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Thomas Grötschnig, 5.5.2022

Routenplaner: Schlachthausgasse – Neu Marx

Kleinere Erdbeben in Erdberg

Unser neuer Spaziergang führt durch einen der spannendsten und sich am schnellsten entwickelnden Teile des 3. Bezirks mit vielen historischen Facetten, Neubauten und in Planung befindlichen Bauprojekten. Dazu ein Überblick über die wichtigsten Do-It-Yourself-Zwischennutzungsprojekte in diesem Teil Wiens.

1. Start/Ziel: U3 Station Schlachthausgasse/Markhofgasse 6, 1030 Wien

Treffpunkt Schlachthausgasse. Ein eher ungewöhnlicher Ort, sich für einen Spaziergang zu verabreden.  Vor dem Ausgang der U3-Station wird man von einem eintönigen Grau begrüßt, das allemal durch neonbunte Plakate und Werbereklame für Konzerte oder durch die gute Stimmung der Stammkund*innen am Würstelstand gebrochen wird. Die Fassaden sind unspektakulär – wegen der vielen Busse und Taxis wirkt dieser Ort eher wie einer, von dem man gut wieder wegkommt. Die Markhofgasse entlang Richtung Norden queren wir die Schlachthausgasse und gelangen zum zweiten Ausgang der U3, der sich bereits in wesentlich freundlicherer Umgebung befindet.

Die Stiegen den kleinen Hügel hinauf, stehen wir plötzlich im Grünen, umgeben von vielen Bäumen, in der Kleingasse. Ein hübscher Blickfang ist die denkmalgeschützte Elisabeth-Kapelle, die 1891 errichtet wurde und einst zum Mautner-Markhof’schen Kinderspital gehörte.

2. Alfred-Dallinger-Platz 1

Unweit von dieser befindet sich das D3 Convention Center, auf der Rückseite des von Coop Himmelb(l)au gestalteten Gebäudes des BFI Wien. Architektonischer Kontrast und stetige Weiterentwicklung zeichnen das gesamte Grätzl aus. Das werden wir auch später mehrfach wahrnehmen.

Über den Hainburger Weg geht es durch eine Gemeindebausiedlung, vorbei an einem chinesischen Kulturzentrum, auf den Fiakerplatz, der abseits von den umliegenden Straßen eher unscheinbar auf einem Hügel liegt. Der ruhige Platz mit ein paar wenigen Gastrobetrieben rundherum wurde nach den vielen Fuhrwerkern benannt, welche diese Gegend früher bewohnt haben.

Über eine Stiege den Hügel hinunter gelangen wir auf die Erdbergstraße. Wir bewegen uns in Richtung Westen, wo diese am Kardinal-Nagl-Platz vorbeikommt und biegen rechts in die Drorygasse. Die Verlängerung von dieser erkennt man von hier aus bereits als grünen Park und modernes Wohnviertel.

3. Leonie-Rysanek Park/Drorygasse

Der neu errichtete Leonie-Rysanek-Park hat das Viertel nun direkt zum Donaukanal hin verlängert und angeschlossen. Auf dem ehemaligen Gelände der Erdberger Gaswerke war in den letzten Jahren eine Postbus-Garage beherbergt, bis das Gebiet zu einem ganz neuen Wohnviertel umgestaltet wurde. Der Park und das Mural von Peter Kogler sind zum Aushängeschild des Projekts geworden.

Über die Dietrichgasse spazieren wir wieder zurück in Richtung Schlachthausgasse. Zuvor kommen wir aber noch an einem markanten Turm der Katholischen Kirche Neuerdberg (St. Johannes Bosco; Lechnerstraße 12) sowie am Verkehrsmuseum Remise der Wiener Linien (Ludwig-Koeßler-Platz) vorbei.

 

4. Schlachthausgasse 30

Ein markantes Beispiel zeitgenössischer Architektur finden wir in der Schlachthausgasse 30. An der Stelle des 2005 eröffneten Büro- und Wohnbaus von Coop Himmelb(l)au befand sich von 1875 bis 1998 das Mautner-Markhofsche Kinderspital. Ein Denkmal vor Ort erinnert daran.

Auf der anderen Straßenseite entstand vor kurzem auch das neue Biologiezentrum der Universität Wien. An diesem kommen wir später vorbei. Uns interessiert nämlich nun die Biologie selbst - wir machen einen Abstecher in die Stadtwildnis Erdberg.

5. Stadtwildnis Erdberg, Maiselgasse

Dieses bewusst unbebaut gelassene Gebiet bietet zahlreichen Pflanzen und Tieren natürlichen Lebensraum. Hier wird im Gegensatz zu selektiver Bepflanzung die natürliche Artenvielfalt belassen. Die Wege sind nicht asphaltiert.

Abgesehen von der Stadtwildnis befindet sich an diesem Ort auch der Donauprallhang. Blickt man von der Stadtwildnis in Richtung Osten bzw. nach links - von der Schlachthausgasse aus kommend -, bemerkt man, dass man sich wieder auf einem Hügel befindet. Vor der landschaftlichen Bearbeitung des Gebiets, ist hier ursprünglich eine Schlinge des Donaukanals verlaufen. Diese ist heute noch durch die Überreste des Linienwalls, der historischen Befestigungsanlage, gekennzeichnet. Die Mauerüberreste stehen heute unter Denkmalschutz. Teilweise kann man diese von diesem Punkt aus, aber auch von der tiefer unten gelegenen Parkanlage Baumgasse erkennen. Durch die Stadtwildnis führt ein Weg, der in das Neubaugebiet von Neu Marx – in die Henneberggasse – mündet.

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6. Neu-Marx, Viehmarktgasse 5

Hier entstehen neue Bauwerke, inmitten alter historischer Gründe des ehemaligen Wiener Zentralviehmarktes. Diverse TV-, Telekommunikations- und andere Medienunternehmen haben sich bereits angesiedelt, aber auch das Vienna BioCenter - mehrere Unternehmen und Forschungsbetriebe aus der Biowissenschafts-Branche. Bemerkenswert ist hier der Erhalt und die Neunutzung historischer Bausubstanz (erkennbar durch die markanten Backsteinbauten), die durch Zubauten und angrenzende Neubauten ergänzt werden.

7. Karl-Farkas-Gasse 16, Zentralbank Zweigstelle St. Marx

Ein spannendes Gebäude befindet sich auch in der Karl-Farkas-Gasse 16: die ehemalige Zentralbank Zweigstelle St. Marx. Hier war bis vor Kurzem eine Magistratsabteilung untergebracht. Zu Zeiten des Central-Vieh-Marktes wurden hier als Wiener Vieh- und Fleischmarktkassa Zahlungsabwicklungen erledigt und Kredite vergeben. Das Gebäude wird in den kommenden Jahren umgestaltet und zu einer permanenten Spielstätte des brut – nach etlichen Zwischennutzungen in den unterschiedlichsten Bezirken.

8. Karl-Farkas-Gasse/Maria-Jacobi-Gasse

Wir bleiben beim Thema Zwischennutzung. Das riesige Areal neben uns ist eine von Wiens größten unbebauten innerstädtischen Freiflächen. Hier war einst ein weiterer Medienstandort geplant, bald entsteht hier die neue Wiener Eventhalle Neu Marx. Seit mehreren Jahren wird dieses Gebiet aber bereits ausgiebig genutzt, welches derzeit noch vorreitend im Sinne der Do-it-yourself-Stadtraumgestaltung ist. Direkt neben den alten Rinderhallen von St. Marx befindet sich diese Freifläche in Neu Marx, die derzeit Urban Gardening, einen DIY Basketballplatz und einen DIY Skatepark, sowie das größte Mural Österreichs vom Künstler GOLIF beherbergt, das so groß ist, dass man es in seiner Gänze nur auf Satellitenbildern zum Beispiel auf Google Maps oder vom Helikopter aus sehen kann.

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Der Do-It-Yourself Basketballcourt ‘dieGrube’ wurde ebenso wie der daran angrenzende DIY Skateboard-Park ‘Minimundus DIY’ von den Initiator*innen selbst mit eigenen Händen und teils recycelten Materialien gebaut. Die Szene weiß, was für ihre jeweilige Sportart und Subkultur notwendig ist und schafft sich die Infrastruktur selbst. Deren Angehörige selbst sind ja auch jene, die diese am meisten nutzen. Solche Projekte stehen im Gegensatz zu von Planungsbüros und Sportgerätehersteller*innen fertig geplanten und mit Fertigteilen gebauten Einrichtungen, die dann oft realitätsfern ausfallen und nicht die Ansprüche der Sportler*innen erfüllen. Bestes Beispiel: fertige Plastikrampen auf Skateplätzen. Bei beiden Projekten wurde selbst geplant, betoniert und viel freiwillige Arbeitszeit und eigenes Geld investiert. Die Pachtverträge sind zeitlich begrenzt. So ist es auch beim nebenliegenden Urban Gardening, wo mitten in der Stadt Gemüse gezogen wird. Sobald der Bau der neuen Eventhalle beginnt, werden diese selbstinitiierten Projekte wohl weichen müssen.

9. Baumgasse 80

Am anderen Ende des Neu Marx Areals befindet sich die Baumgasse, die ein paar hundert Meter weiter in Richtung Südosten bekanntermaßen ebenfalls einen ehemaligen Schlachthof beherbergt: Die Arena Wien ist als Konzertlocation und Kulturzentrum seit den 1970er Jahren ein Fixpunkt alternativer Kultur – untergebracht im ehemaligen Inlands-Schlachthof (der besetzte Auslands-Schlachthof wurde abgerissen). Auch Street Art und Graffiti ist hier omnipräsent. Wichtige lokale und internationale Künstler*innen haben hier ihre Werke hinterlassen, so z. B. The Yok, Sheryo und Nychos.

Wir begeben uns wieder zurück nach Neu Marx. Rund um die Marx-Halle sticht uns eine Parkgarage unter der Autobahn ins Auge. Ein ungewöhnlicher, aber irgendwie auch logischer Ort, um Fahrzeuge unterzubringen. Der Künstler GOLIF hat auch auf Containern der angrenzenden Marx Halle mehrere seiner Werke hinterlassen. Die alte Rinderhalle St. Marx, welche ursprünglich als Markt- und Verkaufshalle für Vieh gedient hat, wird heute als Veranstaltungshalle für diverse Events genutzt.

10. Viehmarktgasse 2

Zurück geht es über die Viehmarktgasse und die Schlachthausgasse zum Ausgangspunkt dieses Spazierganges. Zuvor kommen wir aber noch an einem Mural von El Jerrino und Stone One vorbei, das in Zusammenarbeit mit den Bewohner*innen des Maderspergerhofes entstanden ist und an die Nähmaschine erinnert, die von Josef Madersperger 1814 erfunden wurde.

11. Djerassiplatz 1

Von hier haben wir nun auch noch Gelegenheit, einen Blick auf das neu errichtete Biologiezentrum der Universität Wien zu werfen (ein Entwurf der Berliner Architekten Karsten Liebner und Marcel Backhaus), das sich gleich nebenan befindet. Ein passender Standort, in unmittelbarer Nähe zum Vienna BioCenter und unweit der U-Bahn-Station Schlachthausgasse, wo unsere Route endet.

Über diese Tour

Start/Ziel:
U3 Station
Schlachthausgasse
/Markhofgasse 6,
1030 Wien

Länge: 5,5 km

Dauer: ca. 2 Stunden 

Öffentliche
Verkehrsmnittel:

keine Öffis benötigt
 
Google Maps:
Route online 

Route und Beschreibung
PDF zum Ausdrucken  

Hinweis: Dieser Spaziergang beruht auf einer Tour, die der Autor Thomas Grötschnig für „VIENNA. THE 22 OTHER DISTRICTS“ erstellt hat. Die neue Publikation des Street-Art-Spezialisten und Verlegers (streetartbooks.eu) versteht sich als alternativer Do-it-yourself-Guide für Wiener*innen und Wien-Besucher*innen, abseits des 1. Bezirks und abseits der Trampelpfade.

Thomas Grötschnig, geboren 1989, aufgewachsen im Großraum Wien und Villach, dokumentiert Strukturen im öffentlichen Raum und verlegt unter streetartbooks.eu lokale Guide Bücher zu urbanen Themen wie Street Art und Parklets. Seit 2016 widmet er sich dem Projekt Vienna Murals - Street Art Guide Vienna.

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