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Ingrid Holzschuh und Sabine Plakolm-Forsthuber, 21.10.2021

Das Haus der Mode in der NS-Zeit

Wien als „Reichsmodestadt“

Ein Schwerpunkt des nationalsozialistischen Wirtschaftsplans lag auf der Stärkung der Textilindustrie und der Förderung der „Wiener Mode“. Bereits vor 1938 zählte die Ausfuhr von Textilien zu den wichtigsten Exportprodukten von Fertigwaren. Ein Einblick in ein Kapitel des Forschungsprojekts zur NS-Kunstpolitik in Wien, dem aktuell im Wien Museum MUSA eine Ausstellung gewidmet ist.

Ziel der Nationalsozialisten war es, Wien nach dem „Anschluss“ zur deutschen Modestadt zu machen. Man dachte nicht so sehr an die Konzentration der Herstellung, sondern an zentrale jährliche Modeschauen, die Gründung einer Mode-Akademie sowie die Förderung des gesamten Marketings der Mode (Zeitschriften, Verlage). Bei der Neukonzeption und Definition der Aufgabenbereiche des Kulturamtes betonte dessen Leiter Hanns Blaschke, die Mode sei „bei uns etwas Gewachsenes“ und müsse „nicht erst durch künstliche Maßnahmen gepflanzt und gezüchtet werden. Bei uns sprudelt alles von selber aus dem Formgefühl der talentierten Wienerinnen und unseres talentierten Kunstgewerbes“. Man müsse nur richtunggebend und fördernd eingreifen.

Im Sommer 1938 beabsichtigten Bürgermeister Hermann Neubacher, Hans Harald Rath – seit 1938 Inhaber der traditionsreichen Firma Lobmeyr für Glaserzeugung – sowie der Ratsherr und Sachberater für Mode im Kulturamt, Günther Ohnheiser, die Gründung einer „Gesellschaft zur Förderung der Wiener Mode und Geschmacksindustrie“. Als zentrale Fragen erachtete man die Schulausbildung, die Errichtung einer „Reichsakademie für Mode und Geschmack“ und des „Hauses der Mode“. Den erhaltenen Akten zufolge war die Stadtverwaltung bestrebt, den Einfluss des „Altreiches“, insbesondere des „Deutschen Modeinstitutes Berlin“ zurückzudrängen. 

Josef Hoffmanns Bemühungen zur Errichtung eines Wiener Modeamtes stießen bei den Nationalsozialisten auf fruchtbaren Boden, denn aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung war es im Parteiprogramm des Wiener Bürgermeisters fest verankert. Bereits im Sommer 1938 wurde die Gründung eines Vereins initiiert, der nach Verfügung des Stillhaltekommissars vom 16. August 1938 durch die Überführung des Niederösterreichischen Gewerbevereins und des Hauptverbands der textilverarbeitenden Gewerbe in das „Haus der Mode in Wien. Gesellschaft zur Förderung der Mode und des Geschmacksgewerbes“ entstand. Die Aufgabe des Vereins lag in der Förderung der „schöpferischen Leistung“, der „Erzeugung“ und des „Absatzes“. Parallel dazu wurde vom Reichskommissar für die Wiedervereinigung, Josef Bürckel, Mitte Juli 1938 das „Referat III / B Mode und Geschmacksindustrie“ gegründet, das das Pendant zum Haus der Mode auf Reichsebene war und eng mit diesem kooperierte. Präsident des Vereins war der Bürgermeister der Stadt Wien, Hermann Neubacher, und als Vizepräsident stand ihm Gauwirtschaftsberater Walter Rafelsberger zur Seite. Die Finanzierung erfolgte aus dem städtischen Budget. Hauptgeschäftsführer war der Blutordensträger und Ratsherr Günther Ohnheiser, ein treuer Parteifunktionär. Mit Ohnheisers Doppelfunktion als Leiter des Modeamtes und Sachberater für Mode im Kulturamt wurden die städtischen Agenden der Modewirtschaft bei einer Person gebündelt.

Als künstlerischer Leiter wurde Alfred Kunz (1894 – 1961) engagiert. Kunz besuchte nach Abbruch der Realschule die Akademie der bildenden Künste in Düsseldorf. Ab 1918 war er an fast allen Wiener Theatern als Bühnenbildner und Kostümausstatter tätig und arbeitete für VITA-Film, WIEN-Film und FORST-Film als Filmausstatter. Parallel zu seiner Leitungsfunktion im Haus der Mode nahm er wesentlichen Anteil an der 1939 erfolgten Umgestaltung der Wiener Frauenakademie in eine Kunst- und Modeschule. Da durch die neue Institution des Hauses der Mode auch die Ausbildung eine größere Bedeutung erlangte, kam der Modeschule eine wichtige Funktion und Kunz eine bedeutende Vermittlungsrolle zwischen Lehre und Praxis zu. So lag es nahe, dass er nach Ende des Krieges im September 1945 von der Stadt – als Kenner der Institution – zum Direktor (1945 – 1955) der Schule berufen wurde. Kunz war ebenso maßgeblich am Aufbau der Modesammlung des Wien Museums beteiligt. Für seine Verdienste erhielt Kunz 1945 den Titel des Professors und 1949 den Preis der Stadt Wien. Er starb 1961 in Wien.

Sowohl durch die Installierung des Hauses der Mode als auch die Gründung der Kunst- und Modeschule bekam der Beruf der Modezeichner*innen in Wien eine prestigeträchtige Aufwertung, die sich berufsständisch durch die Aufnahme in die Reichskammer der bildenden Künste abzeichnete.

Durch die Pflichtmitgliedschaft ist im Archiv der Berufsvereinigung eine große Anzahl an Mitgliederakten von Wiener Modezeichner*innen überliefert, die in der Fachgruppe Gebrauchsgraphik vertreten waren. Für Modezeichner*innen war das Haus der Mode nicht nur ein lukrativer Arbeitgeber, sondern ein ebenso wichtiger Knotenpunkt des beruflichen Netzwerkes, in dem zum fachlichen Austausch auch gemeinsame Zeichen- und Diskussionsabende organisiert wurden.

Für den Sitz der neuen städtischen Institution wählte man das in der Inneren Stadt gelegene Barockpalais Lobkowitz, das sich im Besitz der in der Tschechoslowakei lebenden Familie Lobkowitz befand und 1939 von den Nationalsozialisten „arisiert“ wurde. Die neuen Eigentümer begannen umgehend, das Gebäude für ihre Zwecke zu adaptieren, ein repräsentatives Haus der Mode sollte geschaffen werden. Der Planungsauftrag ging an Josef Hoffmann, der in einem Interview für die Zeitschrift Wiener Mode seine Pläne beschrieb: „Im kleinen Hof wird ein Ausstellungsbüro geschaffen, hier können fürs Ausland bestimmte Modeausstellungen vorbereitet werden [...]. Der große Hof bekommt eine Gartenanlage und als stilgemäßen Schmuck eine Barockfigur. [...] Ein kleines, behagliches Restaurant wird im ersten Stock untergebracht. Daneben finden die Mannequins hier ihre vorbildlich eingerichteten Garderobenräume. Das zweite Stockwerk mit seinen weitläufigen Räumen wird der Verwaltung und der künstlerischen Leitung vorbehalten. Auf der einen Seite der Trakt für Künstler und Architekten und gleich daneben die große Fachbibliothek. [...] Bisher gab es noch keine solche Bibliothek der Mode in Wien, eine wichtige Lücke wird also ausgefüllt.“ Die Adaptierungs- und Neugestaltungsarbeiten waren bis 31. Jänner 1940 abgeschlossen.

Die erste offizielle Veranstaltung des neuen Hauses der Mode erfolgte anlässlich des „Balls der Mode“, der am 9. Februar 1939 in den Sälen des Konzerthauses stattfand. Carl Witzmann zeichnete für die Gestaltung der Ballräume verantwortlich, die er mit „Blausamt und Pastellseide“ ausstattete. Insgesamt wurden 60 Modelle vom Haus der Mode vorgeführt, „die in betont wienerischer Note die kommende Mode für Frühjahr und Sommer auf der Straße und beim Sport, im Beruf und in der Gesellschaft“ präsentierten. Die offizielle Eröffnung des Hauses der Mode im Palais Lobkowitz fand wenige Tage darauf, am 22. Februar 1939, im Marmorsaal statt. Neben dem Wiener Stammhaus entstanden in der Folge mehrere Außenstellen mit Verkaufs- und Schauräumen – u. a. in Prag und Gastein.

Modeschauen und Ausstellungen

Die wichtigste Aufgabe des Hauses der Mode lag in der Vermittlung zwischen Produktion und Absatzmarkt, die in erster Linie durch Modeschauen in- und außerhalb des Hauses erfolgte. In der Architektur des Barockpalais fanden die Nationalsozialisten eine entsprechende repräsentative Bühne. Neben den hausinternen Modeschauen waren die zweimal im Jahr veranstalteten Wiener Modewochen, bei denen die Kollektionen des gesamten Wiener Modeschaffens gezeigt wurden, das wichtigste heimische Präsentationsformat.

Aneignung der Zeitschrift Wiener Mode

Die bereits seit 1888 herausgegebene Zeitschrift Wiener Mode wurde im Nationalsozialismus vom Haus der Mode übernommen und erschien ab November 1938 unter neuer Schriftleitung.  Die hauptsächlich aus Illustrationen bestehende Modezeitschrift wurde von Modezeichner*innen gestaltet, die eng mit dem Haus der Mode zusammenarbeiteten und die modische Linie illustrierten.

Übernahme auf Reichsebene

Die Berufung des neuen Gauleiters Baldur von Schirach nach Wien und seine ehrgeizigen Pläne, u. a. Wien zur „Reichsmodestadt“ zu machen, führten zu einer Umorganisation der Institution. Das Haus der Mode wurde von der Deutschen Arbeitsfront übernommen und der Vorstand aufgelöst, wodurch es organisatorisch und personell nicht mehr kommunal verwaltet, sondern in die Reichsplanung einbezogen wurde und die Unabhängigkeit nur mehr formell gegeben war. 

Ab nun wurde der Präsident des Vereins vom „Reichsstatthalter in Wien im Einvernehmen mit dem Modebeauftragten des Führers“ berufen. Schirachs Bemühungen, die Wiener Absolventin der Schwarzwaldschule, Adolf-Loos-Schülerin und Leiterin des Modeamtes der Stadt Frankfurt, Margarethe Klimt, als neue künstlerische Leiterin abzuwerben, scheiterten – wie so viele andere Pläne der Nationalsozialisten, die aufgrund des fortschreitenden Krieges eingestellt werden mussten. Bereits 1940 musste man aufgrund der Stoffrationierungen um Sondergenehmigungen zum „Ankauf von Stoffen für die Wiener Modesalons“ ansuchen. Die Aktivitäten des Hauses der Mode nahmen immer mehr ab und schon im Frühling 1943 wurde es zur „Kriegswirtschaftsstelle Bekleidung“ umbenannt und im Sommer 1944 zur Gänze der Rüstungsindustrie unterstellt.

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Liquidierung nach 1945

Nach dem Zerfall des NS-Regimes wurde im Gegensatz zur Kunst- und Modeschule der Stadt Wien die Institution „Haus der Mode“ liquidiert. Wie aus einem Lagebericht des Hauses der Mode vom 12. Mai 1945 an das Kulturamt hervorgeht, waren während des Krieges die Bestände des Modemuseums in der Hofburg und die der Modebibliothek in einem Schloss bei St. Pölten eingelagert. Das Vereinsvermögen fiel schließlich an das Wirtschaftsförderungsinstitut der Bundeshandelskammer und die Subventionen der Stadt Wien wurden zurückgezahlt. Oswald Haerdtl richtete im Namen des Wiener Kunsthandwerkvereins im Juli 1945 ein Schreiben an das Kulturamt, in dem er auf die Bedeutung der Sammlung des Hauses der Mode hinweist und ersuchte, diese in das Staatliche Kunstgewerbemuseum zu überführen. Haerdtl verwies auf die „grosse Anzahl an Druckmodeln für handbedruckte Textilien und ca. 4 Handwebestühle samt Rohmaterialien“, die sich nun im Besitz der Handwerkskammer befänden und – wenn nötig – auch vom Verein angekauft werden würden. Auch der ehemalige künstlerische Leiter und Geschäftsführer des Hauses der Mode, Alfred Kunz, der mittlerweile Direktor der Modeschule war, setzte sich 1946 für die „leihweise Übergabe“ der Modebibliothek und der Modesammlung ein, dem schließlich auch seitens der Handelskammer zugestimmt wurde. Heute befinden sich die Sammlung und die Modebibliothek im Wien Museum, wo diese einen bedeutenden Teil der Modesammlung bilden. Die Akten und Archivalien wurden dem Wiener Stadt- und Landesarchiv übergeben.

 

Dieser (leicht gekürzte) Text stammt aus der Publikation „Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien. Die Reichskammer der bildenden Künste“. Die Publikation wurde von den beiden Autorinnen herausgegeben und erscheint anlässlich der Ausstellung „Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien“, die bis 24. April 2022 im Wien Museum MUSA zu sehen ist.

Literaturhinweise:

Siegfried Mattl: Nationalsozialistische Wirtschaft, in: ders., Gottfried Pirhofer, Franz J. Gangelmayer: Wien in der nationalsozialistischen Ordnung des Raums. Lücken in der Wien Erzählung (VWI Studienreihe, hg. vom Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien, Bd. 3), Wien 2018, S. 61 – 94

Jürgen Nautz: Die Entwicklung der Handelsbeziehungen Österreichs zu den anderen Nachfolgestaaten nach dem Ersten Weltkrieg, in: Wirtschaft und Gesellschaft 18 (1992) 4, S. 539 – 559

Eduard F. Sekler: Josef Hoffmann. Das architektonische Werk. Monographie und Werkverzeichnis, Salzburg, Wien 1982

Gloria Sultano: Wie geistiges Kokain ... Mode unterm Hakenkreuz, Wien 1995

Ingrid Holzschuh, Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien, Promotion 2011. Seit 2010 als freie Kunsthistorikerin und selbstständige Ausstellungskuratorin sowie Museumsberaterin tätig. Lehrtätigkeit an der Universität Wien und Technischen Universität Wien. Projektmitarbeiterin sowie Projektleiterin in diversen Forschungsprojekten. Forschungsschwerpunkt: Architektur und Städtebau des 20. Jahrhunderts.

Sabine Plakolm-Forsthuber, Studium der Kunstgeschichte und Italienisch an der Universität Wien und Perugia, Promotion 1986 an der Universität Wien, 2000 Habilitation im Fachbereich Kunstgeschichte an der Technischen Universität Wien. Ao. Univ.-Prof. für Kunstgeschichte an der TU Wien. Publikationen und Forschungen im Bereich der österreichischen Kunst und Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere über Künstlerinnen und Architektinnen, Ausstellungsgeschichte und -architektur, zur Architektur des Otto-Wagner-Spitals in Steinhof sowie über Florentiner Frauenklöster von der Renaissance zur Gegenreformation.

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