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20.2.2023

Hans Weigel über Wander Bertonis Buschbeck-Büste

Die versäumte Geburtstagsfeier

Lotte Tobisch (1926 – 2019) war dem Wien Museum über viele Jahre eng verbunden. Daher vermachte sie dem Museum eine Büste, die der Bildhauer Wander Bertoni von Tobischs Lebensmenschen Erhard Buschbeck 1959 angefertigt hatte. Der Schriftsteller und Kritiker Hans Weigel schrieb vor über 60 Jahren folgenden hymnischen Text über das Kunstwerk, das derzeit in der Lotte Tobisch-Ausstellung in der Wienbibliothek im Rathaus zu sehen ist. 

Die versäumte Geburtstagsfeier
Die wahre Anekdote einer Buschbeck-Büste

 

Erhard Buschbeck war mit dem Bildhauer Wander Bertoni befreundet. Wander Bertoni wollte längst schon eine Porträtbüste Buschbecks machen und hatte ihn immer wieder vergeblich zu einer Sitzung gebeten.

Da kam Buschbecks siebzigster Geburtstag. Der Professor Buschbeck liebte Feiern und Anstrudelungen nicht. Er kannte die Menschen zu gut, er sah hinter die Phrasen und Gesten. Er hatte sich drum strikt jede offizielle Ehrung verbeten. Aber heimlich war doch für den Geburtstagsnachmittag eine überraschende improvisierte Feier vorbereitet worden. Buschbeck kam immer um fünf ins Theater, um fünf Uhr sollten die Gratulanten mit Alkohol und Brötchen, Ansprachen und allem Drum und Dran in der Kanzlei erscheinen.

Dies erfuhr Erhard Buschbeck am Vormittag. Und er rief Wander Bertoni an: „Heut’ um fünf komm' ich zur Sitzung.“
 

In der Kanzlei warteten die Gratulanten mit den Requisiten vergeblich. Anstelle der Phrasen und Gesten mit all ihrer Konvention am Ring entstand in einem Grinzinger Atelier eine Büste, die hinter den Redensarten wie auch jenseits der oberflächlichen photographischen Ähnlichkeit das Wesen und die innerste Gestalt des Menschen festhält. Sie ist seit kurzem in der Ausstellung des Wiener Kulturamts erstmals öffentlich zu sehen, sie ehrt ihren Schöpfer wie sein Modell und weckt erneut das trauernde Gedenken an den guten Geist eines Hauses, den zu ersetzen sich derzeit drei Kräfte bemühen, während man heftig nach einer vierten Ausschau hält.

Erhard Buschbeck, zu seinem siebzigsten Geburtstag hier als „heimlicher Burg-Herr“ gerühmt, wäre einer liebevollen eingehendent Biographie ebenso würdig wie der Herausgabe seiner wichtigsten erzählenden, feuilletonistischen und theatergeschichtlich bedeutsamen Schriften (ein österreichischer Verlag hat die dankenswerte Absicht, dieses Projekt zu verwirklichen). Daß sich in den gesammelten Schriften weniger ein Mensch und sein Weg als vor allem eine ganze historische, literarische und theatralische Epoche spiegelt, ist ein wesentliches Merkmal der Biographie. Erhard Buschbeck war von Natur durchaus Herr und nicht Diener, aber eben drum konnte er mit aller Würde und Größe des Souveränen, die seinen Vorgesetzten meist abging, Zweiter sein, nicht ihnen, sondern einer Sache dienen, die nur zufällig ein großes Theater war. Zum Unterschied von den meisten führenden Theaterleuten war er nicht nur Theatermann, stand mitten im geistigen Leben der Zeit, auch den anderen Künsten, den Wissenschaften aufgeschlossen und verbunden. Er liebte auch das Theater, also auch sein Theater, aber seine Liebe schloß Nachsicht, Distanz und Freiwilligkeit ein, sie war widerruflich und kündbar, drum konnte sie auf Lebenszeit dauern und wirken. Drum gibt es zahlreichen Buschbeck-Anekdoten, die aber nicht sein ganzes Bild spiegeln, sondern nur eine Facette.

Das ganze Bild steckt in der Anekdote von der versäumten Geburtstagsfeier. Daß er selbstverständlich pünktlich zur traditionellen Zeit erwaretet wurde – daß eine seiner Anordnungen mißachtet wurde, daß aber dann doch sein Wille geschah – daß er selbstverständlich alles, was sich im Haus begab, erfuhr – daß er die Künste und Künstler liebte und nicht nur die großen Klassiker, schon gar nicht nur die Ringstraßen-Zuckerbäckerereien der Epigonen, sondern neueren und neuesten.

Das ganze Bild, das weit mehr als den liebenswerten Improvisator der Buschbeck-Anekdoten offenbart, ist in der herrlichen, mächtigen Büste Wander Bertonis festgehalten; hier sind siebzig Jahre Österreich und vierzig Jahre Burgtheater künftigen Zeiten überliefern, dazu ein Wissender, Denkender, der ungekrönte Cäsar seines Wirkungskreises, mitten im Leben und schon einen Schritt darüber hinaus. Dieses Denkmal unserer Zeit und eines ihrer Mitgestalter soll und wird den ihm gebührenden Platz finden.

Dieser Text ist in Heute vom 25. März 1961 erschienen, ein halbes Jahr nach dem Tod Buschbecks. Die Büste ist noch bis 31. März 2023 im Rahmen der Ausstellung „Wiener Salondame? Ein Albtraum!“ Lotte Tobisch – Charme, Engagement, Courage in der Wienbibliothek im Rathaus zu sehen.

Hans Weigel (1908 – 1991) war Schriftsteller und einer der wichtigsten Theaterkritiker und Literaturförderer seiner Zeit, nicht zuletzt mit seiner wegweisenden Anthologie „Stimmen der Gegenwart“, die von 1951 bis 1956 erschien. Er unterstützte viele junge Autor:innen nach 1945 (u.a. Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann, Paul Celan und Marlen Haushofer), war aber auch – gemeinsam mit Friedrich Torberg – Mitinitiator des umstrittenen Brecht-Boykotts an österreichischen Bühnen. Weigel war seit den 1960er Jahren der Lebensgefährte der Schauspielerin Elfriede Ott, die er kurz vor seinem Tod heiratete. 

Wir danken Goran David für die Abdruckgenehmigung des Textes.

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