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Michaela Lindinger, 10.5.2022

Kurze Geschichte des Lainzer Tiergartens

Jagdgebiet mit Chinesischer Mauer

Die Hermesvilla ist unter den Standorten des Wien Museums einzigartig: Nicht zuletzt weil Kaiserin Elisabeths Schloss inmitten eines Naturschutzgebietes liegt, das erst nach 1918 öffentlich zugänglich gemacht wurde. In dem kaiserlichen Jagdgebiet wurden einst nicht-heimische Wildtiere ausgesetzt. Der Park der Hermesvilla sollte gar südlichen Flair verströmen. 

Gejagt wurde im Lainzer Tiergarten schon lange. Bereits im Mittelalter machten sich die Babenberger den reichen Bestand an Rot- und Schwarzwild zunutze. Eine der größten Jagden, die je im Tiergarten abgehalten wurden, war jene im Jahr 1814, als die europäischen Fürsten zum Wiener Kongress geladen waren. Neben Diners, Bällen und Musikveranstaltungen war auch eine große Hofjagd Bestandteil des allgemein geschätzten Wiener Unterhaltungs- und Vergnügungsprogramms.

In dieser Umgebung, so dachte Kaiser Franz Joseph, wäre Elisabeth der verhassten Repräsentation fern, sie könnte inmitten der kaum zum Park umgestalteten Natur leben und hätte ein großes Terrain für Spaziergänge und Ausritte zu ihrer persönlichen Verfügung. Damals, zu Beginn der 1880er-Jahre, konnte noch niemand ahnen, dass Sisi dem von ihr favorisierten Reitsport, in dem sie es zu wahrer Meisterschaft gebracht hatte, bald Adieu sagen würde. Außerdem wäre sie von den „Gaffern“ abgeschirmt, be­­saß der Lainzer Tiergarten doch eine Mauer aus dem 18. Jahrhundert (errichtet 1782 bis 1787), die heute noch zum größten Teil besteht.

Als der Prater und der Augarten – beide waren einst kaiserliche Jagdgebiete bzw. ein dem Adel vorbehaltener Lustpark – für die Bevölkerung in den Jahren 1766 bzw. 1775 zugänglich gemacht wurden, erhielt der Lainzer Tiergarten als verbleibendes Hofjagdgebiet eine durchgehende Mauer. Diese Einfriedung sollte das dem Kaiserhaus vorbehaltene Revier vor Wilderern schützen, aber auch verhindern, dass Wildtiere die umliegenden Siedlungen heimsuchten. Anwohner der Gegend beklagten sich damals wiederholt über Schäden und verlangten den Abschuss des Wildes. Tatsächlich rotteten die Hofjäger Hir­sche und Wildschweine, die außerhalb des Tiergartens umherstreiften, aus. Für den kaiserlichen Tiergarten selbst wurden von den Habsburgern wiederholt nicht-heimische Wildarten angekauft, etwa Mufflons oder im 19. Jahrhundert zwei amerikanische Wapitihirsche.

Doch nicht alle Ansiedlungsversuche waren von Erfolg gekrönt: Beide Wapitis, ein Stück kostete umgerechnet 50.000 Euro, starben. Die außergewöhnliche Dimension der Tiergartenmauer aus dem 18. Jahrhundert ließ den Dramatiker und Schauspieler Johann Nestroy an ein „Junges der Chinesischen Mauer“ denken.

Bestandteil der Geschichte des Lainzer Tiergartens ist auch die Legende vom „armen Schlucker“. Ein niederösterreichischer Maurergeselle namens Philipp Schlucker habe dem Kaiser Joseph II. ein dermaßen kostengünstiges Offert zum Mauerbau vorgelegt, dass dem fortschrittlichen Kaiser nichts anderes übrigblieb, als Schlucker den Auftrag zu erteilen. Die Arbeiten seien zur vollsten Zufriedenheit der jagdbegeisterten Obrigkeit ausgefallen. In der Folge wurde Philipp Schlucker mit der Stelle eines Waldamtsbaumeisters und einem Grundstück in der Nähe von Baden für seine preisgünstigen Dienste belohnt. Demnach war er so arm also nicht geblieben. Auch ein kleines Försterhaus, das heutige Gasthaus „Hirschg’stemm“, wurde in Zusammenhang mit der Mauer unter Kaiser Joseph II. errichtet, im Jahr 1782.

Viel älter ist jene in der Nähe des Nikolaitores gelegene Kapelle, die 1805 dem Schutzpatron der Jäger, dem heiligen Eustachius, geweiht wurde. Das Bauwerk stammt noch aus romanischer Zeit und zeugt von einer längst verschwundenen mittelalterlichen Siedlung namens St. Nikola(i). Das Kirchlein hieß früher „Sankt Nikolaus vor dem Holz“.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg kam auch die allgemeine Öffentlichkeit in den Genuss des Lainzer Tiergartens, der sich damals bis zum Beginn der Hermesstraße ausdehnte. Das Waldgebiet wurde jedoch bald erheblich verkleinert, indem mehrere Gründe zum Verkauf freigegeben wurden, etwa jene, auf denen die heutige Friedensstadt steht. Jüngere Verluste des Areals gehen auf den Bau der Westautobahn in diesem Bereich (1960er-Jahre) zurück.

Mediterran? Eher nicht...

Der Park rund um die Hermesvilla wurde zwischen 1882 und 1890 angelegt und mithilfe einiger Hofgärtner bepflanzt, die bereits für den mediterranen Garten des Schlosses Miramare bei Triest verantwortlich gewesen waren. Ein üppiger Rosenhain, der heute nicht mehr existiert, wurde für Elisabeth angelegt. Wie ihr Schwager Ferdinand Maximilian, der als Kaiser von Mexiko 1867 erschossen wurde, liebte auch Elisabeth die gut duftenden Bäume der Mittelmeerregionen. Unmittelbar rund um die Hermesvilla dominieren daher landschaftsfremde Nadelhölzer, darunter befinden sich auch Mammutbäume. Doch egal wie viele Arten von Bäumen adriatischer Herkunft eingesetzt wurden – sie konnten das Flair des Südens nicht in den Lainzer Tiergarten transferieren.

Der Text ist ein Auszug aus Michaela Lindingers Begleitbuch zur Hermesvilla: „Kaiserin Elisabeths Hermesvilla. Refugium einer rastlosen Seele“ (Residenz Verlag) ist direkt in der Hermesvilla und in unserem Online Shop erhältlich. Informationen zu einem Besuch in der Hermesvilla gibt´s hier.

Michaela Lindinger, Kuratorin, Autorin. Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft, Ägyptologie und Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien. Seit 1995 kuratorische Assistentin, seit 2004 Kuratorin im Wien Museum. Ausstellungen und Publikationen zu biografischen und gesellschaftlichen Themen, Frauen- und Gender-Geschichte, Porträts, Wien-Geschichte, Tod und Memoria, Mode.
 

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