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Marlies Gailhofer, 7.10.2019

Leuchtmittel in Uhren

Strahlende Ziffernblätter – Radioaktives aus dem Uhrenmuseum

Radium wurde lange als Leuchtmittel für Uhren eingesetzt. Beim Umgang mit solchen Objekten bedarf es daher besonderer Sicherheitsmaßnahmen.

Während des Ersten Weltkrieges wurde damit begonnen, die Anzeigen von Militäruhren mit Leuchtfarben zu bemalen, um sie auch in der Dunkelheit der Schützengräben ablesen zu können. Bald schon erfreute sich die neue, praktische Erfindung auch im Alltag der Zivilbevölkerung großer Beliebtheit. Armbanduhren, Armaturen und vor allem Weckeranzeigen leuchteten nun von selbst auch nachts in bunten Farben. Die Farbe auf den Ziffernblättern der Uhren enthalten lumineszierende Pigmente und eine Energiequelle, welche diese zum Leuchten anregt – Radium. Die Energie der nicht sichtbaren radioaktiven Strahlung wird von diesen Pigmenten absorbiert und in Form von sichtbarem Licht wieder abgegeben.

Dass die vom Radium ausgehende α-Strahlung gesundheitsschädlich ist, war damals noch unbekannt. 1898 erst von Marie und Pierre Curie entdeckt, wurde das Element in den folgenden Jahrzehnten zum Trend. Bis in die Mitte der 1930er Jahre wurden Medikamente, Kosmetika und sogar Lebensmittel mit Radium versetzt, da ihm eine heilende Wirkung zugesprochen wurde. Für uns heute skurril erscheinende Artikel wie Radiumcremen, Radiumbrot, Radiumbier und Radiumkondome waren im Handel erhältlich.

Die Radium Girls

Schon durch Gehäuse, Uhrglas und auch Vitrinen werden die von den Ziffernblättern ausgehenden niedrigenergetischen Teilchenstrahlen abgeschirmt, die Gefahr für gelegentliche Träger radiumhaltiger Uhren hält sich in Grenzen.  In amerikanischen Uhrenfabriken jedoch waren Frauen angestellt, um die Ziffernblätter mit der Leuchtfarbe zu versehen. Um feine Linien ziehen zu können, wurden sie angewiesen, die Pinsel während der Arbeit immer wieder mit ihren Lippen anzuspitzen. Sie spielten mit den Farben und bemalten ihre Fingernägel und Gesichter. 

Viele der Arbeiterinnen erkrankten in Folge dessen schwer und starben schlussendlich an den Folgen der Strahlung. Die Häufung von Krankheiten wie Zungen- und Unterkieferkrebs, Knochenbrüche oder Kiefernekrose wurde über Jahre hinweg ignoriert und im Auftrag der betroffenen Firmen vertuscht, bis fünf Frauen ihren Arbeitgeber klagten und den Prozess gewannen. In Folge des Prozesses wurden die Sicherheitsstandards erheblich verbessert, und es etablierte sich das Recht des einzelnen Arbeiters, seinen Arbeitgeber zu klagen, wenn er auf Grund der Arbeit erkrankt war. Heute stellt der Fall der „Radium Girls“ deswegen einen wichtigen Schritt in der Geschichte der Arbeiterrechte dar.

Moderne Alternativen

Radium wurde bis in die 1960er Jahre als Leuchtmittel in Uhren verwendet, dann wurde es nach und nach von Tritium, einem Wasserstoffisotop, abgelöst. Auch Tritium ist radioaktiv und wird noch heute in Spezialuhren, wie beispielsweise Taucheruhren, eingebaut. Dabei wird es aber nicht mehr der Farbe beigemengt, sondern für die sichere Anwendung gasförmig in winzigen, mit dem lumineszierenden Pigment beschichteten Glaskapillaren eingearbeitet. Diese können dann auf Uhrenzeigern aufgebracht werden. Kennzeichnungen für tritiumhaltige Uhren sind „H3“, „T“ und „T<25“, sie sind auf den Ziffernblättern zu finden. Im privaten Gebrauch sind keine Schäden durch Tritiumgaslichtquellen zu erwarten, zusätzlich zum Gehäuse schützt auch noch die Kapillare vor der Strahlung.

Leuchtfarben, welche komplett frei von radioaktiven Stoffen sind, haben den Nachteil, dass ihre Leuchtdauer begrenzt ist. Moderne Materialien können aber nach dem „Aufladen“ mit Tageslicht bereits mehrere Stunden leuchten. Ein japanischer Hersteller entwickelte unter dem Markennamen „LumiNova“ Nachleuchtpigmente, welche aus Erdalkalialuminaten bestehen und heute als strahlungsfreie Alternative an Ziffernblättern verwendet werden. 

Radium im Museum

Die Uhrensammlung des Wien Museums beinhaltet unzählige Reiseuhren und Wecker aus dem 20. Jahrhundert, als Radium verwendet wurde. Bei der Handhabung, Ausstellung und Lagerung dieser Objekte treffen die Museumsmitarbeiter - und Mitarbeiterinnen entsprechende Sicherheitsvorkehrungen. Müssen die Uhren für die Wartung und Pflege geöffnet werden, wird Schutzkleidung getragen, um den Kontakt oder gar das Einatmen des radioaktiven Staubes zu vermeiden. Sollte die Abschirmung des Ziffernblattes durch Gehäuse und Uhrglas nicht ausreichend oder beschädigt sein, werden die Objekte für die Einlagerung gesondert verpackt. 

Da sich ein Zerfallsprodukt des Radiums, das gasförmige und ebenfalls radioaktive Radon, in der Luft anreichern kann, wird auf regelmäßigen Luftaustausch geachtet. Die betroffenen Uhren werden genau dokumentiert und als Gefahrenstoffe gekennzeichnet. Durch diese Maßnahmen wird gewährleistet, dass sie keinesfalls eine Gefahr für Besucher und Besucherinnen sowie für das Personal darstellen und als wichtige Zeugnisse der Technik- und Wissenschaftsgeschichte erhalten bleiben.

Marlies Gailhofer ist ausgebildete Leder- und Naturstofftechnikerin und studiert Konservierung und Restaurierung  (Fachbereich Objekt) an der Universität für angewandte Kunst Wien. Sie interessiert sich speziell für Handwerkstechniken sowie kultur- und naturwissenschaftliche Aspekte ihres Fachgebietes. Im Sommer absolvierte sie ein Praktikum im Uhrenmuseum.

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Kommentare

Redaktion

Freut uns sehr - vielen Dank für die Rückmeldung!

Frau Berni Knoll

Superschöne Photos, sehr gut geschriebener, informativer Bericht!
Herzlichen Dank!