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Archäologische Grabungen in der „Alten Post“
Ein guter Platz zum Siedeln
Der Bereich Postgasse/Dominikanerbastei ist ein spannender Ort für archäologische Grabungen. Sich an der Geländekante zu den einstigen Donauauen anzusiedeln, bot nämlich strategische Vorteile – unter anderem eine gute Aussicht auf Herannahende. Das wusste man schon lange vor den Römern, das älteste Fundstück – eine Schüssel – entstand vermutlich in der mittleren Bronzezeit (also 1600-1200 v. Chr.), und auch die Kelten als unmittelbare Vorgänger der Römer haben dort ihre Spuren hinterlassen.
Für die Römerzeit liefert die Stelle ebenfalls spannendes Material. „Denn wir sind hier ziemlich genau an der Grenze zwischen der Lagervorstadt, wo unter anderem die Angehörigen der Soldaten des Legionslagers lebten, und einem Gräberbereich“, so Susanne Stökl vom Unternehmen archnet Bau- und Bodendenkmalpflege, die 2017 und 2019 die Grabungen durchführte und gemeinsam mit Sophie Insulander und Michaela Kronberger (Wien Museum) sowie Kristina Adler-Wölfl (Stadtarchäologie Wien) die Präsentation im Römermuseum kuratiert hat.
40 Spardosen ohne Münzen
Typisch für die Ausfallstraßen um römische Siedlungen waren Gräberareale, bei denen oftmals gut erhaltene Gegenstände, die den Toten als Beigaben mitgegeben wurden, zum Vorschein kommen: In diesem Fall etwa ein großer Tonkrug und eine Öllampe. Aber auch Teile römischer „Gesichtsgefäße“ konnten geborgen werden. Die chronologisch nächsten Funde stammen aus dem Mittelalter, als auf dem Areal Wohnhäuser, ein Gebäude des Predigerkonvents, eine Badestube sowie eine Burse (Stiftungshaus) für Studenten standen, wie man aus schriftlichen Quellen und Plänen schließen kann. „Zu den Highlights aus dieser Zeit zählt ein Aquamanile in Form eines Männerkopfes, ein mittelalterliches Waschgefäß, das bei Mahlzeiten verwendet wurde“, so Stökl. Durchaus eine Überraschung waren die unzähligen Fragmente von bis zu 40 Spardosen, die zum Vorschein kamen, ohne irgendwelche Münzen allerdings. „Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hierbei um die Ware eines Händlers handelt.“ .
Vom Heiligen zur Mineralwasserflasche
Der bereits im Jahr 1573 erwähnte Jesuitenkonvikt errichtete Mitte des 17. Jahrhunderts ein neues Gebäude in der Postgasse – es entstanden die noch heute erhaltene Barbarakirche und das dazugehörige Stiftsgebäude. Aus der Barockzeit wurde u. a. eine Figur des heiligen Christophorus gefunden.
In direkter Nachbarschaft zum Stiftsgebäude befand sich das Hauptmautgebäude, dem die Verwaltung der im Reichsgebiet eingehobenen Zölle und Mautzahlungen oblag. Für die k. u. k. Postdirektion, die 1854 eröffnete, ließ man beide Bauten aufstocken und miteinander verbinden. Die jüngsten Fundstücke in der Präsentation sind Ofenkacheln, die 1847 gebrannt wurden, und eine Selterswasserflasche, die heutige Mineralwasser-Gebinde weit in den Schatten stellt. „Die Präsentation als Gemeinschaftsprojekt von archnet, Stadtarchäologie und Wien Museum zeigt neben den Objekten auch Kartenmaterial, das die räumliche Situation am Fundort erklärt“, erklärt Co-Kuratorin Sophie Insulander.
Außerdem habe man sich ein experimentelles Element einfallen lassen: „Eine Hörstation bietet die teilweise fiktiven Biografien von Menschen, die von der Bronzezeit bis ins 19. Jahrhundert hier gelebt haben bzw. haben könnten: eine bronzezeitliche Töpferin, ein Kind aus der Römerzeit, ein Arzt aus dem Mittelalter, ein Gelehrter der Renaissance, eine Landadelige aus dem Barock und ein Postbeamter des 19. Jahrhunderts erzählen aus ihrem Leben.“ Oral history neu interpretiert, sozusagen.
Die Präsentation „Archäologie in der ´Alten Post`. Ein Querschnitt durch die Stadtgeschichte“ ist ab 7. November im Römermuseum zu sehen.
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