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Von einem anderen Praterstern
Achterbahnfahrt durch den Alltag
Warum ein Projekt über den Praterstern? Weil er so einen schlechten Ruf hat?
Ich quere den Praterstern sehr oft, und das schon seit langem. Der auslösende Moment war, als er plötzlich medial als verschrieener Ort dargestellt wurde. Alkoholiker hat es hier ja schon immer gegeben, und dann kamen die Drogendealer dazu. Als mir Leute erzählt haben, sie würden sich nicht mehr trauen, hier auszusteigen, war das für mich sehr irritierend, weil es überhaupt nicht mit meiner Einschätzung des Ortes übereingestimmt hat. Dazu kommt das Verhältnis des Pratersterns zum gegenüberliegenden Wurstelprater, wo sich die Leute den ärgsten Adrenalinkick geben – aber eben als kontrollierte Angst. Und daher habe ich mir gedacht: Ich würde gerne mit der Mentalität des Wurstelpraters auf den Alltag am Stern schauen. Die grundlegende filmische Idee war eine Kamerafahrt durch die Bahnhofstation wie auf einer Achterbahn, eine Actionfahrt durch den Alltag.
So beginnt auch der Film: Mit dem Aussteigen am Stern in der üblichen Hektik. Der Praterstern ist ja ein Ort, den man ja nur quert, und zwar so schnell wie möglich. Keiner will beim Billa am Praterstern einkaufen, aber man muss es ab und zu. Den Vorplatz habe ich als Puppenspiel wie bei der Grottenbahn oder Geisterbahn gedacht. Wir haben sehr viel Detailarbeit in das Modell investiert, um den Alltag am Platz abzubilden. Und dann kommt noch eine dritte Ebene hinzu, nämlich das innere Erleben der Menschen. Die Idee zum Projekt hatte ich schon 2012. Als ich mir Fotos von damals wieder angesehen habe, waren Menschen darauf zu sehen, die man teilweise heute noch am Praterstern antrifft. Sie verbringen dort ihre Freizeit. Ein eigenes Milieu abseits der medialen Schockbilder. Ein Großteil des Realfilms behandelt vor allem die inneren Zustände der Leute.
War es von Anfang an klar, dass es ein Filmstoff ist und nicht einer fürs Theater?
Ich habe schon vor längerer Zeit das sogenannte Milieu Kino in einen LKW gebaut. Das auch selber zu bespielen, war der Plan. Und dass man dazu ortsbezogene Filme macht: Man überlegt sich zu einem Ort einen Film und stellt sich dann mit dem Kino dorthin. Die Idee, mit dem Praterstern anzufangen, kommt auch daher, weil hier im Prater ja die ersten Kinos von Wien waren. Es gibt also einen Bezug zur Pionierzeit des Kinos, aber auch zum Wanderkino von früher. Eine andere Idee ist, einen Film über die U-Bahn zu drehen, der dann jeweils bei den Ausgängen in dem Kino-LKW gezeigt wird. Doch das Projekt ist mir momentan zu komplex. Beim Pratersternfilm gab´s hingegen nur ein paar Grundideen und sonst nichts.
Und was hat sich daraus entwickelt? Wie teilt sich der Film zwischen realem Ort und dem Modell mit Puppen auf?
Ursprünglich sollte es ein Kurzfilm werden, das Ergebnis dauert aber 1 Stunde und 20 Minuten. Es ist in erster Linie ein Realfilm, die Stop-Motion-Animation mit den Puppen kommt zweimal mittendrinnen vor. Wir haben so gearbeitet wie wir auch Theater machen: Es gibt eine Grundidee, der man folgt. Das nennen wir impulsorientiertes Arbeiten. Es gab also kein Drehbuch, sondern einen Ablauf. Der Teil, für den wir am wenigstens geplant hatten, wurde letztlich der längste. Wir haben im Ensemble ein Monat geprobt mit dem Fokus auf die Zustände der Leute am Stern und haben dabei diverse Charaktere herausgearbeitet. Während des Drehens sind mir dann zusätzlich neue Szenen eingefallen, die wir dann einbauen konnten. Wir haben während des Drehens Szenerien gesehen, die wir dann mit Schauspieler:innen nachgespielt haben. Es war also Drehbuchschreiben und Filmen gleichzeitig.
Das Modell ist in seiner Größe und seinem Grad an Detailliertheit extrem beeindruckend…
Das Modell ist 15 Meter lang und 5 Meter breit. Wir sind hier alle über alle Maßen detailverliebt, und ich habe gewusst, dass meine Kollegin Eva Grün, die das Modell gebaut hat, genau so arbeitet. Wir arbeiten ja sonst an Bühnenbildern und da ist es ähnlich. Wir hatten allerdings einen völlig anderen Zeitplan. Aber das ist fast immer so.
Der Film wird zwischen Weihnachten und Silvester am Praterstern gezeigt. Und dann?
Wir werden ihn jetzt im Winter und dann im Frühling wieder zeigen. Außerdem wird dann im April im Spitzer parallel dazu eine Ausstellung stattfinden, in der wir das Modell des Pratersterns ausstellen. Danach wird sich zeigen, ob wir ihn nicht doch auch woanders bringen. Das Kino wird aber auch noch von anderen bespielt werden.
Wie findest Du eigentlich den Wurstelprater?
Ich hatte immer die Sorge, dass der Prater zu verkommerzialisiert wird. Und find´s schön, dass er immer noch einige charmante alte Attraktionen hat. Angst habe ich dort nicht, schon gar nicht in der Geisterbahn. Da geht es ja nicht um reale Ängste, sondern nur um ein ständig neues Erschrecken. Vor welchen Gespenstern sollten wir uns auch fürchten? Spannend ist es jedenfalls, sich mit den Praterunternehmern zu unterhalten. Die haben nämlich wirklich Angst davor, dass etwas passiert. Mit dem Betreiber vom Tagada hatte ich mal am Würstelstand ein längeres Gespräch: Er weiß, wie schnell man sich verletzen kann. Vor allem dann, wenn sich die Leute überschätzen.
Die Premiere von Max Kaufmanns Praterstern-Film „SINE META DROM“ findet am 27. Dezember am Praterstern statt. Infos und Karten auf der Website des Odeon Theaters.
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