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Ausstellung Face it!
Menschen und Masken
Ist ein Museum „systemrelevant“? Wohl nicht in dem Sinn, wie die meisten den Begriff in der strengen Zeit des Lockdown zunächst verstanden haben. Auch die Standorte des Wien Museums blieben daher ab Mitte März 2020 für Monate geschlossen. Doch selbstverständlich ist ein Museum systemrelevant in dem Sinne, dass Befragungen des „Systems" aus historischer und/oder künstlerischer Perspektive unerlässlich sind für jede offene Gesellschaft. Für das Museum stellte sich jedenfalls von Beginn des Lockdowns an die Frage, wie sich die ungewöhnliche Zeit der „Corona-Krise“ in unserer Museumssammlung wiederspiegeln könnte. Eine Antwort darauf war der viel beachtete Sammlungsaufruf zu „Corona-Objekten“, eine zweite die Beauftragung des Fotografen Klaus Pichler, die menschenleere Stadt zu dokumentieren.
Dazu kam noch der Wunsch, auch die Situation der Menschen in dieser Zeit zu erfassen. Daher hielt die französische Fotografin Elodie Grethen (*1988), die in Wien an der Friedl-Kubelka-Schule für künstlerische Fotografie studiert hat und hier lebt, im Auftrag des Museums das sichtbarste Zeichen der Pandemie – das Tragen von Gesichtsmasken – fest. Parallel dazu wurden Interviews mit den 18 Porträtierten geführt, um die Bilder zu kontextualisieren. Fühlt man sich sicher oder bedroht? Welche Schutzmaßnahmen erachtet man als sinnvoll? Wie wirkt sich die Pandemie auf Beruf und Privatleben aus? Die „Aktion“ fand von April bis Ende Juni statt - also vom strengen Lockdown bis zur weitgehenden Lockerung aller Maßnahmen. Die Antworten sind bereits jetzt „historisch“, denn die Lage hat sich mittlerweile deutlich verändert, und die Statements der Befragten würde heute mutmaßlich teils anders ausfallen.
Grethens Bilder zeigen Menschen nicht nur aus den vielzitierten „systemrelevanten“ Berufen, sondern aus allen Teilen der Bevölkerung. Die Persönlichkeiten hinter der Maske vermitteln Zurückhaltung und Ernsthaftigkeit ebenso wie Zuversicht und Humor. Dass die Porträtserie nun gleich zu Ausstellungsehren kommt, hat mit dem neuen Bauzaun rund um das Wien Museum zu tun, der ab sofort als Ausstellungslocation genutzt wird - rund um die Uhr zugänglich an einem der zentralen Orte Wiens. Zwei Porträtierte seien hier stellvertretend vorgestellt.
„Seit Corona in China ein Thema war, hab ich mich damit beschäftigt. Als dann die ersten Fälle in Italien aufgekommen sind, habe ich begonnen, für die arabische Community in Österreich, mit der ich aufgrund meiner Herkunft sehr verbunden bin, Informationen zu schreiben. Anfang März habe ich in meiner Ordination mit Schutzmaßnahmen begonnen. Und dann bin ich selber erkrankt. Am Montag, den 16. März, habe ich trockenen Husten bekommen, die Ordination geschlossen und nur noch per Telefon mit Patienten Kontakt gehabt. Am Mittwoch war mir klar, dass es Corona sein könnte, denn ich habe hohes Fieber bekommen und plötzliche Erschöpfung. Donnerstag und Freitag waren die Symptome fast weg, freitagabends kam die Atemnot, und am Samstagnachmittag hab ich die Rettung gerufen, weil ich zu Hause keine Möglichkeit hatte, mir Sauerstoff zu verabreichen. Dann war ich für sechs Tage im Kaiser-Franz-Josef-Spital. Ich hatte nie Todesangst, aber ich wusste nicht, wie weit diese Atemnot gehen würde. Jeden Tag kam ein anderes Symptom, einmal Muskelschmerz, dann wieder Geschmack- und Geruchlosigkeit.
Seit dem 9. April darf ich wieder hier in der Ordination arbeiten. Vielleicht ist es für mich leichter, weil ich schon infiziert war. Die Antikörper, die ich habe, sollten mich zumindest einige Monate schützen. Für meine Kinder habe ich Schnelltests, wir sind gut versorgt, und meine Assistentin in der Ordination fühlt sich auch sicher. Ich bin froh, dass ich auch weiterhin für das neunerhaus arbeiten kann, denn die medizinische Versorgung von Obdachlosen ist gerade jetzt extrem wichtig. Corona wird uns noch lange begleiten. Ich habe den Eindruck, dass die Leute schon heute die Sache nicht mehr so ernst nehmen. Dabei wäre es wichtig, die Infektionszahlen so lange wie möglich niedrig zu halten – bis wir Medikamente oder eine Impfung haben."
Rula Al-Harbi ist Ärztin für Allgemeinmedizin, betreibt eine Ordination in Wien-Landstraße und arbeitet für die Obdachlosen-NGO neunerhaus und als Arbeitsmedizinerin für Health Consult (Rotes Kreuz). Das Interview wurde am 27. April 2020 geführt.
„Die Freiheit ist das Wichtigste für den Menschen. Deshalb war für mich die Corona-Zeit sehr schwer. Ich musste zwei Wochen lang in Quarantäne mit 240 Menschen. Das war in einer Klinik im 13. Bezirk, man konnte sein Zimmer nicht absperren, es gab nicht einmal einen Schrank. Mir wurde dort alles gestohlen, Bargeld, Bankkarte, ÖBB-Karte et cetera. Angst hatte ich auch, denn ich wurde schon am Herzen operiert. Aber ich bin Gott sei Dank stark und hatte genug Medikamente. Ich bin sehr froh, dass ich am Handy Internet habe. Denn so konnte ich Filme schauen, sonst wäre ich verrückt geworden in meinem Zimmer.
Jetzt bin ich wieder in Freiheit und habe meine Ruhe. Morgen kann ich endlich das erste Mal seit drei Monaten nach Hause fahren und meine drei Kinder sehen, die in Ungarn leben. Sie arbeiten am Balaton und hoffen, dass bald Touristen kommen. Zu Hause werde ich mich circa zehn Tage erholen, und dann komme ich wieder nach Österreich. Ich verkaufe den Augustin seit zwölf Jahren am gleichen Platz, deshalb habe ich viele Stammkunden. Sie haben auch gekauft, als der Lockdown war und weniger Leute auf der Straße waren, das war also kein Problem. Ich habe keine Angst vor Corona. Wenn ich zurück in Wien bin, dann schlafe ich in einem Arbeiterheim im 17. Bezirk, das kostet 52 Euro pro Woche – dort fühle ich mich sicherer. Ich habe noch etwas Geld gespart, und das kann ich jetzt gut dafür brauchen."
Ernö Horvath arbeitet als Augustin-Verkäufer in Wien. Das Interview wurde am 9. Juni 2020 geführt.
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