Website Suche (Nach dem Absenden werden Sie zur Suchergebnisseite weitergeleitet.)

Hauptinhalt

Bettina Fernsebner-Kokert, 2.12.2019

Artothek

Welches Bild passt zu mir?

Vor 40 Jahren wurde die Artothek Wien auf Initiative des damaligen Kulturstadtrats Helmut Zilk eröffnet. Um nur 2,50 Euro im Monat kann man sich dort zeitgenössische Kunst für die eigenen vier Wände ausborgen. Ein Besuch zum Jubiläum.

„Die Wohnung ist neu und die Wände sind noch kahl“, erzählt die junge Frau aus Berlin, die erst kürzlich nach Wien gezogen ist, während sie in der Artothek im MUSA nach zeitgenössischer Leih-Kunst für ihr neues Zuhause sucht. Eine der unzähligen raumhohen Schiebewände nach der anderen zieht sie heraus, gustiert und überlegt. Um nur 2,50 Euro pro Monat und Bild kann sich jeder, der in Wien und näherer Umgebung lebt, Kunst in seine eigenen vier Wände oder in sein Büro holen – Versicherung inklusive.

Bereits im Jahr 1979 hat der damalige Wiener Kulturstadtrat und spätere Bürgermeister Helmut Zilk die Artothek initiiert, die damit die drittälteste Einrichtung dieser Art im deutschsprachigen Raum ist. Die Stadt Wien hatte seit 1951 Werke von Künstlerinnen und Künstlern mit Wien-Bezug angekauft.

Damit die Sammlung nicht nur im Depot bleibt oder als so genannter „Büroschmuck“ für die Räume des Magistrats  verwendet wird, sollte sie den Wienerinnen und Wienern für daheim zur Verfügung gestellt werden, so Michaela Nagl, die seit 1993 für die Artothek verantwortlich ist. „Die Grafiken wurden schließlich mit Steuergeldern angekauft und Zilk wollte mit der Artothek diese Kunst zugänglicher machen.“

Ursprünglich war die Artothek in der Alten Schmiede in der Schönlaterngasse angesiedelt, 2007 kam sie ins MUSA in die Felderstraße gleich gegenüber vom Rathaus. Rund 1800 Werke umfasst der Bestand aktuell, mehr als die Hälfte ist laufend verliehen.

Auch große und bekannte Namen versehen ihren Außendienst in Wohnungen, Büros und Arztpraxen. So befinden sich Grafiken von Maria Lassnig, Adolf Frohner oder Christian Ludwig Attersee – um nur einige zu nennen – im Besitz der Artothek. Doch soll nicht der Promi-Faktor ausschlaggebend für die Auswahl eines Bildes sein, die Namen der Künstlerinnen und Künstler stehen nicht bei den Werken: Das Kunstwerk selbst soll die Menschen, die in die Artothek kommen, ansprechen.

Ohne Vorkenntnisse einfach vorbeischauen

Viele kamen und kommen dank Mundpropaganda, weiß Petra Hanzer, die gemeinsam mit Nagl die Artothek betreut: „Oft ist jemand bei Freunden zu Besuch, sieht dort die Grafiken und erfährt auf diesem Weg von uns. Und es ist für die Leute ja ganz unkompliziert, hier Kunst auszuborgen. Man braucht keine Vorkenntnisse und kann ohne Druck das richtige Bild finden. Dazu erhält man dann Informationen über den Künstler oder die Künstlerin bzw. über das Werk.“

Zuerst auf den Christkindlmarkt, dann in die Artothek

Wer einmal eine Leihgabe in der Artothek ausgesucht hat, kommt meist wieder, viele Besucher sind im Lauf der Zeit zu treuen Stammkunden geworden. Die derzeit jüngste Kunstfreundin ist gerade einmal 19, die älteste Stammkundin ist 92 Jahre alt und kommt noch immer regelmäßig in Begleitung ihrer Enkelin, um neue Bilder für daheim auszusuchen. Häufig wird die Liebe zur Artothek weiter gegeben. „Zuerst kamen die Kinder der Kundinnen und Kunden und jetzt kommen oft schon die Enkelkinder“, erzählt Nagl. „Manche Familien haben sogar ein jährliches Ritual daraus gemacht, zuerst trifft man sich auf dem Christkindlmarkt und dann kommen alle gemeinsam zu uns.“ Bei Paaren, die regelmäßig kommen, darf einmal der eine, das nächste Mal der andere die Bilder aussuchen.

Zwei Formate zur Auswahl

Bis zu vier Bilder für Privathaushalte und zehn für Büros o.ä. können maximal ein Jahr lang ausgeliehen werden. Die Grafiken, die alle in einheitlichen Alurahmen hinter Plexiglas sind, haben aus praktischen Gründen zwei Formate: 85 x 65 Zentimeter oder 50 x 65 Zentimeter. „Es muss nämlich möglich sein, dass man sie auch in der U-Bahn oder in der Straßenbahn leicht transportieren  kann“, betont Nagl. Dazu gibt es auch eigene Transportkartons. Manche Langzeitkunden haben bereits seit Jahren die passenden Haken an den Wänden in ihrer Wohnung und suchen daher ihre Grafiken unter anderem auch nach dem Format aus.

Die Neo-Wienerin aus Berlin ist schließlich fündig geworden, das Format spielt für sie (noch) keine Rolle. Zwei Grafiken nimmt sie dieses Mal für ihre gerade erst frisch bezogene Wohnung mit. Das Prinzip kenne sie aus ihrer Heimatstadt, erzählt sie, doch erst hier in Wien habe sie zum ersten Mal eine Artothek besucht. Sie sei jedenfalls „sehr happy“ mit ihrer Auswahl: „Denn es ist halt doch etwas ganz anderes, wenn man statt Kunstdrucke Originale aufhängen kann.“

 

Die Artothek im MUSA ist von Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr und am Samstag von 10 bis 14 Uhr geöffnet. Bei der ersten Entlehnung ist ein amtlicher Lichtbildausweis und der Meldezettel erforderlich. Gutscheine für die Artothek können ebenso vor Ort erworben werden.

Bettina Fernsebner-Kokert ist freie Journalistin und Autorin. Sie hat als Redakteurin bei der Tageszeitung „Der Standard“ viele Jahre über Wien-Themen berichtet.

Kommentar schreiben

* Diese Felder sind erforderlich

Kommentare

Keine Kommentare