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Clara Kaufmann und Bernd Völker, 14.4.2020

Historische Persönlichkeiten im Krankenbett

Die Kaiserin ist genesen!

Ob Pocken, Malaria oder Tuberkulose: Die Geschichte kennt viele Fälle von prominenten Persönlichkeiten, die nicht von Krankheiten verschont blieben. Ein erster Überblick – von Mozart über Kaiserin Maria Theresia bis zu Thomas Bernhard.

Blickt man in die Vergangenheit, so mussten sich die meisten unserer Vorfahren von Beginn der Menschheit an mit der steten Gefahr von Pandemien, Seuchen und Epidemien auseinandersetzen. Krankheiten und ihr epidemisches Auftreten waren in unseren Breiten in der Vergangenheit weitaus lebensbestimmender und in unzähligen Fällen auch lebensverkürzender, als in den letzten 70 Jahren. Eine große Gefahr stellten beispielsweise im 17. und 18. Jahrhundert die Pocken (auch Blattern genannt) dar. Zwischen 1777 und 1800 hatte Wien insgesamt mit acht Pockenepidemien zu kämpfen, im Schnitt war die Krankheit für 18% aller jährlichen Todesfälle verantwortlich, wobei es besonders oft Kinder traf.

Gleich drei große Namen der Musikgeschichte überlebten die hoch infektiöse und häufig letale Krankheit jedoch: Mozart, Haydn und Beethoven. Mozart steckte sich Anfang 1786 elfjährig auf einer Reise nach Wien an, nachdem er nur wenige Jahre zuvor schon eine Typhuserkrankung durchmachen musste. Über den Zeitpunkt der Erkrankung von Haydn und Beethoven ist nichts bekannt, doch zeugten Zeit ihres Lebens markante Narben in ihren Gesichtern von den überstandenen Pocken. „Er war klein und unscheinbar, mit einem häßlichen rothen Gesicht voll Pockennarben“ beschrieb Frau von Bernhard den 21-jährigen Beethoven. Haydn zeigte sich überrascht, dass ihn die Engländerinnen trotz seiner Pockennarben umschwärmten und Mozarts Schwester Nannerl konstatierte, dass ihr Bruder ursprünglich ein hübsches Kind gewesen sei, bis er von den Blattern entstellt wurde. Bis heute kann man diese Zeugen der überstandenen Krankheit an Beethovens Lebendmaske und an Haydns Totenmaske erahnen.

Die Pocken machten auch vor dem Kaiserhaus nicht halt, wie Maria Theresia leidvoll erfahren musste. Ihr Onkel, Joseph I., fiel der Krankheit ebenso zum Opfer, wie drei ihrer 16 Kinder. Auch Maria Theresia selbst erkrankte 50-jährig an den Blattern, überlebte jedoch, genau wie ihre Tochter Maria Elisabeth. Letztere galt als ausnehmend hübsches Kind, weshalb Maria Theresia mit ihr heiratspolitisch große Pläne gehabt hatte. Die Pocken entstellten die junge Frau jedoch dermaßen, dass sie letztlich unvermählt blieb.

Durch ihre leidvollen persönlichen Erfahrungen mit dem Virus wurde Maria Theresia zu einer Vorreiterin der Pockenimpfung bzw. der „Inokulation“ oder „Variolation“, wie das Verfahren exakt genannt wird. Dabei wurden gesunde Kinder mit dem Blatternsekret von Erkrankten mit mildem Verlauf geimpft. Ein durchaus nicht ungefährliches Verfahren, dem Maria Theresia ihre vier jüngsten Kinder (erfolgreich) unterzog. Des weiteren richtete sie am Rennweg ein „Inokulationshaus“ ein, in dem sich die Bevölkerung kostenlos impfen lassen konnte, was allerdings wegen der damit verbundenen Risiken nur wenig in Anspruch genommen wurde.

Auch das Leben des Sohnes und Mitregenten Maria Theresias, Kaiser Joseph II., war durch Seuchen und Epidemien bestimmt. Nicht nur verlor er seine beiden Ehefrauen, Isabella von Parma (…gest. 1763) und Maria Josepha von Bayern (gest. 1767), an die Pocken, auch er selbst wurde zum Opfer sich epidemisch verbreitender Krankheiten. Eine davon mag aus heutiger Sicht überraschen: Die Malaria. Doch die von der Anophelesmücke übertragene Krankheit, die man heute hauptsächlich mit Afrika bzw. tropischen und subtropischen Gefilden in Verbindung bringt, trat von der Antike bis zum Ende des zweiten Weltkriegs bis in den Norden Europas auf, war jedoch stets auf sumpfige Gebiete beschränkt, die Brutmöglichkeiten für die Überträgermücke boten. So geriet der oben schon erwähnte Joseph Haydn regelmäßig in Gefahr, an der Malaria zu erkranken, nachdem sein Dienstgeber, Nikolaus von Esterházy, seine Sommerresidenz, Schloss Fertöd, inmitten eines Sumpfgebiets unweit des Neusiedler Sees errichten ließ (fertö bedeutet im übrigen „Sumpf“), glücklicherweise kam es jedoch nie zu einer Ansteckung.

Aber zurück zu Kaiser Joseph II., der im Russisch-Österreichischen Türkenkrieg sein Heer persönlich gen Osten führte, um 1788 in einem Sumpfgebiet vor Belgrad die Lager aufzuschlagen. Bereits zu Beginn des Feldzugs, vor jeglicher Kampfhandlung, waren Zehntausende seiner Soldaten an Malaria erkrankt und/oder gestorben, und auch Joseph II. selbst infizierte sich mit dem „Wechselfieber“, wie man es damals nannte. Mangels zweckmäßiger Gebäude zur Krankenversorgung vor Ort ließ Joseph in Wien Krankenbaracken aus Holz anfertigen und über die Donau zum Feldlager verschiffen – ein frühes Beispiel transportabler Feld-Krankenbaracken. Neben der Malaria verbreiteten sich auch Typhus und Ruhr unter den Soldaten, und Joseph selbst steckte sich zu allem Überfluss mit Tuberkulose an, die ihm letztlich Anfang 1790 das Leben kosten sollte.

Malaria und Tuberkulose zählten neben Cholera, Typhus und Ruhr bis zum zweiten Weltkrieg zu den so genannten Kriegsseuchen, die sich aufgrund der schlechten hygienischen Verhältnisse und dem engen Zusammenkommen vieler Menschen auf engem Raum rasend schnell verbreiteten. So erkrankten im ersten Weltkrieg über 330.000 Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee an Malaria und mehr als 430.000 an Tuberkulose.

Tuberkulose beschäftigte unsere Vorfahren schon seit Tausenden von Jahren. Die früher oft gebrauchte Bezeichnung als Schwindsucht geht auf Hippokrates im 5. Jh. v. Chr. zurück (griech. φθίσις phthísis Schwund, Auszehrung). Wien war vor allem im 19. Jahrhundert schwer gezeichnet von dieser Seuche, was ihr auch den Namen „Wiener Krankheit“ einbrachte. Sie traf alle Bevölkerungsschichten, jedoch nicht im gleichen Ausmaß. Ärmere Bevölkerungsgruppen waren von ihr stark betroffen, während sie in Haushalten mit überdurchschnittlichen Einkommen viel seltener anzutreffen war.

Die Tuberkulose und die Habsburger

Wie schon erwähnt ging diese Seuche auch an den Habsburgern jedoch nicht spurlos vorüber. Auch der Sohn und einzig legitime männliche Nachkomme von Napoleon I. und seiner Frau Marie-Louise von Österreich, Napoleon II., starb 1832 erst 21-jährig in Schönbrunn an Tuberkulose. Kaiserin Maria Ludovika von Este-Modena, eine Enkelin Maria Theresias und dritte Gemahlin von Kaiser Franz II., die für Aufsehen am Wiener Kongress gesorgt hatte und von Fürst Metternich gewürdigt wurde, erlag der Krankheit 28-jährig. Auch Kaiserin Elisabeth („Sisi“) erkrankte wahrscheinlich 1860 an Tuberkulose. Sie versuchte, die Symptome durch Aufenthalte auf Madeira und am Mittelmeer zu bekämpfen. Da sich Sisi nicht gerne am Hof in Wien aufhielt, boten ihr ärztlich empfohlene „Luftkuren“ darüber hinaus eine willkommene Begründung für zahlreiche ausgedehnte Reisen.

Auch in der Literatur finden sich zahlreiche Hinweise auf die Lungenkrankheit - nicht nur bei Thomas Mann. In Arthur Schnitzlers Novelle „Sterben“ von 1894 (sein erster Erzähltext, der selbständig in Buchform erschien), deuten die Krankheitssymptome des Hauptprotagonisten Felix sehr stark auf Tuberkulose hin. Schnitzler selbst hatte 1886 wegen Tuberkuloseverdachts einen für ihn sehr prägenden Kuraufenthalt in Meran verbracht und kam darüber hinaus durch seinen Vater, Johann Schnitzler, der Arzt in der Wiener Poliklinik war, häufig mit der Krankheit in Kontakt.

Ein weiteres prominentes Beispiel aus der Literatur ist Thomas Bernhard. Im Alter von 17 Jahren erkrankte er an einer offenen Tuberkulose, deren Folgen ihn sein Leben lang begleiteten und auch Spuren in seinem Schaffen hinterließen: In „Der Atem“ (1978) beschreibt er einen Krankenhausaufenthalt in Salzburg wegen Tuberkulose und auch „Die Kälte“ (1981) handelt von einem Aufenthalt in einer öffentlichen Lungenheilstätte. Kurz vor seinem Tod hatte Thomas Bernhard wieder massive Lungenprobleme und starb schließlich 1989 58-jährig an Herzversagen.

Clara Kaufmann arbeitet seit 2007 als Kulturvermittlerin für das Wien Museum. Als studierte Kunsthistorikerin schreibt sie darüber hinaus regelmäßig Texte zu zeitgenössischer Kunst aus Österreich.

Bernd Völker studierte Internationale Entwicklung. Seit 2008 arbeitet er als Kulturvermittler für das Wien Museum und das Naturhistorische Museum. Sein besonderes Interesse gilt gesellschaftlichen Entwicklungen.

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Kommentare

Redaktion

Lieber Herr Gegenhuber - danke für den Hinweis auf die Jahreszahl! Und vielen Dank an allen für das positive Feedback - geben wir gerne an den/die Autor/in weiter! Herzliche Grüße, Peter Stuiber/Wien Museum Magazin

Michael Gegenhuber

Danke für den interessanten Artikel! Eine Kleinigkeit zu Mozart: 1786 wurde Mozart 30. Da scheint also ein Zahlendreher in Absatz 2 zu stecken.

Gunda König

Nach der Lekture dieses Artikels kann man sich nur glücklich schätzen, dass der medizinische Fortschritt uns weitgehend schützen kann und hoffen, dass die Österreicher sich nun häufiger zur z.B. Grippeimpfung entschliessen.

Voelker Peter

Interressanter Artikel. Man hat zwar schon davon gehört, aber dass so viele bekannte Persönlichkeiten davon betroffen waren ist überraschend. Es gibt viele Parallelen zur derzeitigen Coronapandemie, sowohl was die Verbreitung als auch die Verhinderung betrifft. Gratuliere