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Helge Faller , 3.3.2022

Die Wiener Fußballpionierinnen

Sindelars Schwestern

In der Zwischenkriegszeit gab es nicht nur das „Wunderteam“. Von 1935 an begeisterten Wiener Frauenfußball-Vereine mit hochklassigen Matches. Nicht nur von Seiten des ÖFB gab es allerdings heftigen Widerstand gegen die Sportlerinnen.

Die Football Association (FA), der höchstrangige Fußballverband in England, erließ 1921 ein Spielverbot für Frauen auf Plätzen von Vereinen, die im Verband organisiert waren. Noch heute hält sich das Gerücht, dass damit der Frauenfußball in Europa bis 1970 erledigt war. Doch trotz der diskriminierenden Maßnahme im Mutterland des Fußballs trugen einige europäische Länder in der Zwischenkriegszeit sogar Meisterschafen im Frauenfußball aus. Dazu zählte auch Österreich: 250 Zuschauer*innen kamen am 2. Mai 1936 zum ersten Meisterschaftsspiel der Österreichischen Damenfußball Union (ÖDU).

„Unästhetisch und ungesund"

Vor dem Spiel hatten die Fußballerinnen einiges an Überzeugungsarbeit geleistet, denn der Austrofaschismus sah den Frauensport generell und den Frauenfußball im Besonderen höchst kritisch. Physische, psychische und ästhetische Gründe wurden ins Treffen geführt, auch prominente Fußballer äußerten sich ablehnend. So wird „Wunderteam“-Spieler Karl Zischek am 3. Februar 1936 im Montag zitiert: „Wie werden die Damen nur köpfeln, wenn sie auf ihre Wasserwellen achtgeben müssen?! – und überhaupt eine kickende Braut – unmöglich!“ In derselben Ausgabe wurde Austria-Präsident Emanuel Schwarz mit den Worten wiedergegeben: „Eine Frau als Fußballerin wirkt entschieden unästhetisch. Außerdem ist Fußball für Frauen ungesund und viel gefährlicher als für Männer, da sie viel empfindlichere Organe haben.“

Auch der ÖFB beschäftigte sich vor allem mit der Frage, wie den Frauen der Fußball verunmöglicht werden könnte. Im Juni 1935 war der erste Versuch eines öffentlichen Spiels noch verboten worden. Am 13. Oktober allerdings kam es am Lehrerportplatz, dem heutigen Postsportplatz, in Hernals vor rund 2000 Zuschauer*innen zur Geburtsstunde des organisierten Frauenfußballs in Österreich: Der DFC Wien und die Austria trennten sich 3:3. Mit der „Wochenschau“ war sogar das Kino anwesend und berichtete wie die Zeitungen überwiegend positiv. Der Morgen schrieb: „Der Fußballverband hat die fußballspielenden Damen in Acht und Bann getan. Warum weiß er vermutlich selbst noch nicht.“ Tatsächlich war vom Verband in den nächsten Monaten nichts zu hören. Vielleicht hofften seine Vertreter, die Begeisterung werde sich von selbst legen.

Doch in Wien und Umgebung gründeten sich neue Vereine. Die Zuschauer strömten zu den Spielen, es entstand eine echte Fangemeinde. Nur logisch, dass bereits im Dezember der nächste Schritt vorbereitet wurde – die Gründung eines Verbands und die Ausrichtung nationaler Titelkämpfe. Die Meisterschaft sollte in einer Zehnerliga stattfinden. Für den 15. März 1936 vermeldet das Kleine Blatt die behördliche Genehmigung der Österreichischen Damenfußball Union. Vorsitzender wurde Franz Holzer, der Trainer des DFC Wien, seine Stellvertreterin Edith Klinger, die Gründerin des später in DFC Tempo umbenannten 1. Wiener DFC.

Trotz Verboten erfolgreich

Am 20. März 1936 reagierten die Funktionäre mit der Verkündigung eines Spielverbots für die Frauen auf Verbandsplätzen. Bereits einige Tage zuvor hatte das Wiener Montagsblatt behauptet, dass nun endlich mit dem Unfug aufgeräumt werde. Andere Zeitungen zeigten sich verständnisvoller, und manche, wie der Montag, stellten sich auf die Seite der Frauen.

Das Verbot verhinderte einige Spiele in den Bundesländern, so zum Beispiel in Linz. Doch die ÖDU verfügte über fünf Sportplätze außerhalb der ÖFB-Observanz, und so ging der Spielbetrieb ungestört weiter. Teilweise wurde vor bis zu 4.000 Besucher*innen gespielt. Im Mai wurde schließlich die Meisterschaft gestartet. Meister der Frühjahrsrunde, die bis Mitte Juli dauerte, wurde die Austria, die ebenso wie Rapid vom Männerfußballverein gleichen Namens unabhängig war. Die stärksten Widersacher waren der Österreichische DFC Wien, Vindobona und Tempo. Im Durchschnitt sahen rund 500 Zuschauer*innen die Spiele, die zweimal 40 Minuten dauerten.

Das größte Problem für die Wiener Fußballerinnen war von Beginn an das Platzproblem. Nachdem der ÖFB seinen angeschlossenen Vereinen untersagt hatte, den Frauen deren Plätze für ihre Spiele zu überlassen, waren es nur noch drei Spielstätten, welche den Damenfußballclubs zur Verfügung standen. Es waren dies der Tschechisch-Herz-Platz, der Donaufelder-Platz und der Schafbergplatz. Ersterer wurde den Frauen dann auch noch genommen, da der ÖFB drohte, dass es keinem dem Verband angeschlossenen Verein gestattet werden würde, Spiele auf Plätzen auszutragen, welche von Frauen benutzt wurden. Da dies für die Platzbetreiber ein erhebliches finanzielles Risiko mit sich brachte, mussten die Frauen versuchen, auf ihren beiden Plätzen die Meisterschaft des Jahres 1936 zu Ende zu spielen: So geschah es auch, wenngleich gerade der Schafbergplatz bei feuchter Witterung unbespielbar war. Für das neue Jahr wurde in Eigeninitiative im Prater ein neuer Platz angelegt. Mit der Einweihung des Olympiaplatzes waren wenigstens die ärgsten Platzsorgen behoben.

Das schwierige zweite Jahr

Das Jahr 1937 war für den Frauenfußball ein herausforderndes Jahr. Mit dem „Winter-Cup“ wurde nun auch ein Pokalwettbewerb ausgespielt, dessen Finale (im Frühjahr) die Austria gewann. Die Meisterschaft litt am Spielerinnenmangel mancher Teams, da es für viele Frauen einfach nicht möglich war, die Fahrten zu den Trainingseinheiten auf einem der drei Sportplätze auf sich zu nehmen, da sie teilweise aus den Vororten Wiens kamen. Auch erfüllte sich die Hoffnungen auf Zuwachs aus der Provinz in der Meisterschaft nicht, da das Spielverbot des ÖFB Frauenfußball außerhalb Wiens quasi unmöglich machte. Die Versuche in Baden und Graz, eine Mannschaft am Leben zu erhalten, endeten früh. Trotzdem ließen es sich die Vereine nicht nehmen, durch sogenannte „Propagandaspiele“ Werbung für den Frauenfußball in den Bundesländern zu machen, welche zudem die Kassen der Clubs etwas auffüllten. Zu diesen Spielen, die in Niederösterreich, der Steiermark, im Burgenland und drei Mal sogar in Ungarn ausgetragen wurden, kamen regelmäßig zwischen 2.000 und 4.000 Besucher*innen. Das Spiel am 20. Juni 1937 in Szombathely zwischen Vindobona und Tempo (4:1) war nach derzeitigem Forschungsstand das erste nationale Meisterschaftsspiel im Frauenfußball, das im Ausland stattfand. Möglicherweise sogar das erste überhaupt im Weltfußball.

Die zweite Meisterschaft wurde wieder von der Austria gewonnen, allerdings war ihnen der Österreichische DFC Wien bis zum Schluss auf den Fersen.
 

Der „Anschluss“ und das Ende

Die österreichischen Fußballerinnen blickten von Beginn an über die Grenzen und planten Spiele gegen Frankreich und Belgien sowie eine Tour nach England. Diese Vorhaben scheiterten aber in Ermangelung eines geeigneten Platzes und aus finanziellen Gründen. Im September 1936 kam es aber dann doch zum ersten internationalen Spiel. Die Austria fuhr nach Brünn und schlug den dortigen DFK 7:1. Es war das erste von neun Spielen der Brünnerinnen gegen Wiener Teams. Neben der Austria waren Vindobona und der Österreichische DFC Wien die Gegnerinnen, von denen das Team aus Mähren bei zwei Unentschieden sieben Mal als Verlierer den Platz verließ. Zwar kam es von dem Spiel zwischen Ottakring und DFK Bratsilava im Jahr Dezember 1935 und den Spielen gegen Brünn nicht zu den avisierten internationalen Vergleichen und Länderspielen, trotzdem traten in den Jahren 1936 und 1937 Auswahlteams der österreichischen Fußballerinnen gegeneinander an. Diese Spiele waren die Höhepunkte im heimischen Frauenfußball.

Österreichs Frauenfußball sorgte in der Tschechoslowakei und v.a. in Jugoslawien für ein kurzes Aufblühen des Frauenfußballs im kleinen Rahmen. In Jugoslawien wurde sogar ein Verband gegründet und eine Meisterschaft geplant.

Im Dezember 1937 veröffentlichte die Verbandssekretärin der ÖDU einen medialen „Notschrei“ in der Wochenzeitung Der Montag mit dem Sportmontag, bei dem sie die Schwierigkeiten schilderte, mit denen der Frauenfußball durch die Repressalien seitens des ÖFB zu kämpfen hatte. Trotz alle Widrigkeiten konnte sich aber der Frauenfußball nach wie vor behaupten und ging in seine vierte Saison.

Denn auch 1938 wurde noch gespielt. Mit dem ehemaligen Niederösterreichischen Verbandskapitän Bildl kam frischer organisatorischer Wind in den Frauenfußball. Ein von ihm gestifteter und nach ihm benannter Pokal eröffnete die Saison, die allerdings schon bald von den politischen Ereignissen überschattet wurde. Mit der Auflösung des ÖFB nach dem „Anschluss“ fiel zunächst das Platzverbot. Die Fußballerinnen versuchten sich den neuen Gegebenheiten anzupassen, und die ÖDU wurde in Deutsch-Österreichische Damenfußball-Union umbenannt. Doch im Juni 1938 wurde vom Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen ein allgemeines Spielverbot für Frauen verhängt. Am 3. August wurde die Damenfußballunion aufgelöst.
 

Eine Klasse für sich

In der kurzen Zeit seiner Existenz hatte der Frauenfußball in Österreich einige Spielerinnen hervorgebracht, welche sich dank der teils ausführlichen Berichterstattung v.a. in der Illustrierten Kronen-Zeitungund dem Montageines beachtlichen Bekanntheitsgrades erfreuen konnten. Neben anderen waren dies Edith Klinger, Gründerin des DFC Tempo und seit Mai 1935 die erste vom ÖFB geprüfte Schiedsrichterin, dann die Topstürmerin des Österreichischen DFC Wien Emma Redl, Ex-Olympionikin Josefine Lauterbach, Leopoldine Kantner und Leopoldine Binder (alle Austria), Alice Maibaum, die spielende Verbandssekretärin des DFC Tempo, die nach dem Anschluss in die USA flüchten musste, sowie Gusti Lovato und Zaunrith vom DFC Vindobona. Die Wiener Fußballerinnen waren ihrer Zeit voraus und in ihrer Zeit eine Klasse für sich.

Dieser Text ist die stark erweiterte Fassung eines Beitrags, der im ersten Band der neuen Bibliothek der Fußballzeitschrift Ballesterer erschienen ist. Die Publikation widmet sich der Fußballstadt Wien und versammelt Beiträge zu historischen wie aktuellen Aspekten des Fußballs in Wien. Der Autor des Textes hat 2020 gemeinsam mit Matthias Marschik das Buch „Eine Klasse für sich. Als Wiener Fußballerinnen einzig in der Welt waren“ publiziert. Es ist im Verlagshaus Hernals erschienen und dort auch online erhältlich.

Helge Faller, geboren 1972 in Prien am Chiemsee, studierte er zunächst Religionspädagogik in München und schloss das Studium mit dem Diplom ab. Außerdem studierte der Autor Geschichte, Politik, Philosophie und Kulturwissenschaften an der Fernuniversität in Hagen. Seit 1998 arbeitet er als Religionslehrer in Bayern. Seit 2005 forscht er zur Geschichte des Frauenfußballs mit dem Schwerpunkt Zwischenkriegszeit. Die Ergebnisse seiner Forschungen veröffentlicht er seit 2017 in mehreren Büchern. Zudem veröffentlichter er mehre Artikel in Zeitungen, Fachzeitschriften und Sammelbänden. Den österreichischen Frauenfußball behandelt das gemeinsam mit Matthias Marschik erarbeitete Buch „Eine Klasse für sich“.

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Kommentare

Werner Weissenhofer

Meine Mama erzählte gelegentlich über ihre Mitgliedschaft in einem Wiener Frauenfussballverein, 30er Jahre, werde nach Photos suchen, grossartig...