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Die 387 Häuser des Peter Fritz
Ein Fundus an Ideen
Wie kam es zu den Fritz-Häusern?
Ich habe in den 90er Jahren an der Angewandten studiert, und es war die Zeit, in der wir alle von Peter Weibel und seinem Postulat vom Kunstwerk ohne Künstler, d.h. ohne Handschrift eines Künstlers, geprägt waren. Ich habe damals zufällig bei einem Altwarenhändler im 5. Bezirk zehn Modellhäuser von Fritz entdeckt. Ich war so fasziniert, dass ich sie gleich kaufen wollte, da meinte der Händler, er habe noch zehn Säcke voll, die aus einem Nachlass stammen. So bin ich in die Sache hineingekippt. Wir haben lange über den Preis verhandelt, und ich habe letztlich alle 387 Häuser gekauft, und zwar um 7.500 Schilling, was damals viel Geld war.
Und dann?
Dann lag das Material eine Weile in meiner Wohnung herum. Der Altwarenhändler hat mich erneut kontaktiert und gemeint, es seien noch Dias aus dem gleichen Nachlass zu haben: So bin ich auf den Urheber der Häuser gekommen. Die Bilder zeigen Peter Fritz auf Urlaub, häufig gemeinsam mit seiner Frau und einer Kollegin. Auf diesen Fahrten mit einem VW-Käfer, die ihn nach Salzburg, an den Bodensee oder zum Oktoberfest geführt haben, dürfte er sich die Inspiration für seine Häuser geholt haben. Dass es diese Modellhäuser gab, hat sich bald rumgesprochen. Immer wieder sind Leute zu mir gekommen, um sie anzusehen, unter anderem auch Hans-Ulrich Obrist (einer der einflussreichsten Kuratoren für zeitgenössische Kunst, Anm. d. Red.) Zum ersten Mal gezeigt wurde ein Teil in der Ausstellung „Wir Häuslbauer“ im Architekturzentrum. Das war 1998.
Aber damals wurden sie als Illustration dafür gezeigt, wie gesichtslose Architektur den ländlichen Raum prägt. Wie wurde aus den Fritz-Häusern ein Kunstwerk?
Ich bin nach Berlin gezogen und hab die Häuser mitgenommen. 50 Stück wurden dann im Pavillon der Volksbühne gezeigt. Das war zum ersten Mal, dass sie in einem anderen Kontext zu sehen waren. Und in Berlin habe ich Oliver Elser getroffen, der einen Kontakt zur dortigen Technischen Universität hatte.
Es war von Anfang an die Stärke der Fritz-Häuser, dass sie in unterschiedlichen Richtungen funktionieren. Mal mehr im Architektur-Umfeld, dann wieder als Kunst. Als wir an der TU in Berlin zum ersten Mal alle Häuser präsentiert haben, war das allein schon durch die schiere Masse beeindruckend: Sie standen in einem von uns entworfenen 90-Laufmeter-Regal mit vier Ebenen. Nach dieser Ausstellung ging es Schlag auf Schlag. 2001 die Publikation im Verlag Hatje Cantz sowie die Ausstellungen im Wiener Volkskundemuseum und im Deutschen Architekturmuseum, danach u.a. 2006 Berlin Biennale, 2009 Fifty-Fifty-Ausstellung im Wien Museum, 2013 Kunstbiennale in Venedig, 2016 im New Museum in New York …
Parallel dazu haben wir die sogenannte Fritzforschung initiiert. Das heißt, wir haben Leute aus unterschiedlichen Disziplinen eingeladen, sich mit dem Phänomen auseinanderzusetzen. Mit dabei waren u.a. Joep van Lieshout, Burkhart Spinnen, Peter Fischli oder Michael Zinganel. Auch die Fritzforschung wurde so zu einem Teil des Kunstwerks.
Wie ernst ist das Werk von Peter Fritz zu nehmen?
Uns ging es von Anfang an darum, zu sagen: Wir nehmen ihn ernst als Architekten. Bei seinen Entwürfen findet man eine hohe Sensibilität, in der sich ein genauer Blick auf den Alltag mit Ironie und Witz verbindet – ob bewusst oder unbewusst. Wir sind sogar so weit gegangen, dass wir einzelne Entwürfe tatsächlich realisieren lassen wollten und dafür Bauherren gesucht haben. Uns haben die Entwürfe von Peter Fritz zum Beispiel an das Frühwerk von Herzog & de Meuron erinnert. Das war für einige natürlich eine ungeheure Provokation! In Deutschland und Österreich wurde uns vorgeworfen, dass wir eine Architektur promoten, die abzulehnen sei, weil sie die Provinz und die Peripherie verschandle. Dabei ist das ein Missverständnis. Es geht – für uns – um die Aufhebung der Grenzen von Hochkultur und populärer Kultur, nicht um das Lob der „Verhüttelung“. In der Schweiz ist man viel offener mit unserer Haltung umgegangen. Ich bin übrigens überzeugt, dass es heute viel einfacher ist, diese Art von Architektur zu mögen als noch vor zwanzig Jahren – nicht zuletzt weil man sich heute wieder für die Bauten der Postmoderne interessiert.
Wie wichtig ist es, welche Anzahl von Fritz-Häusern in Ausstellungen gezeigt werden?
Wir agieren bei Ausstellungen als Masters of Ceremony. Es ist letztlich total offen: Es kann ein einzelnes Haus in einer Galerie genauso funktionieren wie die schiere Masse von vielen. Was mir wichtig ist: Es muss nicht künstlich zu Kunst gemacht werden. Es steckt viel Zeitgeschichte drinnen und es macht Spaß, die Häuser anzusehen. Man muss nicht viel Zugang schaffen: Es spricht die Menschen unmittelbar an.
Noch ein Wort zu Peter Fritz: Wie relevant sind die Informationen über ihn? Wie weit wolltet Ihr beim Nachforschen zu seiner Biografie gehen?
Wir haben seinen Schwager getroffen, eine Arbeitskollegin kam zur Ausstellung ins Volkskundemuseum. Wir sind zum Sommerhaus ins Burgenland gefahren, wo wir Nachbarn getroffen haben. Aber letztlich haben die persönlichen Kontakte nicht viel gebracht. Entscheidend ist, dass es die privaten Dias aus seinem Nachlass gibt, die genug Einblicke ermöglichen.
Peter Fritz ist in diesem Projekt immer präsent. In der Publikation „Sondermodelle“ gab es mehrere Doppelseiten mit seinen Dias. Die hätten wir natürlich auch ausweiten und kommentieren können. Aber wir wollten die Person nicht überstrapazieren, denn sonst geriete alles in die Schublade mit dem Label „Outsider Art“.
Die Fritz-Häuser gehören seit 2007 zur Sammlung des Wien Museums und sind hier die am häufigsten angefragte Leihgabe im Bereich zeitgenössischer Kunst. Wie kam es dazu, dass das Wien Museum das Kunstwerk erworben hat?
Den Kontakt zum damaligen Direktor Wolfgang Kos gab es schon vor der Berlin Biennale 2006. Diese Ausstellung war dann eine Art Ritterschlag für das Projekt. Und das große Interesse von Kos hat schließlich dazu geführt, dass das Museum das Kunstwerk angekauft hat. Wobei ich mich gut erinnere, dass Kos damals eine interne Sitzung für die Kuratorinnen und Kuratoren des Hauses organisiert hat. Er wollte, dass wir ihnen erklären, was wir da getrieben haben, was es mit diesem Projekt auf sich hat. Das war schon eine spezielle Situation. Aber ich denke, dass wir die anfängliche Skepsis ganz gut entkräften konnten. Übrigens hält sich bis heute das Gerücht, wir hätten die Häuser alle selber gebaut.
Alle 387 Häuser des Peter Fritz sind in unserer Online Sammlung zu sehen.
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