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Anna Attems, 12.7.2022

Die Skulpturen im Pötzleinsdorfer Schlosspark

Stimmen der Vergangenheit

Im malerischen Pötzleinsdorfer Schlosspark sind vier monumentale Skulpturen aufgestellt, deren bewegte Geschichte wohl den wenigsten Spaziergängern bekannt ist. Denn sie stammen vom Ringtheater, dessen Brand im Dezember 1881 hunderten Menschen das Leben kostete.

Die monumentalen Skulpturen stellen die vier Stimmlagen des Gesanges dar. Alt, Tenor, Sopran und Bass standen in eben dieser Reihenfolge ursprünglich auf der Attika des Wiener Ringtheaters, und auch heute im Pötzleinsdorfer Schlosspark. Das Wiener Ringtheater, auch „Komische Oper“ genannt, war 1874 von Emil von Förster vollendet worden und befand sich am Schottenring 7.

Am 8. Dezember 1881 fiel es einem verheerenden Brand zum Opfer. An diesem Abend hätten „Hoffmanns Erzählungen“ aufgeführt werden sollen. Jedoch griff, kurz nachdem die Besucher ihre Plätze eingenommen hatten, ein Feuer ausgehend vom Bühnenbereich auf den Zuschauerraum über. Ausgelöst wurde es durch ein Versagen bei der Gasbeleuchtung. Die vorhandene Drahtkurtine, ein Vorläufer des eisernen Vorhangs, wurde nicht geschlossen.

Es war eine der größten Brandkatastrophen des 19. Jahrhunderts in Österreich-Ungarn. Offiziell betrug die Zahl der Todesopfer 384. Schätzungen gingen jedoch von noch viel mehr Toten aus. Der Ringtheaterbrand und der folgende Prozess wurden literarisch von Helmut Qualtinger und Carl Merz in einem Theaterstück aufgearbeitet. Dessen Titel lautet „Alles gerettet“: Mit diesem Satz hielt die Polizei im Theatervorraum aufgrund einer Fehleinschätzung der Lage Helfer von weiteren Rettungsversuchen ab.

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Doch wie kamen die Attikafiguren nun hierher, an diesen für sie doch sehr untypischen Ort? Das „Singende Quartett“ überstand das Flammeninferno nahezu unversehrt. Bald nach der Katastrophe wurden sie vom letzten Besitzer des Schlosses Pötzleinsdorf, Max Schmidt, erworben und im Park aufgestellt. Max Schmidt war es auch, der den Besitz testamentarisch der Gemeinde Wien vermachte.

Die riesigen Figuren fallen manchen Spaziergängern vielleicht gar nicht auf, aber zu übersehen sind sie eigentlich nicht. Allerdings erwarten sie uns nicht gleich nach dem Eingang, sondern wollen im Inneren des Pötzleinsdorfer Schlossparks entdeckt werden.

Lässt man nach dem Eingang in den Park den Kinderspielplatz „links liegen“, und folgt dem Weg ins Herz der Parkanlage, wird man bald die markanten Mammutbäume links am Weg sehen. Und etwas weiter hinten auf der Wiese ist auch schon die weibliche Figur des Alts zu entdecken. Sie tönt in Richtung Tenor, den man nach kurzer Zeit ebenfalls auf der linken Seite des Weges findet.

Unmittelbar nach dem Standort des Tenors, dargestellt in einer männlichen Figur, führt ein Weg zu einem illustren Gebäude in Form eines griechischen Tempels. Nun hat der Ausflügler die Wahl: den Hügel hinauf Richtung Wald zu marschieren, oder unten entlang des ehemaligen Ententeichs und der weitläufigen Wiesen zu schlendern.

Zwischen Wald und Wiesenweg versteckt sich allerdings noch ein ganz besonderer Pfad: hinter dem Tempelchen führt er auf Steinplatten am Waldrand querfeldein. Von hier aus kommt man den beiden Figuren des Sopran – in weiblicher Form – und des Bass – in männlicher Gestalt – sehr nah. Gedacht war das vom Künstler, Friedrich Steger, der die Figuren aus Kalksandstein in den Jahren 1873/ 1874 erschuf, natürlich nicht. Denn sie sollten ja vom Theaterdach herunter wirken. Der nahe Blick ist daher besonders spannend: die offenen, singenden Münder der Figuren sind riesig. Dadurch sind sie auch von weit weg gut zu erkennen.

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Wer das Glück hat, den Steinplatten-Weg zwischen Sopran und Bass während der Rhododendren Blüte zu beschreiten, der fühlt sich vielleicht erinnert an eine Levada-Wanderung auf Madeira. Tea House findet man zwar keines, aber dafür das legendäre Buffet Pötzleinsdorf am Kinderspielplatz (am Rückweg dann).

Als wäre das alles nicht schon pittoresk genug, kann der achtsame Parkbesucher manchmal sogar Rehe und Kitze auf der Wiese hinter Bass und Tenor sehen. Es handelt sich nämlich um eine Futterwiese. Parkbänke zum Verweilen und Beobachten gibt es ausreichend, und hier in den Tiefen des Parks ist es sogar an Wochenenden ruhig. Die meisten Besucher halten sich im vorderen Bereich bei Kinderspielplatz, Fussballplatz und Kleintiergehege auf.

Die heute so natürlich wirkende Idylle wurde von einem der frühen Besitzer des Parks, Johann Heinrich Geymüller, mit viel Aufmerksamkeit gestaltet. Bis dahin war der Nordabhang des Schafbergs öde und wahrscheinlich eher schmucklos. Mit Hilfe des Kunstgärtners Konrad A. Rosenthal bepflanzte Geymüller diesen Teil und bezog ihn in die Parkgestaltung ein. Der Park wurde dadurch zu einem der schönsten Parks englischen Stils in Wien und steht heute unter Denkmalschutz.

Weiter in den Wienerwald oder ins Geymüllerschlössel

Wer nun in Stimmung gekommen ist, weiter auf Entdeckungsreise zu gehen, der kann den Pötzleinsdorfer Schlosspark als Startpunkt für ausgiebige Wanderungen Richtung Wienerwald nutzen und einfach weiter gehen. Aber auch eine museale Entdeckung versteckt sich hier: die MAK-Expositur Geymüllerschlössel ist von hier aus über die oberen Parkausgänge und durch die Pötzleinsdorfer Straße Richtung Ägidikirche in ein paar Minuten Fussmarsch zu erreichen. Das Geymüllerschlössel ist samstags und sonntags geöffnet.

 

Informationen zum Pötzleinsdorfer Schlosspark (Öffnungszeiten etc.) finden Sie hier.

Anna Attems studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien. Mit ihrem 2017 gegründeten Unternehmen Kunst für uns betreut sie Instagram Accounts für Museen und Kunstuniversitäten in Wien und Berlin.

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Kommentare

Jennifer

Tolle Artikel! Danke Anna! Liebe Grüße!

Berni Knoll

Sehr geehrte Frau Attems,
herzlichen Dank für diesen Beitrag!

Seit vor vielen Jahren alle Tiere des „Kleintiergeheges“ bei einem Brand ums Leben gekommen sind, konnte ich nicht mehr in den Pötzleinsdorfer Schloßpark gehen; ich habe in früheren Jahren viel Zeit mit meinen Kindern ebendort verbracht, wir sind auch lange Runden durch den Park gegangen, aber an die Figuren kann ich mich nicht erinnern.
Vorigen Winter überzeugte mich mein Freund, einen Versuch zu wagen, den einst so vertrauten Park wieder aufzusuchen, und bei dieser Gelegenheit entdeckte er die
monumentalen Statuen.
Das Geheimnis der weit aufgerissenen Münder ist dank Ihres Artikels gelüftet!

Mit freundlichen Grüßen
Berni Knoll

Sigrid Herbst

Ein schöner Bericht, macht Lust, den Park zu besuchen und die Statuen selbst anzuschauen.

Fritz Zeilinger

Ich war schon oft in diesem Park, aber die 4 Statuen habe ich nicht als tragisch-historische Zeugen und Zeuginnen des Brandes wahrgenommen - was sich eben geändert hat.

Danke!

Erich

Das Bild "Kleiner Tempel auf dem Weg" lässt sich nicht öffnen.

Elisabeth Zerlauth

Danke für den interessanten Beitrag, der mir neue Bilder und Textinhalt erschlossen hat. Die zahlreichen Rechtschreib-Hoppalas stören allerdings ein wenig.