Website Suche (Nach dem Absenden werden Sie zur Suchergebnisseite weitergeleitet.)

Hauptinhalt

Berthold Ecker, 29.10.2020

Christoph Donins Werk

Ein Arkadien für Götter und Menschen

Christoph Donin (1930-2013) schuf mit großem technischem Vermögen ein druckgrafisches Werk, das an Gustave Moreau denken lässt. Neben einer leichten, verzauberten Bilderwelt schlägt er auch ernstere Töne an – etwa in dem „Astronauten-Saurier“-Zyklus aus den 80er Jahren, der als früher Kommentar zur Klimakatastrophe gelesen werden kann.

Im Werk von Christoph Donin sind das menschliche Leben und die Mythologie symbiotisch verbunden. Götterbilder werden zu Sinnbildern des alltäglichen Erlebens, Szenen des Alltags zu Paraphrasen auf göttliches Geschehen. Der Archetyp und die archetypische Szene stehen im Zentrum des Interesses. Die Erhabenheit der Natur löst sich in ein luftiges Farbengewölk auf, die Landschaft wird zur puren Malerei, das Landschaftserleben zur Lust am Malakt selbst. Die Freude am Leben äußert sich in Schaffensfreude. All dies erscheint vor dem Hintergrund einer wohligen Melancholie.

Während seines Studiums an der Akademie für Angewandte Kunst in Wien bei  Franz Herberth (1949-1954) ist die stilistische Bandbreite noch sehr weit gehalten. Es finden sich abstrakte Versuche nahe an den Werken des Professors sowie angewandte Themen, wobei die emotionale Ebene nicht selten im Vordergrund des gestalterischen Bemühens steht. Daneben kommt das Interesse am menschlichen Gegenüber in zahlreichen Porträts zu Ausdruck, die durchgehend von einem dunklen, geradezu depressiven Grundton durchdrungen sind. Eine ähnliche Stimmungslage findet sich auch in den frühen Stadt- und Landschaftsdarstellungen. Aber auch Blätter, die in ihrer abstrahiert-verdichteten Emotionalität an zeitgleiche Arbeiten von Kurt Absolon erinnern, sind Teil des Frühwerks. Donin ist als Suchender einer, der dies auf eigenen Wegen tut und nicht unreflektiert dem Meister auf dessen Wegen dynamischer Formgebung 1 folgt. 

So entwickelt er noch in den 1950er Jahren seine eigene Bildsprache mit der Konstante einer, wenn auch gelegentlich an die Grenze zur Abstraktion getriebenen, so doch fast selbstverständlichen Gegenständlichkeit. Mimesis ist hier nur im Sinne einer Annäherung gegeben, als Aufnehmen einer Szenerie primär über den innewohnenden emotionalen Gehalt, zu dem die äußere Erscheinung eine Brücke bilden kann. 

Immer wieder verwendete Donin literarische Vorlagen als Anregungen und gelegentlich auch als direkter Illustrator. Schon in den Mappen der Studienzeit finden sich Blätter zu Christian August Vulpius' Roman Rinaldo Rinaldini, zu Christian Morgensterns Galgenliedern oder Franz Kafkas Prozess und in der Edition Tusch erscheinen später Peter Marginters „Die göttliche Rosl“ (1975) und Friedl Schwarz´“ Der Halbherr“ (1974), beide mit seinen Druckgraphiken bebildert. Auch ohne literarischen Anlass arbeitete Donin gerne in Zyklen und Serien. Im Frühwerk findet sich eine Mappe von Lithographien die sich der Stadt Venedig widmet, später kamen Editionen zum Thema der Europäischen Landschaften, den österreichischen Bundesländern, zu Albert Girauds Pierrot Lunaire (vertont von Arnold Schönberg) oder zum Phänomen des Wassers hinzu. Auch für die Stadt Salzburg entstand eine eigene Mappen-Edition. 

Überspringe den Bilder Slider
Springe zum Anfang des Bilder Slider

Donin war als Schüler von Franz Herberth besonders mit den zahlreichen Variationen und Nuancen der verschiedenen druckgraphischen Möglichkeiten konfrontiert und entwickelte sich bald zu einem hervorragenden Techniker. Die Klasse war groß und hatte viele Schülerinnen und Schüler, die sich zu führenden Künstlerpersönlichkeiten entwickeln sollten. Allen voran sei hier auf Eva Choung-Fux hingewiesen, einer der hervorragendsten Druckgraphikerinnen, die über Jahrzehnte mit unserem Künstler in freundschaftlichem Austausch stand. Von 1953 bis 1956 war Donin Assistent Herberts und wechselte 1959 zu der damals gegründeten Schrollpresse, später Edition Tusch, wo er gemeinsam mit Kristian Sotriffer für die wichtigsten graphischen Editionen der 1960er und 1970er Jahre in Österreich sorgte.

Seine Rolle als Leiter der Werkstätte und als brillanter Drucktechniker verstellt allerdings in den bisherigen Betrachtungen seines Werks den Blick auf die eigentliche künstlerische Leistung. Dem großen technischen Vermögen steht eine faszinierende, verzauberte Bildwelt gegenüber, eine Welt voller Anspielungen und Leichtigkeit, aber auch von einer Symbolträchtigkeit, die Donin gleichsam zum Gustave Moreau der Wiener Szene macht. Narrative Elemente aus den Werken von Picasso, Chagall und Modigliani bilden Anhaltspunkte seines Gestaltens und auch zu den feinen, aquarellierten Akten Rodins besteht eine gewisse Nähe. Manche der frühen Blätter lassen den Vergleich zu zeitgleichen Arbeiten Arik Brauers zu, wie überhaupt das Werk gelegentlich im Umfeld der Wiener Schule des Phantastischen Realismus gesehen wurde. Doch sind die Überschneidungen und Ähnlichkeiten gar zu oberflächlich um den Verdacht nach einer solchen Verwandtschaft zu erhärten. Donin kannte die Kunstgeschichte und nutzte sie spielerisch. Trotz großer Belesenheit und intellektueller Scharfsicht, die doch zu einiger Skepsis am homo sapiens berechtigen würden, ist er ein wohlwollender Menschenfreund geblieben. Groteskes und Bizarres aber jedenfalls Allzumenschliches gerät bevorzugt unter die Lupe dieses Menschenfreundes, der Faune, Nymphen und verschiedene Göttinnen bereits in den 1950er Jahren zur Verdeutlichung irdischer Vorgänge auftreten lässt. 

Überspringe den Bilder Slider
Springe zum Anfang des Bilder Slider

Die Bildwelt von Christoph Donin ist auf gewisse Weise anachronistisch und doch steht seine Kunst mitten im modernen Leben, dem er mit feiner Radiernadel und spitzem Stift auf den Zahn fühlt. Geister, Göttinnen und Götter werden zu Schauspielern der doninschen Bühne und offenbaren archetypische menschliche Verhaltensmuster. wie sie uns in den Mythen zur Allgemeingültigkeit erhoben entgegentreten. 

Die kleinteilig strukturierten, offenen Bildgefüge bergen häufig eine Gestalt der Mythologie. Die Körperformen dieser Halb- oder Ganzgöttinnen lösen sich derart weitgehend ins Blattwerk der Bäume oder Büsche auf, dass der an solchen Werken geschulte Blick nun verunsichert zu suchen beginnt, wenn diese Gestalt nicht gleich zu finden ist. Und ist sie wirklich nicht zu sehen, dann ist sie doch da, ist sie als beseelte Natur anwesend und lächelt verschmitzt über den/die verunsicherte(n) Betrachter(in), so wie der Künstler selbst, der sein Publikum gerne in eine wohlmeinend aufgestellt Falle tappen lässt. Ironie ist ihm ein Lebenselixier, das alles und jedes durchdringt und sein Symbolismus nie eindeutig und stets aus ganz persönlichen Fantasien gesponnen. 

Die Astronauten-Saurier Geschichte

Datierungen sind im Oeuvre selten zu finden und so ist es angesichts der konstanten Themen und einer nur sehr fein sich verändernden Handschrift schwierig, eine sichere, detaillierte Chronologie zu erstellen. Spätestens in den 1960er Jahren tauchen die ersten Dinosaurier – später auch Tatzelwürmer genannt als Akteure in bukolischen Szenen auf. Sie erscheinen nie gefährlich, fungieren eher als drollige Darsteller, die nicht zuletzt darauf hinweisen, dass die gezeigten Geschichten eben   wie theatrale Aufführungen zu verstehen sind. Sie erscheinen als Lebewesen aus dem Erdaltertum und sind Sinnbilder einer zeitlichen Loslösung hin zu allgemeiner Gültigkeit. Auch wenn in manchen Szenen die Erinnerung an das Maul des Leviatan wach wird, herrscht dennoch galantes Treiben. Die charmante Unterhaltung im Schlund der Hölle legt den Schluss nahe, dass die Damen und Herren sich ihrer Situation nicht wirklich bewusst sind.

Saurier und Drachen finden sich bis in die späteste Schaffensphase. Sie tanzen mit den Damen, lassen sich liebkosen, dienen als Verkleidung für den Göttervater, musizieren und räkeln sich in der Sonne. Gefährlich scheinen sie jedenfalls in ihrer sympathischen Tollpatschigkeit nicht zu sein. Eher sind sie als Avatare des männlich-menschlichen Handelns zu verstehen.

Wann genau Donin mit seiner großen Geschichte zu den Astronauten-Sauriern begonnen hat, lässt sich nicht sagen, es muss aber irgendwann in den 1980er Jahren gewesen sein, da der Zyklus 1989 in einer Ausstellung 2 präsentiert wurde. Von einer Entstehung in den Jahren unmittelbar davor ist also auszugehen. Somit ist diese künstlerische Stellungnahme zur (damals noch) drohenden Klimakrise, die sich mittlerweile zur Klimakatastrophe ausgewachsen hat, relativ früh entstanden. In den 1980er Jahren stand noch der saure Regen und ganz allgemein die Umweltbewegung im Vordergrund. Aus dieser Motivation heraus scheint auch die Geschichte von den Sauriern entstanden zu sein:  Mehr oder weniger zufällig kreuzen sie mit ihrem Raumschiff die Laufbahn der Erde und bekommen dabei an Bord von einem „Spielecomputer“ die Geschichte der Saurier auf dem Planeten erzählt. Sie ist in der Urzeit angesiedelt und berichtet, wie die Saurier allmählich die Erde erforschen und es sich immer bequemer in ihr einrichten. Dabei übersehen sie aber, dass die unbeschränkte Nutzung und Ausbeutung der Natur letztlich in den Untergang führt. Am Schluss explodiert die ganze Szenerie und nie wieder sollte man etwas von den Sauriern hören. Das Schlussblatt berichtet: „Jetzt sollen Menschen den Planeten Erde bewohnen. Diese sind sicher viel klüger“. Dieses Ende mit seinem ironisch-traurigem Lächeln ist typisch für das gesamte Werk von Donin, das von Empathie, nobler Zurückhaltung und mitschwingender Ironie charakterisiert ist.

Gerade im Jahr der Corona-Pandemie, die uns zum ersten Mal seit Jahrzehnten drastisch vor Augen führt, dass auch für die hochentwickelten Länder das sichere und einigermaßen komfortable Leben nicht in Stein gemeißelt ist, sollte uns die Geschichte von den gierigen Sauriern eine Mahnung sein. Mit diesem Sinnbild erzählt uns Christoph Donin von der natürlichen Notwendigkeit, als Teil der Natur zu agieren, auf alle Lebewesen und Dinge zu achten und so einen gesunden Austausch im gesamten Organismus des Lebens zu ermöglichen. Damit sind auch die Astronauten-Saurier keine Außerirdischen aus der Urzeit, sondern sie leben auch heute unter uns!
 

Christoph Donins geheimnisvolles Werk war mir dank der Sammlung der Stadt Wien – MUSA seit langem bekannt. Ich habe ihn scherzhaft immer als den Gustave Moreau von Wien bezeichnet, weil seine zauberhaften Geschichten wie bei kaum einem anderen voller Symbolik und märchenhafter Spannung sind. Erst spät konnte ich diesen überaus liebenswerten, feinen Menschen persönlich kennen lernen. Auf Vermittlung von Freunden wie Eva Choung-Fux und Luise Buisman kam ein Besuch zustande. Donin, damals schon schwer von Krankheit gezeichnet, suchte einen guten Ort für sein Werk. So kamen wir in seinem Atelier überein, das Oeuvre nach einer eingehenden Sichtung in Hauptteilen für die Sammlung der Stadt Wien-MUSA zu übernehmen. In dieser Schenkung waren etliche Gemälde einschließlich der gemalten Decken seines Ateliers und eine sehr große Anzahl von Grafik enthalten. Auch die Druckstöcke, Kupfer und Acrylglasplatten kamen in die Sammlung des MUSA und mit dessen Angliederung an das Wien Museum. Derzeit befindet sich dieses ausnehmend umfangreiche Konvolut, das uns in die Lage versetzt, das Werk in allen seinen Facetten von den ersten Versuchen bis zu den letzten unvollendet gebliebenen Stücken zu studieren, in Aufarbeitung. Eine chronologische und inhaltliche Gliederung hilft beim Verstehen des Oeuvres. Nach abgeschlossener Inventarisierung wird ein Werk vorliegen, das bisher nur in Auszügen bekannt war und seinen gebührenden Platz in der Wiener Kunstgeschichte einfordert. 

Bisher gab es keine adäquaten Publikationen zum Künstler, weswegen sich Semirah Heilingsetzer, in Kooperation mit der Witwe Gerti Donin und Donins ehemaliger Verlagskollegin Brigitta Bayer, dazu entschlossen hat, anlässlich seines 90. Geburtstages im Jahr 2020 ein erstes Donin-Buch herauszugeben. Die Publikation beinhaltet Beiträge von Brigitta Bayer, Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Berthold Ecker, Semirah Heilingsetzer und Rudolf Schönwald. Im Zentrum dieses Bandes steht das Gleichnis von den Dinosaurier-Astronauten, die vor undenklichen Zeiten aus Gier den Planeten fast und sich selbst ganz zerstört hatten. Dieser Druckgraphik-Zyklus ist nun auch Teil der Sammlung des Wien Museums.  
 

1  Patrick Werkner, Franz Herberth . Zu Leben, Lehre und Werk, in: Erika Patka (Hrsg.), Franz Herberth. Neue Dimensionen der Druckgraphik um 1950, Universität für Angewandte Kunst Wien 2003, S. 8.
2 Ausstellung in Eisenstadt, Schloss Esterhazy 1989

Berthold Ecker, Kunsthistoriker, Schwerpunkt im Bereich zeitgenössischer Kunst, 2003-2017 Kunstreferent der Stadt Wien, seither Kurator für zeitgenössische Kunst des Wien Museums. 2007 Gründung des MUSA - Museum, Startgalerie, Artothek. Ausstellungen und Publikationen zur Österreichischen Kunst seit 1945.

Kommentar schreiben

* Diese Felder sind erforderlich

Kommentare

Keine Kommentare