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Ausstellung Rosa John
Unergründliche Sonnentaler
Bereits Aristoteles beschrieb im 4. Jahrhundert v. Chr. die Erzeugung eines seitenverkehrten Bildes, wenn Licht durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum fällt – oder wenn sich Lichtstrahlen im Blätterdach einer Platane kreuzen und dabei seitenverkehrte Abbilder der Sonne in den Schatten des Blätterdachs projizieren. Jegliche Kameratechnik beruht auf diesem Naturgesetz.
Die sogenannte Camera obscura wurde ab Ende des 13. Jahrhunderts von Wissenschaftler*innen zur Beobachtung von Sonnenfinsternissen genutzt und man nimmt an, dass Filippo Brunelleschi sie später bei seiner Anwendung der Zentralperspektive verwendet hat. Leonardo da Vinci untersuchte im 15. Jahrhundert ihren Strahlengang und stellte fest, dass sich dieses Prinzip beim Auge wiederfindet. Im Mittelalter gelang es, Linsen zu schleifen, das kleine Loch konnte somit durch eine größere Linse ersetzt und die Kamera ab diesem Zeitpunkt laufend verbessert werden.
Rosa John arbeitet vorwiegend mit Fotografie und Film und beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Prinzip der Camera obscura als Phänomen der Natur. Ihre inhaltlichen Überlegungen kreisen dabei um die Themenfelder Körper, Kulturtechniken und Medienapparaturen. Der aktuelle Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Auseinandersetzung mit dem zentralen Werkzeug im Akt des Fotografierens und Filmens, der Kamera und ihrem „Nährstoff“, dem Licht. Die Öffnung, durch die das Licht einfällt und die Zeit, die es dort verbringt, sind für die Künstlerin ästhetische Quelle und Inspiration, wie Ruth Horak es in ihrem Text zu Rosa Johns Ausstellung beschreibt – und auch der rote Faden, der sich durch ihre Ausstellung „Sonnenwende“ zieht. Alle dafür ausgewählten Bilder und Objekte gehen von dieser Bedingung aus oder lassen sich auf sie zurückführen.
Die Künstlerin sieht zwei Ebenen, auf denen ihre Ausstellung zu rezipieren ist: „Zum einen wäre es für mich schön, wenn die Arbeiten einfach so anregen können, ohne dass man die Hintergründe wissen muss.“ Darüber hinaus sind aber auch Fährten zur Medienreflexion gelegt. Die grundlegende Idee ist das Prinzip der Camera obscura, das uns permanent umgibt, über das man aber kaum Bescheid weiß: „Was macht es mit uns, dass wir im Alltag ständig umgeben sind von Camera obscura-Projektionen? Wir sind nicht sensibilisiert darauf, trotzdem wirken diese Bilder auf einer bestimmten Wahrnehmungsebene auf uns.“
Ihre Arbeiten entstehen aus Forschungen und Beobachtungen dieses Phänomens und dessen Anwendung in der Kameratechnik – einerseits, um bestimmte Momente zu bewahren und andererseits, um sie in etwas anderes umzudrehen, wie John es beschreibt. So hat sie etwa für die Installation „f-stops“ Blendenöffnungen in den heute genormten Blenden-Schritten in Form von Messingscheiben materialisiert oder für die Arbeit „Gläserne Gebilde“ Glaskörper und Prismen gesammelt und aus ihren Teleskopgehäusen geholt und zu Stillleben angeordnet.
Für die analogen Prints „Sonne“ spielt die Künstlerin mit dem Prinzip der Camera obscura, indem sie Sonnenlicht durch löchrige Baumrinden auf die Haut eines Jungen fallen lässt, wodurch sogenannte „Sonnentaler“ entstehen.
Was fasziniert sie trotz mittlerweile jahrelanger Beschäftigung noch immer so an dem Thema? „Es hat etwas sehr Beruhigendes, Harmonisches, aber auch zutiefst Unergründliches an sich“, so Rosa John, „Alles hängt irgendwie zusammen, immer wieder öffnen sich neue Fenster, die mich, fast schon obsessiv, weiterforschen lassen.“
Rosa John, geboren 1982 in Wien / 2007-08 Schule für künstlerische Photographie, Wien / 2009-11 Schule für unabhängigen Film, Wien / Doktoratsstudium der Medienwissenschaft, Universität Wien / 2017 BKA-Startstipendium für künstlerische Fotografie, Wien
www.rosajohn.com
Die Ausstellung „Sonnenwende“ ist noch bis 11. August in der Startgalerie im Wien Museum MUSA zu sehen. Am 5. August um 17 Uhr führt die Künstlerin durch die Ausstellung.
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