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Peter Stuiber, 7.10.2019

Neidhart Festsaal

Was ist ein Fresko? Und wer war überhaupt Neidhart?

Die Neidhart Fresken heißen nun Neidhart Festsaal. Mit der Wiedereröffnung des Wien Museum-Standorts ändert sich nicht nur der Name, sondern auch der Fokus der Präsentation. Im Haus Tuchlauben 19 wird mittelalterliches Leben begreifbar – und das nun auch im wörtlichen Sinn.

Die Neidhart Fresken wurden 1979 im Zuge von Wohnungsrenovierungen entdeckt und gelten als die ältesten säkularen Raumdekorationen Wiens. Als solche sind sie nicht nur eine kunsthistorische Rarität, sondern mit ihren mehr als 15 Metern Länge ein beeindruckendes Zeugnis aus dem Leben eines reichen Tuchhändlers zu Beginn des 15. Jahrhunderts. 

Der Anstoß, den Standort des Wien Museums neu zu konzipieren, kam von der Schließung des Wien Museums am Karlsplatz. Denn Wien im Mittelalter zählt zu den Top-Themen bei Schulgruppen-Besuchen in der bisherigen Dauerausstellung, daher galt es, eine geeignete Alternative für die Zeit des Umbaus zu finden, so Nathaniel Prottas, Leiter der Vermittlungsabteilung im Wien Museum. Gemeinsam mit der zuständigen Kuratorin Michaela Kronberger entwickelte er ein Konzept für die Neidhart Fresken, das ebenso für Schulklassen funktionieren soll wie für Einzelbesucherinnen und -Besucher. 

Vor der konkreten Entwicklung wurden die Wandmalereien mit einer bunt gemischten Personengruppe besucht, um herauszufinden, welche Themen interessant sein könnten bzw. welche Inhalte vielleicht schwer verständlich sind. „Was ist ein Fresko? Und wer war überhaupt Neidhart?“, lauteten zwei zunächst überraschende Fragen, die gestellt wurden. Die erste traf genau ins Schwarze. Denn es handelt sich nicht um Fresken, die in dem einstigen Haus des Tuchhändlers Michel Menschein zu sehen sind, sondern um Wandmalereien in Secco-Technik, die also auf trockenem Putz aufgetragen wurden.

„Früher hat man einfach ´Fresken` mit Wandmalereien gleichgesetzt“, so Nathaniel Prottas. Konsequenterweise wurden die Bezeichnung Fresken nun aus dem Standort-Namen gestrichen, stattdessen lautet er nun „Neidhart Festsaal“ mit dem Zusatz „Wandmalereien aus dem Mittelalter“. Der Name spiegelt den kuratorischen Zugang wider: „Die Wandmalereien sind das zentrale Objekt. Aber generell geht es um das mittelalterliche Leben, um Tanz, Musik und Festkultur. Um die Einbindung des einzelnen Raumes in das große Ganze“, erklärt Prottas. 

Die räumliche Situation, in der die Wandmalerein zu sehen sind, stellt Besucherinnen und Besucher vor eine Herausforderung, weiß Michaela Kronberger. Das hat mit der Baugeschichte des Hauses zu tun, das über die Jahrhunderte immer wieder stark verändert wurde, sodass der ursprüngliche Zustand nur schwer zu erahnen ist. „Damit man versteht, warum man heute nur in einem Teil des ehemaligen Festsaals steht und warum die Malereien schon am Gang anfangen, gibt es einen Animationsfilm und ein Modell aus Holz“, so Kronberger. Grundlage dafür waren umfangreiche Bauforschungen von Paul Mitchell, die viele bislang unbekannte Details ans Licht gebracht haben. Eingebettet ist die Baugeschichte des Hauses in die Entwicklungsgeschichte der Stadt. Auch neueste Erkenntnisse aus der Musik- und Literaturwissenschaft sind ins Konzept des Neidhart Festsaals eingeflossen.  

Die Szenen der Wandmalereien basieren auf Liedern des Musikdichters Neidhart (ca. 1180-1240) und Schwänken des Neidhart Fuchs, der etwa 100 Jahre später wirkte und sich an den Musikdichter Neidhart anlehnte. Über Neidhart selbst weiß man wenig,  in seinen Liedern, die gesungen und oft auch instrumental begleitet wurden, verspottete er gern die „Dörper“ (Dorfbewohner) wegen ihrer Grobheit. Es geht um Liebe, Feste und das spannungsreiche Verhältnis zwischen verschiedenen sozialen Schichten.

„Um einen direkten Zugang zum mittelalterlichen Leben in Wien zu erhalten, gibt es in der Ausstellung ein zentrales Möbel, das 25 Objekte aus dem Mittelalter enthält, die etwa mit Essen, Kochen, Beheizung oder Beleuchtung zu tun haben“, so Nathaniel Prottas. Neben vielen Originalobjekten zum Angreifen stehen Kindern auch Kleider, ein Kettenhemd oder Geschirr zur Verfügung, um sich ins mittelalterliche Leben zurückversetzen zu können. „Doch nichts in der neuen Präsentation ist fix eingebaut, d.h. wir können das zentrale Möbel auch einfach auf die Seite schieben und uns auf das Hauptobjekt, die Wandmalereien, konzentrieren“, erklärt Michaela Kronberger. 

Wie mögen sich die Gäste einst in dem privaten Festsaal gefühlt haben?  Wie fanden sie die Szenen und Streiche, von denen die Wandmalereien erzählen? Und was dachten sie über Neidhart, der seine Zeit offenbar so treffsicher beschrieben hat? 600 Jahre danach kann man sich solche Fragen bei einem Besuch stellen – und auf die eine oder andere hoffentlich Antworten finden.

Der Neidhart Festsaal wird im Rahmen eines Open House-Wochenendes am 19./20. Oktober wieder eröffnet. Die Gestaltung der Ausstellung stammt von Larissa Cerny und Robert Rüf. Mehr Informationen auf wienmuseum.at.
 

Peter Stuiber studierte Geschichte und Germanistik, leitet die Abteilung Publikationen und Digitales Museum im Wien Museum und ist redaktionsverantwortlich für das Wien Museum Magazin.

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