und Bilderbögen lassen sich bis in das 15. Jahrhundert zurückverfolgen, doch erst im 18. und 19. Jahrhundert erschienen Druckerzeugnisse für Kinder und Jugendliche wie Kinderbücher, Bilderbögen und Papierspielzeug. Die Zentren der populären Druckgraphik waren Augsburg und Nürnberg, wo bereits um 1735 Ausschneidebögen mit biblischen Motiven und Alltagsszenen erhältlich waren. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden gemäß den Forderungen der aufklärerischen Pädagogik kindgerechte Lesestoffe, Anschauungsbücher und Lernspiele entwickelt. In Wien setzte die Mandlbogenproduktion um 1780 ein. Neben dem bekannten Kupferstecher Hieronymus Löschenkohl gab es weitere Stecher wie Franz Aßner oder Joseph Eder, die sich mit dem „Kreuzerlgeschäft“ der Mandlbögen abgaben. Diese frühen Bogen sind im Vergleich zu der Trentsenskyschen Produktion wesentlich schlichter und ermöglichten keine großen Aufstellungen.
Die „Mandln“ der Firma Trentsensky
Im Jahr 1819 nahm die lithographische Anstalt Trentsensky der Brüder Matthäus (1790-1868) und Josef (1794-1839) Trentsensky ihre Tätigkeit mit der Herstellung und dem Vertrieb von Druckerzeugnissen aller Art auf. Da Matthäus – obwohl die treibende Kraft in künstlerischer und technischer Hinsicht – als ehemaligem k.k. Offizier die Führung eines Geschäftes untersagt war, wurde der Verlag von 1819 – 1832 unter dem Namen des jüngeren Bruders geführt. 1822 erhielt Matthäus Trentsensky ein Privileg auf seine Erfindung einer neuen „Cylinder-Druckmaschine“, 1832 kaufte er seinem Bruder Josef den Kunstverlag ab; 1837 übernahm er die Firma, die er bis zu seinem Tod unter seinem Namen weiterführte. Das „Verschleißgewölbe“ der Firma befand sich im Zwettlhof hinter dem Stephansdom und später im Domherrnhof. Matthäus Trentsensky war um internationale Geschäftskontakte bemüht, so ging er zum Beispiel für einige Jahre geschäftliche Verbindungen mit Verlagen in Leipzig und in London ein. In ihrer Blütezeit beschäftigte die Firma Trentsensky bis zu 200 Arbeiter. Zu den Produkten, die der Verlag für die Jugend herstellte, zählten Panoramen, Ankleidepuppen, Puzzle- und Würfelspiele, Mal- und Bilderbücher – und nicht zuletzt eben Mandlbögen.
Doch warum waren gerade Trentsenskys Mandlbögen so beliebt? Statt einer starren Szene mit einem geschlossenen Bild gab es bei seinen Mandlbögen einzelne Figuren zum Ausschneiden (eben die „Manderln“, die dem Produkt den Namen gaben). Zu den Szenen konnte man passende Hintergründe und Versatzstücke kaufen. Als typische Form des Mandlbogens diente das schmale Querformat, die Figuren sind hier in Reihen auf losen, billigen Papierblättern angeordnet. Sie wurden von den Kindern selbst bemalt, ausgeschnitten, auf einen Karton geklebt und für die Aufstellung an einem Holzklötzchen befestigt. Dadurch sollte die handwerkliche Geschicklichkeit gefördert werden. Nun konnte man die Figuren einzeln oder in Gruppen bewegen, zur variablen Aufstellung kam die räumliche Wirkung. Jedes Thema bestand aus 3 bis 24 Blättern. In der Aufstellung sollte dem Kind die Welt übersichtlich und begreifbar gemacht werden: Es sollte nur in der Anschauung lernen, ohne moralisierende Texte. Eine der wesentlichen Leistungen des Verlags Trentsensky bestand darin, mit den Mandelbögen ein kostengünstiges und zugleich lehrreiches Spielzeug aus Papier für breite Bevölkerungsschichten zu produzieren. Denn das im Biedermeier geförderte spielerische Lernen mit Puppenstuben für Mädchen und Pferdegespannen und Soldaten für Buben war aus Kostengründen nur einer Oberschicht vorbehalten.
Die kostengünstige Massenproduktion von Mandlbögen war durch die 1798 erfundene Lithographie möglich geworden. Hauptsächlich handelte es sich um um schwarz gedruckte Federlithographien oder um handkolorierte Ausschneidebögen. Das einfache Blatt zum Selbstausmalen war um einige Kreuzer zu haben. Für wohlhabende Kinder gab es die einzelnen Teile bereits fertig ausgeschnitten, koloriert und auf Karton aufgeklebt in einem hübschen Kästchen verpackt. Zu den Themen aus Alltag und Geschichte zählten Soldaten, Ritter, Arbeit, Feste, Tiere oder Reisen. Die Mandlbögen wurden nicht nur in der Monarchie, sondern weit über die Landesgrenzen hinaus nach Deutschland, Russland und Amerika verkauft. Durch die Mitwirkung von bedeutenden Künstlern wie Moritz von Schwind, Josef Kriehuber oder Johann Matthias Ranftl sorgte der Verlag für eine hohe gestalterische Qualität seiner Erzeugnisse.
Theater für zuhause
Das Papiertheater war in der Biedermeierzeit in nahezu allen bürgerlichen Haushalten vorzufinden. Auf kleinen Bühnen aus Holz und Papier wurden klassische oder damals beliebte Stücke nachgestellt, wodurch für ein unterhaltsames familiäres Zusammensein und zugleich für literarische Bildung gesorgt war. Erste Miniaturbühnen gab es bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts in England und Deutschland. Guckkästen, Mandlbögen und Krippen gelten als Vorläufer des Papiertheaters. 1825 erschien bei dem Verleger Heinrich Friedrich Müller in Wien am Kohlmarkt ein „Figuren-Theater für Kinder“, das aus dem Etui gezogen „augenblicklich aufgestellt“ und zur „Belustigung den Kindern vorgespielt“ werden konnte.
Als einer der ersten entwickelte Trentsensky Mitte der 1820er Jahre das Papiertheater und blieb bis weit in das 19. Jahrhundert hinein federführend auf diesem Gebiet. Um 1825 erschien das „Große Theater“ mit Dekorationen nach Zeichnungen des Wiener Theatermalers Theodor Jachimowicz und Figurinen, die vorwiegend von Josef Schmutzer stammen. Als Vorbild für die Dekorationen und Kostüme dienten zumeist zeitgenössische Theater- und Opernaufführungen auf Wiener Bühnen, die daheim nachgestellt werden konnten. Dazu zählte zum Beispiel „König Ottokars Glück und Ende“ von Franz Grillparzer oder „Der Verschwender“ von Ferdinand Raimund“. Zum Aufstellen diente das dazu passende Theatergestell. Die Theaterbögen wurden alljährlich ergänzt und bis knapp vor Trentsenskys Tod waren mehr als 40 Theaterstücke herausgekommen. Um 1830 erschien das „Mignontheater“ als kleinere Ausgabe mit eigenen Dekorationen, von den gleichen Künstlern gezeichnet. Mit seinem Papiertheater entsprach Trentsensky der Vorliebe des Wiener Biedermeier für das Theater. Es symbolisierte in der Biedermeierzeit Familiensinn und diente dem Vergnügen wie der Bildung.
Trentsensky – Mandlbögen im Wien Museum
Mandlbögen waren Gebrauchsgegenstände, daher sind sie oft nur mehr als verstreute Einzelblätter erhalten. In den Sammlungen des Wien Museums befindet sich ein ansehnlicher Sammlungsbestand an Trentsensky-Bögen, darunter auch schön kolorierte Blätter, obwohl die Mandlbögen meist in schwarz-weiß verkauft wurden. Ein großer Sammler von Trentsensky-Mandlbögen war der Wiener Bibliothekar Moritz von Grünebaum (1873-1942) gewesen. Grünebaum wurde als Jude am 21. Dezember 1942 im KZ Theresienstadt ermordet. Nach 1945 tauchten sukzessive Werke aus seiner Sammlung im Wiener Kunsthandel auf. Die Städtischen Sammlungen (heute: Wien Museum) erwarben rund 1500 Objekte aus dieser Sammlung beim Versteigerungshaus Kende. Im Februar 2017 befand die Wiener Restitutionskommission die Objekte aus der Sammlung Grünebaum für rückgabefähig. 2021 konnten sie schließlich an die Rechtsnachfolger:innen ausgefolgt werden. Vor diesem Hintergrund lesen sich die 1918 niedergeschriebenen Erinnerungen von Moritz von Grünebaum an die Trentsensky-Mandlbögen besonders berührend:
„Für uns ‚ältere Wiener‘ aber bringt der Name Trentsensky eine Fülle von Erinnerungen, untrennbar mit diesem Namen verknüpft ist eine ganz bestimmte Vorstellung, der ‚Mandelbogen‘ oder das ‚Malbild‘, wie wir dieses populärste Produkt der Trentsenskyschen Anstalt wohl auch genannt haben. … ein Blatt kostete seinerzeit einen Kreuzer österreichischer Währung und war in den Papierhandlungen der Städte ebenso allgemein zu finden wie in den einfachsten Kaufläden auf dem Lande…. Ich kann mich noch sehr gut meines ersten Besuches in jenem Papiergeschäft in der Domgasse erinnern. … Ich kam mir vor – wie im Märchen! … die vielen, vielen verschiedenen ‚Mandelbögen‘ – einer immer schöner als der andere.“
In der Online Sammlung des Wien Museums sind über 900 Mandlbögen aus dem Verlag Trentsensky zu finden, alle kostenlos downloadbar.
Literatur:
Andrea Hönigmann: Spielleidenschaft und Unterhaltungsindustrie, in: Hieronymus Löschenkohl. Sensationen aus dem alten Wien; Hg.: Monika Sommer/Wien Museum; Ausstellungskatalog zur 357. Sonderausstellung des Wien Museums, Wien 2009
Alfred Koll: Die kleine Perspektive in die große Welt der Bühnenromantik, in: Die kleine Welt des Bilderbogens. Der Wiener Verlag Trentsensky; Ausstellungskatalog zur 50. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Wien 1977
Gertrude Langer-Ostrawsky: Erziehung und Schule (Biedermeier und Vormärz), in: Bürgersinn und Aufbegehren. Biedermeier und Vormärz in Wien 1815 – 1848; Ausstellungskatalog zur 109. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Wien 1988
Karin Neuwirth: „In den eigenen vier Wänden. Papiertheater – Eine bürgerliche Liebhaberei“; Sonderausstellung des Theatermuseums, Wien 2016; Theatermuseum: Papiertheater 2016
Heinz Wegehaupt: Druckkultur für die Jugend im deutschen Sprachraum. Ein historischer Abriß vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: Papierspiel & Bilderbogen aus Tokio und Wien 1780 – 1880“; Ausstellungskatalog zur 233. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Wien 1997
Reingard Witzmann: Kunst, Spiel, Bildkonsum. Zur Soziologie der populären Druckgraphik in Wien, in: Papierspiel & Bilderbogen aus Tokio und Wien 1780 – 1880“; Ausstellungskatalog zur 233. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Wien 1997
Reingard Witzmann: Der Wiener Verlag Trentsensky, in: Die kleine Welt des Bilderbogens. Der Wiener Verlag Trentsensky; Ausstellungskatalog zur 50. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Wien 1977
Herbert Zwieauer, Papiertheater. Die kleine Welt der großen Bühnen, in: Papiertheater. Eine Sonderausstellung aus Wiener Sammlungen; Ausstellungskatalog; Österreichisches Museum für Volkskunde, Wien 1985
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Kommentare
Ein sehr tiefgehender und vielseitiger Artikel, der für eine Nicht-Wienerin eine Zauberwelt öffnet.
Wunderbar, dass sowohl Produktion, als auch die Mandlbögen und Theater so gut dokumentiert sind. Danke für den Artikel!