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Evelyn Steinthaler, 6.6.2021

Die Spuren der Sascha-Film

Massenszenen am Laaer Berg

Die Sascha Filmindustrie AG prägte mit monumentalen Stummfilmen wie „Sodom und Gomorrha“ und Welterfolgen wie „Maskerade“ bis 1938 die Filmstadt Wien. Einige Orte erinnern heute noch daran.

Flaniert man heute durch das Grätzl rund um die Neubaugasse, bewegt man sich durch das einstige Zentrum der österreichischen Filmindustrie. Auch gegenwärtig finden sich hier Büros von österreichischen und internationalen Filmfirmen und auf der Neubaugasse erinnern Stolpersteine an vertriebene und ermordete jüdische Filmschaffende aus Wien. Doch selbst wenn sich hier diese Spuren finden, so war nicht nur der 7. Bezirk für die österreichische Filmindustrie vor 1938 von Bedeutung, wie an der „Sascha Filmindustrie AG“, 1910 als „Sascha Filmfabrik“ von Alexander Joseph „Sascha“ Graf Kolowrat-Krakowsky im böhmischen Pfrimberg, dem heutigen Přimda, gegründet, leicht zu erkennen ist. Sie hatte ihre erste Wiener Niederlassung in der Treustraße im 20. Bezirk. Durch die Fusion mit der Filmverleihfirma Philipp & Pressburger wurde sie zur „Sascha Filmindustrie AG“, kurz „Sascha-Film“, und bald zu einer fixen Größe in der jungen österreichischen Filmindustrie. Man bezog mitten im 7. Bezirk ein Büro an der Adresse Siebensterngasse 31, wo die „Sascha-Film“ auch das Vertriebsbüro für die US-amerikanische „Paramount“ unterhielt.

Mit „Casablanca“ schrieb der 1886 in Budapest als Manó Kertész Kaminer zur Welt gekommene Michael Curtiz 1942 Filmgeschichte. Nach dem Ersten Weltkrieg war Curtiz, der zu dem Zeitpunkt seinen Namen ungarisiert als Mihaly Kertész trug, nach Wien gekommen und drehte hier für die „Sascha-Film“ mehrere Stummfilme, darunter die Monumentalfilme „Sodom und Gomorrha“ (1922) und „Die Sklavenkönigin“ (1924). Die Kulissen für Kertész ersten Monumentalfilm waren für das Sascha-Filmatelier in Sievering zu groß und auch der Prater, westlich der Rotunde, wo bis dahin immer wieder gedreht worden war, entsprach nicht den notwendigen Platzanforderungen. Also verlegte man den Drehort auf den Laaer Berg, wo von 1922 bis 1925 die „Filmstadt Laaer Berg“ bestand. Sie war nicht nur für die großen Bauten von Vorteil, sondern auch für die Massenszenen der Kertész-Stummfilme, befanden sich dafür doch jeweils mehrere tausend Personen am Filmset.

In Favoriten erinnert seit den frühen 1970er Jahren die Filmteichstraße an die Zeit der „Filmstadt Laaer Berg“. Wer am anderen Ende der Stadt heute durch die Sieveringer Straße spaziert, sieht auf Nr. 135 ein geschmiedetes Tor, das zu einer Wohnhausanlage führt. Hier ist „Wohnatelier Sievering“ zu lesen, eine Reminiszenz an das hier ehemals befindliche Filmatelier.

Nach dem Niedergang der konkurrierenden „Vita-Film“ übernahm die „Sascha-Film“ 1933 die Studios am Rosenhügel, wo ein Jahr später der Welterfolg „Maskerade“ gedreht wurde. Paula Wessely debütierte unter der Regie von Willi Forst, ihre Filmpartner waren Adolf Wohlbrück und Hans Moser. Wohlbrück, schwul und per Nürnberger Rassengesetze als „Halbjude“ kategorisiert, emigrierte 1936 nach Großbritannien und setzte dort seine Karriere als Anton Walbrook erfolgreich fort. Wessely und Moser wurden mit durchaus unterschiedlichen Beweggründen Stars des NS-Kinos. Auch Willi Forst emigrierte nicht, sondern wurde mit seinen Filmen Garant für das vom NS-Regime so geschätzte, unpolitische Unterhaltungskino. Kritik daran, dass er während der NS-Zeit weiter Filme drehte und nicht emigriert war, begegnete Forst nach dem Krieg mit dem Hinweis, dass er keine Propaganda-Filme sondern Unterhaltungsfilme schuf. Er wollte wohl seine Arbeit in der NS-Zeit als widerständische Handlung verstanden wissen: „Meine österreichischsten Filme machte ich, als Österreich zu existieren aufgehört hatte“, so Forst.

Von der Sascha-Film zur Wien-Film

Den weltweiten Erfolg von „Maskerade“ konnte die „Sascha Film“ nicht wiederholen. Die neuen politischen Zustände in Deutschland erschwerten die ökonomische Situation der Filmfirma, obwohl das deutsche Tobis-Tonfilm-Syndikat als Investor in die Gesellschaft eintrat und die „Sascha-Film“ nunmehr unter dem Namen „Tobis-Sascha-Filmindustrie AG“ firmierte. Die Produktionsfirma geriet zusehends in finanzielle Bedrängnis, nicht zuletzt durch das Verbot von Geldtransfers von Deutschland nach Österreich im Jahr 1935. Ein Jahr später, 1936, verkaufte der jüdische Rechtsanwalt Oskar Pilzer, der seit 1930 Präsident der „Sascha-Film“ war, gemeinsam mit seinen Brüdern die Anteile an der Filmfirma. Die „Sascha-Film“ wurde 1938 aufgelöst und an ihre Stelle trat die „Wien-Film GmbH“, die als politisch genehme Filmfirma sowohl die Büroräumlichkeiten in der Siebensterngasse als auch die Studios am Rosenhügel und in Sievering übernahm.

In den Jahren des NS-Terrors produzierte die „Wien-Film GmbH“ neben zahlreichen Unterhaltungsfilmen einen der wohl schrecklichsten NS-Propaganda-Filme: „Heimkehr“ unter der Regie des Wieners Gustav Ucicky mit Paula Wessely in der Hauptrolle. Die Innenaufnahmen zu „Heimkehr“ wurden in den Rosenhügelstudios gedreht und am 10. Oktober 1941 hatte der Film seine Deutschland-Premiere im Wiener Scala Kino. Die gleichgeschaltete Presse überschlug sich tags darauf im nationalsozialistischen Freudentaumel. Oskar Pilzer war zu diesem Zeitpunkt bereits tot, er starb im Juni 1939 im Pariser Exil.

Evelyn Steinthaler, 1971 in Klagenfurt/Celovec geboren. Diplomstudium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien. Autorin, Hörbuchproduzentin, Uni-Lektorin, Übersetzerin, Biografin und in der politischen Bildung tätig. Lebt und arbeitet in Wien.

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