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Elfriede Mejchar-Preis für die Fotografin Lisa Rastl
Zonen des Übergangs
Ich darf Dir auch im Namen des gesamten Wien Museums noch einmal ganz offiziell zu diesem Preis gratulieren! In der Begründung der Jury für die Preisvergabe wird auch auf die biografischen Parallelen zwischen Dir und Elfriede Mejchar hingewiesen. Welche sind das?
Elfriede Mejchar war eine technisch und handwerklich ausgebildete Berufsfotografin, mit der Meisterprüfung an der Graphischen in Wien. Als Fotografin für das Bundesdenkmalamt hat sie nicht nur Gebäude, auch Kunstobjekte fotografiert. Ich habe auch die Meisterprüfung an der Graphischen absolviert und fotografiere im Auftrag seit dem Jahr 2000 im Schwerpunkt für Kunstinstitutionen, Künstler:innen und private Sammlungen. Elfriede Mejchar hat entlang ihrer beruflichen Praxis ihre künstlerische Arbeit entwickelt, bei mir war mein berufliches Umfeld auch ein wichtiger Impulsgeber für meine künstlerische Praxis.
Ein Thema, das in deiner Arbeit eine zentrale Rolle spielt, ist die Auseinandersetzung zwischen Reproduktion und der Autor:innenschaft. Wie kam es dazu?
Das war eine Art Bewältigungsstrategie. Im mumok habe ich die Fotoabteilung aufgebaut und meine Hauptaufgabe bestand darin, Reproduktionen von zwei- oder dreidimensionalen Kunstwerken zu machen. Das bedeutet ein sehr technisches Korsett und genaue Vorgaben, man steht im Dienst des Originals und muss mit der Fotografie so nah wie möglich an das Original herankommen, es geht nicht um eine kreative Leistung, sondern um eine exakte Wiedergabe des Originals. Diese monotone, sich wiederholende Tätigkeit der Reproduktion großer Konvolute erzeugte mitunter auch Momente der Frustration, oder Langeweile, die ich für meine künstlerische Arbeit nutzte, indem ich begann, meine Arbeit wie aus der Vogelperspektive zu betrachten. Meine erste Arbeit dazu war ein Video mit dem Titel „Zen for Doing“, der mein Reproduzieren von Fotos einer Performance von Nam June Paik zeigte. Bei dieser wiederholenden Tätigkeit musste ich an den Zen-Buddhismus denken, der sich auf das reine Tun und Handeln bezieht. Ich habe das als einen meditativen Zustand erlebt, das war mein Twist in meiner Arbeit im mumok. Während dieser Zeit habe ich ein Kunststudium an der Akademie der bildenden Künste bei Heimo Zobernig begonnen und mich Inhaltlich mit der Frage der Sichtbarkeit meiner Arbeit auseinandergesetzt. Denn eine Reproduktion ist rechtlich gesehen kein schöpferischer Akt, sie ist kein „Lichtbildwerk“. Viele Arbeiten, die in den letzten Jahren entstanden sind, nehmen einzelne Kunstwerke als Vorlage, aber ich verhandle sie so lange weiter, bis sie zu meiner Arbeit werden. Bis ich mich als Bildautorin benennen kann.
Das Verhältnis zwischen Kopie und Original hat sich völlig verändert, in der Antike war es ganz anders bis zur Neuzeit, Renaissance. Erst da wurde das Original so überhöht, wie wir es heute sehen, aber vorher war die Reproduktion nicht minderwertig. Das finde ich eine ganz spannende Auseinandersetzung, dass man das hinterfragt und wie wir damit umgehen.
Auch, dass sich Originale oft erst über Kopien über die Vervielfältigung konstituieren. Meine Arbeit „Failing the Original“ beschäftigt sich mit den antiken griechischen und römischen Werken, die in den Gipsabguss-Sammlungen der Welt in zahlreichen Kopien zu finden sind. Ich reise zu den Kopien, nicht zu den Originalen, sondern zu den Kopien, sozusagen eine umgekehrte Reisebewegung und erhöhe sie, indem ich sie aufsuche und fotografiere.
Analog ist tot, sagte Elfriede Mejchar 2008 in einem Interview mit Wolfgang Kos. Jetzt sitzen wir hier in der von Claudia Rohrauer und dir aufgebauten Werkstatt für analoge Fotografie der Universität für Angewandte Kunst, Wien. Ist analog doch nicht tot?
In der Auftragsfotografie ist die analoge Fotografie eigentlich weitgehend tot, da die Arbeitsabläufe nicht mehr darauf ausgerichtet sind, alles schneller gehen muss und das Budget vielleicht nicht vorhanden ist. In der Modefotografie wird sie teilweise noch bewusst eingesetzt. Ich habe den Digital Turn erlebt und erlebe jetzt, dass zum Teil digitale Reproduktionen von mir neu fotografiert werden müssen, weil sie nicht mehr dem heutigen Standard entsprechen. Ein Grund für mich, weniger in der Reproduktionsfotografie zu arbeiten, war die Doppelarbeit, digital zu fotografieren und dann alles noch einmal digital am Computer zu bearbeiten.
Claudia Rohrauer und ich haben uns sehr gefreut, diese Werkstatt für analoge Fotografie aufzubauen und den Studierenden aller Klassen der Universität für angewandte Kunst die Möglichkeit zu geben, das Medium als analoges Handwerk kennen zu lernen und von da aus das Medium bis hin zum künstlich produzierten Image zu reflektieren. Wir haben auch Studierende, die hybrid arbeiten, für uns gibt es kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-Als-Auch.
Ein anderes Zitat von Elfriede Mejchar lautet „Ich liebe die Technik und die Kunst. Und durch die Technik bin ich zur Kunst und durch die Kunst zur Technik gekommen“. Ihr - Caroline Heider, Ruth Horak und Claudia Rohrauer – habt euch im Projekt und in der Publikation FOTOTECHNIKA mit dem Klischee Fototechnik ist männlich auseinandergesetzt, in welcher Weise?
Wir arbeiten seit 2019 zusammen, weil wir dieselben Interessen verfolgen: eine Reflexion des Mediums, seiner Eigenschaften und sämtlicher Begleiterscheinungen. Wir sind zwei ausgebildete Fotografinnen, eine Kamerafrau, beides sehr technische Berufe und Ruth ist Autorin, Kuratorin und Lehrbeauftragte für zeitgenössische Kunst und Fotografie. Bei FOTOTECHNIKA gehen wir von uns als Technikerinnen, Handwerkerinnen und Künstlerinnen aus, die ihr Wissen und ihre Praxis in ihrer Kunst reflektieren und sichtbar machen. In der Ausbildung haben wir erfahren, dass diese meist von Männern geleitet wurden, dass Lehrbücher von Männern und mit einem männlichen Blick geschrieben wurden, teilweise bis heute nicht überarbeitet. Caroline Heider thematisiert dies in ihrer Arbeit und „feminisiert“ Handbücher, auch historische, sie überschreibt sie mit ihrer eigenen Bildsprache und mit ihren Texten. Claudia Rohrauer setzt sich u.a. mit dem Fetisch der Kamera, des Apparates auseinander und hat eine Arbeit über sich und ihre „Mamʼs“ (ihre Mamiya Kameras) gemacht, eine kritische und humorvolle, sinnliche Arbeit dazu. Ich habe wieder angefangen, mich mit Reproduktionsfotografie zu beschäftigen, mit dem Thema Sichtbarkeit. Von den Werken, die ich in meiner Arbeit fotografieren musste, waren 80 bis 90 Prozent von männlichen Künstler. Während ich sie für die Öffentlichkeit reproduzierte, stellte ich mir die Frage, wie sichtbar ich bin. Während der Symposien machte ich Reproduktionsperformances und fotografierte live, während ich über Themen wie Kreativität und Autor:innenschaft sprach.
Für das Wien Museum warst Du in den letzten Jahren nicht als Reprofotografin tätig, sondern ein Auftrag war unter anderem die Dokumentation des „Alten Wien Museums“ am Karlsplatz. Bei diesem Auftrag hast Du Dich sozusagen auf den Spuren von Mejchars „Brotjob“ bewegt. Wie war diese Arbeit für Dich?
Ich habe mich sehr über diesen Auftrag gefreut, da ich Zonen des Übergangs sehr mag. Bei der Übersiedlung des mumok, damals noch Zwanziger Haus, ins Museumsquartier habe ich zum ersten Mal ein Museum erlebt, dass sich transferiert und transformiert und die Kunstwerke ihren Repräsentationsmoment verlieren. Dieser Übergang zu einem entleerten Ort und auch sogar zerstörten Ort, wenn Wände niedergerissen werden wie z.B. im Wien Museum. Ein leerer Raum, der wahrscheinlich nie wieder leer sein wird und jetzt wieder ein mit Objekten bespielter Raum. Also ich finde, das war wirklich eine sehr schöne Aufgabe, diese Phasen begleiten zu dürfen. Vor allem sind das Momente die nicht wiederkehren. Das ist etwas sehr Fotografisches, etwas zu dokumentieren, was nicht wiederholbar ist, das Momenthafte, aber auch das Dokumentieren von Gebäuden, von Landschaften, wo eben Fotos auch sehr schnell historisch werden. Es ist immer schön für ein Buch zu arbeiten!
Ein ganz anderes Projekt für das Wien Museum war die Publikation zum neuen Haus am Karlsplatz von Wojciech Czaja. Was hast du zu dieser Publikation beigetragen?
Wojciech hat mich angerufen und hat mir zwei Wünsche mitgeteilt, der eine war, dass ich mich dem Wien Museum nähere, dass ich schaue, von wo aus das Museum überall in der Stadt zu sehen ist, von allen Ecken aus, dass ich diese Annäherung fotografiere und auf diesen Fotos soll es ruhig „Menscheln“. Diese Aufgabe fand ich sehr lustig, zu schauen, von wo aus man das Gebäude sieht, das Wien Museum ist ja nicht so hoch, wirklich 360 Grad um das Haus herum zu gehen und über die Straßenfluchten das Gebäude zu erspähen.
Der andere Wunsch war, die Orte zu fotografieren, wo das neue Wien Museum hätte sein können, wo es aber nicht gebaut wurde, das war ein sehr imaginärer Auftrag, etwas zu fotografieren, was nicht da ist. Und dann ging es noch weiter, einen Rundgang durch das Museum zu machen in einem Ist-Zustand, das war noch kurz vor der Eröffnung.
Elfriede Mejchar hat sich auf die Spuren der Menschen begeben „Mich interessieren nicht so sehr die Menschen, sondern das, was die Menschen machen, ihre Spuren, ihre Orte.“ In der Zusammenarbeit mit Willi Dorner ist es genau umgekehrt, hier steht das Verhältnis von Mensch und Körper zur Architektur im Mittelpunkt. Wie sind diese Projekte entstanden, die unter anderem 2019 mit dem Europäischen Architekturfotografie-Preis ausgezeichnet wurden?
Die wahrscheinlich weltweit erfolgreichste von Willi Dorner entwickelte Arbeit ist eine für den öffentlichen Raum „Bodies in Urban Spaces“. Es ist eine sehr zeitlose Arbeit die verschiedensten Städten der ganzen Welt gezeigt wurde. Wo Performer:innen in der Stadt sich auf Architektur beziehen und die Besucher:innen durch die Stadt führen, auf einem für die Besucher:innen unbekannten Pfad, man weiß wo dieser Spaziergang beginnt, aber man weiß nicht wohin er führt und wo er endet. Ich habe von Anfang an die Arbeit dokumentiert, aber wir haben schnell gemerkt, dass die Fotos auch sehr gut als Bilder funktionieren. Und so habe ich die Performance viele Male in verschiedenen Städten der Welt begleitet, daraus ist auch ein Buch entstanden, „Bodies in Urban Spaces“ im Hatje Cantz Verlag. Es gab auch schon einige Ausstellungseinladungen, wo die Fotos ausgestellt wurden.Dann ging die Zusammenarbeit weiter, indem wir angefangen haben, Projekte zu entwickeln, die dann zum Teil auch nur als Bild gedacht waren und ausgestellt wurden, also wo es kein partizipatives Moment mehr war, sondern inszenierte Fotografien im öffentlichen Raum und auch in privaten Wohnungen. Zum Teil haben wir diese auch in privaten Wohnungen ausgestellt, das war dann wieder partizipativ in der Rezeption. Letztes Jahr waren wir in Albanien, wo wir auch Fotografien im öffentlichen Raum inszeniert haben. Das Konzept, das Performative geht von Willi aus. Aber in der Zusammenarbeit hat sich auch unser Arbeitsverhältnis verändert. Also die Gewichtung hat sich von der reinen Dokumentation hin zum Bild verschoben.
Das ist schon ein Unterschied. Elfriede Mejchar war ja fast immer alleine unterwegs. Du hast unter anderem das Projekt mit den anderen Frauen oder eben mit Willi Dorner. Was macht für dich den Reiz einer künstlerischen Zusammenarbeit aus?
Ich bin auch gerne allein unterwegs. Ich fotografiere auch Architektur für Architekturbüros und da bin ich gerne allein, weil ich finde, dass man die Kamera nicht teilen kann oder ich kann sie nicht gut teilen. Ich bin sehr dankbar von Anfang an Teil von dem Projekt Fototechnika zu sein, weil wir gemeinsam weiter kommen im Denken und im Tun, uns gegenseitig befruchten, unterstützen, motivieren…Oft auch im Wechselspiel. Wir können uns auch aufeinander verlassen und stützen, es ist geteilte Arbeit und gemeinsamer Erfolg.
Mit Willi Dorner erfahre ich etwas Anderes. Er arbeitet so wie ich es nicht denken kann (choreographisch) und ich sehe so wie er es sehen würde. Mein Blick rahmt seine Arbeit, dieses Wechselspiel ist auch schön zu bemerken. Wenn er selbst fotografiert, schauen seine Fotos auch schon mehr wie meine aus, weil sich unser Blick angleicht oder, wenn wir durch eine Stadt gehen, sehen wir bestimmte Momente schon fast gleichzeitig. Das bildhafte Sehen gleicht sich bei uns an. Es ist auch wie bei dem Fototechnika Projekt eine gegenseitige Bereicherung und Ergänzung und miteinander Weitergehen und forschen
Eine kurze Biographie für einen kleinen Katalog von Otto Breicha schließt Elfriede Mejchar mit dem Satz „Seither mit Geldverdienen beschäftigt“. Wie ist die Situation als Fotografin heute in Österreich?
Die Fotografie und ihre Anwendung verändert sich sehr stark, geht immer mehr in Richtung bewegtes Bild, kurzer Clips, es geht um schnell verfügbare Bilder, die auch nicht immer von Profis gemacht werden oder gemacht werden müssen. Der Apparat verändert sich bis hin zum Handy. Also das Handy sehe ich auf jeden Fall als Bedrohung für die Spiegelreflexkamera. Ich bin im Moment sehr froh, dass sich bei mir beruflich viel verändert hat, weil ich eine feste Stelle an der Universität habe. Ich fühle mich als Auftragsfotografin entlastet, weil ich nicht mehr so viele Aufträge machen muss und kann, das fördert auch wieder meine künstlerische Arbeit, weil ich mehr Zeit dafür habe. Ich fotografiere viel weniger und habe dadurch weniger Datenverwaltung. Mit der Veränderung innerhalb der Fotografie verändere ich mich auch gerade und habe meine Gewichtung jetzt breiter aufgestellt mit dieser auch sehr neuen Aufgabe an der Universität. Aber vor allem glaube ich, dass sich die Anwendung vom Medium verändert, also bis hin zum KI-Bild. Was sicherlich sehr spannend ist und ich will jetzt nicht sagen bedrohlich, ich fürchte nur eine globale Vereinheitlichung der Bildsprache und es handelt sich auch nicht mehr um Fotografien.
Für mich ist der Preis auch eine sehr schöne persönliche Anerkennung, dass meine Auftragsfotografie und meine künstlerische Arbeit einander nicht ausschließen, sondern dass das eine das andere bedingt. Lange Zeit habe ich die beiden Tätigkeitsfelder im zeitlichen Konflikt gesehen. Ich fotografiere im Auftrag und kann oder werde dadurch nicht als Künstlerin wahrgenommen, es bedingt einen Perspektivenwechsel, von der Dienstleisterin zur Künstlerin. Nicht entweder – oder, sondern und – auch! Durch diesen Preis fühle ich mich bestätigt, dass beides ineinander und miteinander geht und der Preis würdigt beides.
Abschließend was sind deine nächsten Projekte neben der Ausstellung FLUSS/ Schloss Wolkersdorf, Elfriede-Mejchar-Preis für Fotografie 2024, 16.6 – 21.7.2024? Was wird das nächste Jahr für dich bringen?
Ich habe einen Film fertiggestellt mit Willi Dorner „Tresigallo – una costruzione“. Mein erster Architekturfilm. Wir hoffen sehr, dass dieser eine schöne Uraufführung bekommt und dann hoffentlich tourt. Die Monographie von Willi Dorner kommt im Hatje Cantz Verlag heraus, der Band versammelt sämtliche Projekte, die Fotografien sind fast alle von mir. Und dann bereite ich mit Claudia Rohrauer und unserer Werkstatt eine Ausstellung in der Fotogalerie Wien vor, im Rahmen der Klimabiennale wird es eine Ausstellung geben zum Thema grüne Kammer, wo es um nachhaltige Dunkelkammerarbeit geht, Arbeiten mit ungiftigen Flüssigkeiten, wo wir uns mit anderen Institutionen in Wien vernetzen. Das Albanien - Fotoprojekt mit Willi Dorner wollen wir in Pristina fortführen. In einer Stadt die, wie Tirana, sich sehr stark in einem Umbau/Umbruch befindet. Im Herbst gibt es auch wieder ein FototechnikA Symposium, diesmal auf der Kunsthochschule in Basel.
www.lisarastl.com
www.dornerrastl.com
www.fotografie-als-motiv.com
Publikationen
Fotografie als Motiv, Hg Ruth Horak, Caroline Heider, Lisa Rastl, Claudia Rohrauer, Mark Pezinger Verlag, 2021
Prämierungen: schönste Bücher Österreichs, 2022; best book design from all over the world, Stiftung Buchkunst, 2023
FOTOTECHNIKA, Hg Ruth Horak, Caroline Heider, Lisa Rastl, Claudia Rohrauer, Verlag Fotohof Edition, 2023
Bodies in urban spaces, HG Willi Dorner, Hatje Cantz Verlag
Urban drifting, HG Willi Dorner mit Fotografien von Willi Dorner, Hatje Cantz Verlag, 2024
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