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Christine Dobretsberger, 6.12.2022

Graf Lacys Holländerdörfl auf dem Hameau

„Oh Gegend meiner Wahl!“

Der Schwarzenbergpark war ein Herzensprojekt von Graf Lacy – und schon immer für alle frei zugänglich. Nebenan am Hameau ließ der berühmte Ex-Feldmarschall nur für sich und seine Freunde 17 schlichte Holzhütten errichten: das „Holländerdörfl“.

Am Ende seines Lebens nannte man ihn den Emeriten von Neuwaldegg – die Rede ist von Franz Moritz Graf von Lacy (1725–1801), seines Zeichens ehemaliger Feldmarschall und Hofkriegsratspräsident mit einer stark ausgeprägten Liebe zur Natur. Es ist durchaus bemerkenswert, dass just ein Feldherr den ersten romantisch anmutenden englischen Garten in den Wiener Umgebungen schuf. Im selben Jahr als Kaiser Joseph II. den Prater für Besucher und Besucherinnen aus allen Gesellschaftsschichten öffnete (1766), begann Graf Lacy sich in Neuwaldegg seinen landschaftsgärtnerischen Lebenstraum zu verwirklichen und schuf den heutigen Schwarzenbergpark.

Zunächst erwarb er um 3.000 Gulden das Barockschloss Neuwaldegg aus dem Besitz von Philipp Jakob von Mannagetta und Lerchenau. Wie aus einem persönlichen Schreiben an Kaiserin Maria Theresia hervorgeht, war es von Anbeginn Teil seines Vorhabens, die umliegenden Wiesen und Wälder aufzukaufen, um seinen Garten in die Wienerwaldlandschaft auszuweiten. Lacy war zweifelsohne beeinflusst vom Geist der Aufklärung, wonach der französische Barockgarten mit seiner strengen geometrischen Anordnung als Symbol von Hierarchiedenken und Tyrannei angesehen wurde. Im Gegensatz dazu sollte der neue Gartentypus eine liberale und offene Denkweise signalisieren. Wie sehr Lacy auch vom Zurück-zur-Natur-Gedanken von Jean-Jacques Rousseau geprägt war, zeigt nicht zuletzt ein Naturdenkmal, das er ihm in Anlehnung an dessen Pariser Grabstätte im Zentrum seines Gartens widmen sollte.

Von 1766 bis 1774 erfolgte die Gestaltung des Kernbereichs der Gartenlandschaft, für die er die gewaltige Summe von einer halben Million Gulden aufwandte. Für die notwenigen Baumfällungen erhielt er von Maria Theresia „aus Dankbarkeit für seine militärischen Leistungen“ eine Sondergenehmigung, sodass in der Folge keine bürokratischen Genehmigungen mehr einzuholen waren. Seine gute Beziehung zum Kaiserhaus ist nicht zuletzt auf seine enge Freundschaft mit Joseph II. zurückzuführen. 1782 erreichte der Garten seinen vollen Umfang und beinhaltete u.a. zwei chinesische Pavillons, eine Grotte, die Hütte Solitude, den Dianatempel, drei (heute noch existierende) Statuen (Borghesischer Fechter, sterbender Gladiator, ruhender Mars), drei Teichanlagen und auf der höchsten Erhebung des Parks eine Lichtung mit Aussicht auf Wien.

Diese runde Kuppe, die den höchsten Punkt von Neuwaldegg markiert (464 m), war Lacys Lieblingsplatz. Hier ließ er das künstliche Dorf Hameau, auch Holländerdörfl genannt, errichten – 17 mit Stroh und Rohr bedeckte Holzhütten, die seinen Gästen und Freunden als Unterkunft dienen sollten. Einige Hütten waren durch gedeckte Gänge miteinander verbunden. Vor jeder Hütte wurde nach holländischem Vorbild ein Baum gepflanzt, woraus sich auch die Bezeichnung Holländerdörfl ableitete. Von außen eher schlicht wirkend, war die Innenausstattung der Räumlichkeiten äußerst komfortabel und stilvoll. Das erste Haus bewohnte Lacy selbst. Optisch unterschied es sich von den übrigen dadurch, dass es als einziges über ein gemauertes Erdgeschoss verfügte und ein Stockwerk aufwies.

Das sogenannte Marschallszimmer, von dem aus man einen großartigen Fernblick auf Wien hatte, war vom Maler Eichinger in hellblau, Lacys Lieblingsfarbe, bemalt worden. An seiner Hausmauer ließ er eine Tafel mit der Inschrift anbringen:

„Oh Gegend meiner Wahl, Dörfchen, welches ich bevorzuge! Glückselig, wer hier lebt in Ruh’ und abgeschieden.“

Das zweite Haus war für Lacys Neffen und Freund, Johann Georg Graf von Browne, bestimmt, dessen Zimmer vom damaligen Lokalhistoriker Franz Anton de Paula Gaheis in seinem mehrbändigem Werk „Spazierfahrten in die Gegenden um Wien“ wie folgt beschrieben wurde: „Ein zierliches, mit dem sanftesten Blau ausgemaltes Zimmer. Dreizehn der niedlichsten Bilder, ein herrlicher Spiegel, zwey Sofen, eben so viele Tische und an den Wänden herum zehn Sesseln, nebst einer Pulte, machten die geschmackvolle Einrichtung dieses dem äußeren Anscheine nach so unbedeutenden Häuschen aus, das ein wohlangebrachtes Camin selbst für den Winter bewohnbar macht.“

Wie gerne sich Lacy an diesen idyllischen Ort zurückzog, beweist auch die „Infrastruktur“ des Dörfchens. So umfasste die Siedlung u.a. eine kleine Kapelle, eine Küche, eine Bäckerei, ein Tafelzimmer für die Hausoffiziere, ein Speise- und Schlafzimmer für die Köche, eine Zuckerbäckerei, Zimmer für die Bediensteten, ein Depot für das Tafelgeschirr, zwei Ställe für sechs Pferde und eine Remise. Offensichtlich ließ man sich mit Pferdekutschen auf das Hameau bringen, was auch den in Serpentinen angelegten Weg auf die Anhöhe erklärt.

Ursprünglich hatte Graf Lacy geplant, seinem Neffen, Graf Browne, den Park zu vererben, doch dieser starb jung (1794), im Alter von 32 Jahren. Aus diesem Anlass ließ Lacy bereits zu Lebzeiten für sich und seinen Neffen ein Mausoleum bauen. Die sogenannte Moritzruhe befindet sich in einem abgelegenen Teil des Gartenwaldes in Neuwaldegg.

Franz Moritz Graf von Lacy starb am 24. November 1801, er war zeit seines Lebens nie verheiratet gewesen und Fürst Schwarzenberg wurde sein Erbe. Ab diesem Zeitpunkt firmiert der Park unter Schwarzenbergpark, obwohl von dieser Seite kaum etwas unternommen wurde, die Schönheit der weitläufigen Gartenanlage zu erhalten. Langsam eroberte die Natur den Park zurück und die Staffagebauten wurden abgetragen – der große chinesische Pavillon allerdings erst später, im Jahr 1870. Auch die Hütten des Holländerdörfls wurden baufällig und mussten abgetragen werden.

Einzig ein Waldwirtshaus hielt sich noch einige Zeit auf dem Hameau, zumal Lacy vor seinem Tod dem Förster des Gutes die Erlaubnis erteilte, hier Getränke und kalte Speisen zu verkaufen. Aufgrund der herrlichen Lage war diese Gaststätte ein beliebtes Ausflugsziel der Wiener und Wienerinnen. Das Wirtshaus hatte über die Jahre unterschiedliche Pächter, einer von ihnen, um 1900, war Ludwig Strasser. Fünf Jahrzehnte später, am 5. August 1956, brach jedoch ein Feuer aus und das Wirtshaus brannte vollständig ab. Dies war das Ende der gastronomischen Ära auf dem Hameau.

Heute ist das Hameau in erster Linie eine schöne, auf der Route des Stadtwanderweges 3 liegende Wiese, flankiert von ein paar Holzbänken. Die letzte Erinnerung an das Holländerdörfl ist das einzig übriggebliebene Gebäude am Rande der Lichtung, das einige Jahre als Schutzhütte fungierte. Laut Informationstafel handelt es sich hierbei allerdings nicht – wie oftmals kolportiert – um einen adaptierten Neubau von Lacys Hütte. Diese war zwar ebenfalls das erste Haus auf der östlichen Seite der Lichtung, allerdings muss zur damaligen Zeit die Lichtung deutlich größer gewesen sein als heute und Lacys Haus lag in einigen Metern Entfernung. Heute dient dieses ausgehöhlt anmutende Gebäude (Fenster und Türen mussten entfernt werden, nachdem mehrmals Feuer gelegt wurde) als Regenunterstand, auf dessen Außenfassade sich immer wieder Sprayer „verewigen“.

Dies dürfte bereits zu Lacys Zeiten Mode gewesen sein. Währends der Zutritt zum Holländerdörfl ausschließlich Lacys Freundeskreis gestattet war, war der Park für alle Menschen offen zugänglich. Eine Hinweistafel wies allerdings die „Spielregeln“ aus: „Wenn diese ländliche Anlage dem Publicum einige Unterhaltung gewähren und es daher die Eröffnung derselben nicht anders als eine Gefälligkeit ansehen kann, so erbittet man sich als die einzige dagegen, daß das, was hier zum Genuße für Aller Augen gepflanzt ist, vor den Anfällen lüsterner, oft nur muthwilliger Hände sicher sey; daß da es an gebahnten Wegen nicht mangelt, die Rasenplätze unbetreten bleiben, und die Wände der Hütten nicht mehr durch trockene Namensverzeichnisse und seichte, und gar Wohlstand und Sittlichkeit beleidigende Aufschriften jedem Vorübergehenden den unglücklichen Geschmack der Schreiber verrathen“.

Dass der Schwarzenbergpark heute zumindest wieder eine Ahnung von seiner früheren Schönheit vermittelt, ist Karl Panek zu verdanken, Bezirksvorsteher von Hernals nach dem Zweiten Weltkrieg. In den 1950er-Jahren war die Parkanlage so verwildert, dass man ihn nur noch Schwarzenberg-Areal nannte. Es geht auf Paneks Initiative zurück, dass die Parkanalage der adeligen Familie abgekauft und von der Stadt Wien in ein öffentliches Erholungsgebiet umgewidmet wurde. Wenngleich u.a. die römische Ruine und der Tempel der Diana aus dem Landschaftsbild verschwunden sind, ist der heutige Schwarzenbergpark allein aufgrund des alten Baumbestandes und der malerisch angelegten weitläufigen Wiesen ein Naturdenkmal bzw. – ganz im Stile englischer Gartenkunst – ein Paradebeispiel für ungestört anmutende und zugleich in Perfektion inszenierte Natur.
 

Literatur

Franz Anton de Paula Gaheis: Spazierfahrten in die Gegenden um Wien, Wien 1797/98

Géza Hajós: Romantische Gärten der Aufklärung, Englische Landschaftskultur des 18. Jahrhunderts in und um Wien, Wien, 1989

Konrad Kramar, Beppo Beyerl: Wienerwald für Entdecker, Wien, 2016

Helfried Seemann: Hernals 1860-1930, Wien 1993

Rudolf Spitzer: Zwischen Gürtel und Hameau, Wien, 1991

Christine Dobretsberger, geboren 1968 in Wien. Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften und Philosophie an der Universität Wien. Langjährige Kulturredakteurin der „Wiener Zeitung“. Initiatorin der Gesprächsreihe „Wiener Salongespräche“ und „Seelenverwandte“. Seit 2005 freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Ghostwriterin und Herausgeberin von Texten. Sie ist Gründerin der Text- und Grafikagentur „linea.art“ (www.lineaart.at) und befasst sich schwerpunktmäßig mit kulturellen Themen.

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Hadwiga Schörner

Vielen Dank für diesen Beitrag! Ein echtes Kleinod, das - gerade für Zugereiste - fast ausschließlich über die literarische Aufarbeitung zu entdecken ist.