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Franka Bindernagel und Alina Strmljan, 9.1.2022

Bezirksmuseum Wieden

Auf den Spuren des Tröpferlbades

Das Gebäude des heutigen Bezirksmuseums Wieden wurde 1893 als Städtisches Volksbad – Wienerisch „Tröpferlbad“ –  errichtet. Als solches war es fast 100 Jahre in Funktion. Im Zuge der Arbeiten zu einer neuen Dauerausstellung wurden die Geschichte des Hauses sowie dessen spezifische Architektur genauer unter die Lupe genommen.

Ein typisches Bezirksmuseum? Liebevoll gestaltete Plakate, wertvolle Originale, Alltagsgegenstände und akribisch befüllte Vitrinen erwarten eine*n in der Klagbaumgasse 4 in Wieden. Nur die gefliesten Wände des Foyers und Stiegenhauses verweisen auf eine weitere Besonderheit des Hauses: es wurde 1893 nicht als Museum, sondern als Städtisches Volksbad – umgangssprachlich „Tröpferlbad“ – errichtet.

Diese spezielle Nutzungsgeschichte des Gebäudes geriet im Laufe der Zeit jedoch in den Hintergrund, so dass im Rahmen von Ausstellungsarbeiten 2020 eine neuerliche Spurensuche begann. Mit historischer und restauratorischer Expertise sollte Licht in die so lückenhafte Baugeschichte gebracht werden: Wie sahen die Räume in Zeiten des Badebetriebs aus? Wieso lässt sich nicht mehr über den Architekten des Hauses herausfinden? Welche Konstruktionstechniken und Baumaterialien wurden verwendet? Und am wichtigsten: Auf welches Jahr lässt sich das Herzstück des Museums – der „original“ erhaltene Duschraum mit seinen weißen Fliesen und den drei Kopfplastiken datieren?

Im ersten Schritt ging es um den Nutzungswechsel vom Tröpferlbad zum Museum. Dieser hängt dicht mit dem Einsetzen der Schließungsphase der zwischenzeitlich oft technisch veralteten Duschbäder ab den späten 1970er-Jahren zusammen. Das Tröpferlbad auf der Wieden stellte 1978 seinen Betrieb ein. Grund war ein Kesselschaden, dessen Behebung sich wegen des veralteten Gebäudezustands und der geringen Anzahl an Besucher*innen nicht mehr lohnte und die Errichtung eines neuen Duschbades in der Rainergasse.

Nach einem zwischenzeitlichen Leerstand stellte die Stadt Wien das Gebäude Anfang der 1980er-Jahre dem ehrenamtlichen Bezirksmuseum Wieden und Rauchfangkehrermuseum zur Verfügung. Die Räume wurden schrittweise für die Museumsnutzung angepasst: Die letzten erhaltenen Einrichtungsgegenstände wie Garderobenschränke, Bänke und Kästen wurden entfernt, Böden und Wandfliesen in den Ausstellungsräumen abgetragen, Fenster und Türen ausgetauscht. Decken und Wände wurden überputzt, gespachtelt und neu gestrichen. Nur der Duschraum für Männer im ersten Stock blieb erhalten und vornehmlich als Galerie für Kunst von Bezirksbewohner*innen genutzt. Was aus der Erbauungszeit des Bades sonst noch erhalten war, blieb in stark reduziertem Umfang unter den Schichten verborgen.

Das Verschwinden der Tröpferlbäder

Die Idee, im Bezirksmuseum Wieden der Geschichte der Wiener Tröpferlbäder einen stärkeren Platz einzuräumen, wurde erst ab den 1990er-Jahren vorangetrieben. In Anbetracht weiterer Schließungen rückte der Stellenwert der Institution Tröpferlbad als spezifischer Teil des kulturellen Erbes der Stadt Wien in das öffentliche Geschichtsbewusstsein – es wurde schlichtweg deutlich, dass ein Stück Wiener Alltagskultur im Begriff war zu verschwinden. In diesem Zusammenhang wurde auch Eva-Maria Höhle, die Generalkonservatorin der Abteilung Wien des Bundesdenkmalamts, auf die Tröpferlbäder aufmerksam. 1994 wandte sie sich an Bürgermeister Helmut Zilk und bat ihn „[d]as auf den ersten Blick vielleicht etwas verschroben anmutende Anliegen des Bundesdenkmalamtes, […] zu prüfen, ob und in welcher Weise die […] so spezifische Institution des Tröpferlbades mit einem Beispiel erhalten werden könnte [...].“ Sie schlug vor, im noch erhaltenen Duschraum im Bezirksmuseum Wieden ein „Tröpferlbadmuseum“ einzurichten. Zilk unterstütze das Vorhaben, worauf zahlreiche Objekte aus dem Bestand anderer, von Schließung betroffener Tröpferlbäder sowie Archivalien der MA44 an das Bezirksmuseum kamen, das heute über den vermutlich größten Bestand an Quellen zu den Wiener Tröpferlbädern verfügt.

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Außerdem erfolgte die Renovierung der Fassade unter Wiederherstellung der bauzeitlichen, neoklassizistischen Gestalt sowie die Umgestaltung der Innenräume für die Museumsnutzung. In diesem Rahmen wurden Objekte aus der Sammlung des Bezirksmuseums – Brausearmaturen, Trittbretter sowie ein Bidet aus dem Tröpferlbad Wiesengasse – in fünf Brausezellen des erhaltenen Duschraums für Männer eingebaut und auch Hinweisschilder und Gedenktafeln.

Das „Tröpferlbad-Museum“ eröffnete schließlich am 28. März 1996. Es wurde jedoch im Laufe der Zeit, so wie auch schon in den 1980er-Jahren, zunehmend als „Tröpferlbad-Galerie“ für Kunst aus dem Bezirk genutzt. Dies hatte letztlich die Folge, dass die Geschichte und ehemalige Funktion des Hauses wieder in den Hintergrund gerieten.

Unter der Lupe: die Geschichte des Tröpferlbades

Im Frühsommer 2020 kam es im Rahmen des Programms „Bezirksmuseen reloaded“ zu einer Kooperation mit dem Wien Museum. Es folgte ein Rechercheprozess, in dem nicht nur die schon oben dargestellte „Museumswerdung“ des Gebäudes, sondern auch die Nutzung des Hauses als öffentliches Duschbad erforscht wurde. Mit einer Förderung durch das Bundesdenkmalamt wurde eine restauratorische Befunduntersuchung veranlasst. Öffnungen an den Wänden und Decken brachten die ursprüngliche Gestaltung der Räume zum Vorschein. Auf dieser Grundlage konnten Studierende der Technischen Universität Wien im Rahmen eines Seminars die einstigen Räumlichkeiten des Bades zeichnerisch rekonstruieren. Zudem konnten sie die Architekten des Gebäudes, Ferdinand Schlimp und Friedrich Kleibl, ausfindig machen. Zuvor war der Bau wegen eines hartnäckigen Lesefehlers in den historischen Quellen einem imaginären Architekten „Schlimpenfeind“ zugeschrieben worden.

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Trennung nach Alter und Geschlecht

Ein wesentliches Dokument zur Klärung der entstehungszeitlichen Nutzung der einzelnen Räume sind die im Stadtbauamt eingereichten Entwurfspläne von Schlimp und Kleibl. Demnach besaß das Haus, welches 1893 als neuntes Volksbad eröffnet wurde, vier Abteilungen, wobei Männer und Knaben im 1. Obergeschoss sowie Frauen und Mädchen im baugleichen 2. Obergeschoss untergebracht waren. Anders als im ersten Tröpferlbad von 1887 wurde hier schon von Anfang an eine „aus Gründen der Sittlichkeit“ notwendige Alterstrennung vorgenommen. Die Unterteilung in 1. und 2. Klasse kam erst um 1925. Der Betriebsbademeister hatte eine Wohnung im Erdgeschoss, wo sich u.a. auch die Kassa und das Wäschedepot befanden. Der Kohle-Heizkessel war im Keller untergebracht, ein Reservoir für das zugeführte Hochquellwasser am Dachboden. All dies wurde durchdacht in die Bausubstanz integriert und ist heute noch zu großen Teilen erhalten (etwa der Schornstein sowie das Schachtsystem in den Wänden).

Technische Innovation im Tröpferlbad

Neben der großen Heizanlage im Keller war auch die gesamte Gebäudekonstruktion sowie die Materialwahl von teilweise innovativen materialtechnologischen Überlegungen beeinflusst: Beim Bau wurde mit dem Ende des 19. Jahrhunderts noch relativ neuen Moniersystem (einem Vorläufer des Stahlbetons) gearbeitet, das Feuchtigkeit besser standhalten konnte als gewöhnliche Holzdecken. Bei den Beschichtungssystemen konnte man auf die ersten Erfahrungen im „Probe-Douchebad“ in der Mondscheingasse zurückgreifen. Dabei wurde zwischen Nass- und Trockenräumen unterschieden. Alle Oberflächen sollten leicht zu reinigen, langlebig und ästhetisch angemessen sein, am besten sogar unbeschichtet bzw. „materialsichtig“, um ein häufiges Erneuern von Anstrichen zu vermeiden.

Nicht immer schon „hygienisch“ Weiß

Heute sind die gesamten Innenräume weiß gestrichen, was vor allem im noch erhaltenen Duschraum einen steril-hygienischen Raumeindruck erzeugt. Restauratorische Untersuchungen haben jedoch viele farbige Details der Oberflächengestaltung zu Tage gefördert. Für die Bauzeit im späten 19. Jahrhundert konnte festgestellt werden, dass es historisch eine deutliche Unterscheidung zwischen öffentlich-repräsentativen Räumen und funktionalen „intimeren“ Duschräumen gab: Der Eingang wies eine Stuckdecke auf und die Wände waren in eine Fries-, Wand- und Sockelzone unterteilt. Das ohnehin typische Gründerzeit-Stiegenhaus mit den zweifärbigen Bodenfliesen war dunkelgrau mit roter Begleitlinie ausgemalt. Das Gestaltungskonzept setzte sich in den Umkleideräumen fort.

Die Duschräume waren hingegen schlicht gehalten, Wände und Decken in einheitlichem Farbton hellbraun gefasst. Die Farbigkeit ergab sich zum Teil aus dem verwendeten Material, wurde aber unter Zugabe von Zinkweiß optisch beeinflusst. Grundsätzlich spielten hygienische, aber auch optische Belange eine Rolle bei der Farb- und Materialwahl. Etwa der dunkelgraue Zement der bauzeitlich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch ungekachelten Duschwände wurde als „unerfreulich und schmutzig“ empfunden.

Erst Mitte der 1920er-Jahre ist mit der Verfliesung der Wände bis zwei Meter Höhe ein völlig neues Gestaltungskonzept in Erscheinung getreten. Die weißen Fliesen, die gelben Bodenplatten und eine hellbeige gestrichene Wand brachten die gewünschte Wirkung von Reinheit und Freundlichkeit. Dazu kamen auch in den Umkleideräumen und im Stiegenhaus mit Hellgrün und Hellgrau deutlich „frischere“ Farben auf die Wände. Die folgenden Jahre setzen diese Tendenz zu blasseren ungegliederten Wandflächen in Beige und Hellgrau fort.

Das gewohnte „Galerie-Weiß“ an den Wänden kam erst mit dem Umbau zum Museum 1995. Ebenfalls nicht aus der Zeit des Gebäudes als Volksbad stammen die den Duschraum schmückenden drei Kopfplastiken aus Gips, deren Herkunft unklar ist.

Aufgrund ihrer Ausbruchspuren lässt sich nachweisen, dass sie aus einem anderen Gebäude entfernt wurden. Im Bezirksmuseum wurden sie erst in den 1980er-Jahren eingebaut und zeigen heute am deutlichsten, dass es sich dabei um einen Ort handelt, an dem mit Tröpferlbad und Museum zwei Nutzungsgeschichten existieren, die mitunter ineinander verfließen. Sie lassen sich zwar historisch getrennt voneinander analysieren, baulich aber nicht klar voneinander trennen – was die geplante museale Vermittlung der Baugeschichte aufgreift und vermitteln möchte.
 

Hinweis:

Derzeit sind im Bezirksmuseum Wieden in der Ausstellung „Die Dusche ums Eck. Zur Baugeschichte eines Tröpferlbads“ die jüngsten bauhistorischen Forschungsergebnisse zum ehemaligen Tröpferlbad in der Klagbaumgasse 4 zu sehen. Die Präsentation wurde von Studierenden der Technischen Universität Wien im Rahmen des Seminars „… und das soll ein Denkmal sein?!“ unter der Leitung von Katharina Roithmeier und Agnes Liebsch für den Tag des Denkmals erarbeitet und vom Bezirksmuseum übernommen.

Die Autor*innen danken Kevin Djavan, Florian Hofstetter, Azra Makic sowie Agnes Liebsch und Katharina Roithmeier für ihre Unterstützung in der Bauforschung.
 

Literaturhinweise:

Beraneck, Hermann: Die Städtischen Volksbäder in Wien. Vortrag gehalten in der Fachgruppe für Gesundheitstechnik am 26. Jänner 1898. In: Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins, 50/12 (1898), S. 191-195.

Kortz, Paul (Hg.): Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Herausgegeben vom Österr. Ingenieur- und Architekten-Verein, Bd. 2, Abschnitt E. Humanitätsanstalten: VII. Badeanstalten, Wien 1906.

L.: Das erste städtische Volks-Douchebad in Wien. In: Wochenschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins, 12/47 (1887), S. 321-322.

Höhle, Eva Maria: Brief vom 1. August 1994 an den Wiener Bürgermeister Helmut Zilk (Wien, BDA-Archiv, Topographische Akten, Mappe 16.767, 1/92).

Schuster & Wenzel (Hg.): Bauten und Constructionen aus Cement und Eisen nach dem patentirten System J. Monier. Wien 1887.

Städt. Bäderbetrieb (Hg.): Die Bäder der Stadt Wien. Wien 1925.

Staufer-Wierl, Edith: „Im Trepferlbod“. Wiener Volksbäder von 1887 bis heute. Nicht publizierte Diplomarbeit an der Universität Wien, Wien 1998.

Wiener Magistriat (Hg.): Das Bäderwesen der Gemeinde Wien. Wien 1928.

Wayss, Gustav Adolf (Hg.): Das System Monier (Eisengerippe mit Cementumhüllung) in seiner Anwendung auf das gesammte Bauwesen. Wien, 1887.

Weyl, Th. (Hg.): Handbuch der Hygiene. 6. Bd. Specielle Bauhygiene, Teil B, Jena 1897.

Winterstein Stefan: Die Gewöhnung einer Stadt ans Baden. Zur Geschichte des Wiener Volksbad-Programms. In: Wiener Geschichtsblätter, Jg. 60/4 (2005), S. 1-14.

Franka Bindernagel studierte Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, wo sie ein Young Professional Stipendium erhielt. Sie arbeitet seit 2006 selbständig im Bereich der Wandmalerei-Restaurierung und hat einen Lehrauftrag an der Akademie der bildenden Künste Wien. Für das Bezirksmuseum Wieden führte sie die restauratorische Befunduntersuchung und Fachbegleitung durch.

Alina Strmljan  studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Gender Studies in Berlin und Wien. Derzeit ist sie Curatorial Fellow am Wien Museum und studiert Kunstwissenschaft an der TU Berlin. Mit Schwerpunkt auf Museumsgeschichte arbeitet sie zu den Verflechtungen von Wissenschaft, Kunst und Erinnerungskultur.

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