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Christoph Freyer, 30.8.2020

Die ehemaligen Bäder am Donaukanal

Schwimmen im Strom

Derzeit wird in Wien versucht eine alte Tradition wiederzubeleben – das Baden im Donaukanal. Obwohl der neue Trend das freie – und seit kurzem wieder behördlich erlaubte – Schwimmen im Donaukanal meint, soll hier kurz die Geschichte der ehemaligen Bäder am Donaukanal genauer beleuchtet werden.

Genau genommen ist das Schwimmen in der Donau bereits mehrere hundert Jahre alt. Bereits 1538 erwähnt der Schweizer Nicolaus Wynmann in seinem Schwimm-Lehrbuch „Colymbetes, Sive De Arte Natandi“ Wiens Gewässer. Im Jahr 1545 wurde sein Buch beim Tridentinischen Konzil auf den Index gesetzt, also von der Kirche verboten, da Wynmann den Frosch als Vorbild für den Bewegungsablauf propagierte. Nachdem das freie Schwimmen und Baden sowohl von kirchlicher als auch von staatlicher Seite durch die Grundherren für lange Zeit unterbunden war, kam es erst mit der neuerlichen Änderung der Einstellung zur Körperlichkeit im 17. und 18. Jahrhundert zu einer Wiederentdeckung des Schwimmens. Hier seien nur die theoretischen Schriften von John Locke, Henri Rousseau und Johann Heinrich Pestalozzi zu erwähnen. Um 1800 setzten sich in Wien vor allem die Ärzte Pascal Joseph Ferro, Johann Peter Frank sowie der Journalist, Bibliothekar und Sittenhistoriograph Johann Pezzl mit ihrer Forderung nach Errichtung staatlicher Schwimmschulen für die Bevölkerung und für das Baden und Schwimmen in freien Gewässern ein.

Die ersten Bäder Wiens lagen an einem Arm der Donau in der Nähe des Augartens. Einer der bedeutendsten Betreiber eines solchen Bades war der Arzt Pascal J. Ferro, der die Kaltwasserbäder – sogenannte Plongierbäder – für medizinische Zwecke nutzte. Dieses Baden kann man sich nicht wie das heutige Schwimmen vorstellen: Die Besucher hatten Einzelkabinen und stiegen in diesen zur Hebung der körperlichen Abwehrkräfte in das kalte Nass. Allerdings gab es auch einen offenen Bereich, der von Kabinen umsäumt wurde und gemeinsamer Nutzung unterlag – dort fand bereits rudimentärer Schwimmunterricht statt. Wie man sich vorstellen kann, waren diese Bäder aber nur für die wohlhabenden Schichten der Bevölkerung leistbar. Das Gros der Wienerinnen und Wiener musste daher in die Illegalität des gefährlicheren Wildbadens ausweichen.

Um dem entgegenzuwirken, kauften einige Wiener Großkaufleute, nachdem sich Ferro aus dem Badegeschäft zurückgezogen hatte, dessen alte Badeschiffe. Gemeinsam mit der Gemeinde Wien, die für den Betrieb sorgte, errichteten sie 1799 das sogenannte „Armenbad“ – dieses war kostenlos nutzbar. Selbstverständlich war das kein rein karitatives Handeln: Es sollte so die Bevölkerung vor allem arbeits- und wehrtüchtig gehalten werden. Nur wenige Jahre später wurde 1813 am Kaiserwasser (dem unregulierten Hauptarm der Donau) die sogenannte Militärschwimm-Schule errichtet. Dieses nach Prager Vorbild, von Aktionären finanzierte und vom Militär betriebene Schwimmbad diente ursprünglich primär der Ausbildung von Rekruten. Zu festgesetzten Zeiten durfte gegen Entgelt jedoch auch die Zivilbevölkerung diese Anlage mitbenutzen und erhielt dort systematischen Schwimmunterricht. Wie die meisten Badeschiffe bestand auch die Militär-Schwimmschule aus einer schwimmenden Plattform, in deren Mitte sich eine Öffnung mit dem großen Badekorb befand, durch den das Wasser fließen konnte, der aber auch gleichzeitig das Treibgut abhielt. Um das so entstandene Bassin war ein Umgang geführt, an den – wie auf Jakob Alts Aquarell zu sehen ist – gegen die Außenseite die Kabinen anschlossen.

Einen gesellschaftlichen Fortschritt stellte die erste österreichische Damenschwimmschule dar. Die „Ferdinand-Marien-Donau-Schwimm- und Badeanstalt am Tabor nächst dem k. k. Augarten“, so ihr offizieller Name, eröffnete 1831 ebenfalls im Kaiserwasser. Dieses Bad sollte den bis dahin ausschließlich den Männern vorbehaltenen Schwimmsport auch den Frauen ermöglichen. Auf der Lithografie von Franz Wolf aus dem Jahr 1833 sind der gedeckte Umgang sowie auch das zur damaligen Zeit bereits zur allgemeinen Ausstattung gehörende, relativ hohe Sprunggerüst an der Schmalseite des Beckens gut zu erkennen. Der Sprung ins Wasser – kopfüber und auch aus größerer Höhe – gehörte zu dieser Zeit bereits zum fixen Programm des Schwimmsports.

Nach der Donauregulierung in den Jahren 1869–1875 versuchte man die verlorengegangene Wasserfläche der zahlreichen Schwimmbäder wiederherzustellen und errichtete das große „Communalbad“. Es verfügte durch seine große Anzahl an verschiedenen Becken insgesamt über eine Wasserfläche von mehr als 5000 Quadratmetern. 

Als durch die Verbesserung der Kanalisierung die Abwasserkanäle nicht mehr in den Donaukanal geleitet wurden, entstand die Möglichkeit, auch dieses Gewässer zum Baden freizugeben. Richard Weiskirchner, der spätere Bürgermeister von Wien, setzte sich – auch aus hygienischen Gründen – für die Errichtung mehrerer Badeschiffe am Donaukanal ein. Im Jahr 1902 wurde der Beschluss zum Bau von insgesamt fünf dieser Badeanlagen vom Wiener Stadtrat gefasst. Das Wiener Stadtbauamt lieferte die dafür nötigen Entwürfe. Im Wesentlichen wurde das bereits bekannte Prinzip der Strombäder aus der Donau beibehalten: Die etwa 60 Meter langen und 10 Meter breiten Strombäder bestanden aus einem Floß, das in seiner Mitte einen offenen Bereich umschloss. An den Längsseiten befanden sich Kästchen und an den Stirnseiten die hölzernen Kabinen. Sie bildeten den Sichtschutz zum nach Geschlechtern getrennten Bade- und Umkleidebereich: Flussaufwärts lag der Damen- und flussabwärts der Herrenbereich. Die umlaufenden Stege waren, wie schon bei den älteren Bädern, überdacht. Im Wasser befand sich ein höhenverstellbarer metallener Korb, der mittels Kettenzug an die Wassertiefe angepasst und zur Reinigung herausgehoben werden konnte. Die am Floß eigens errichteten Duschen wurden mit Wiener Hochquellwasser versorgt. 

Die ersten beiden Strombäder dieser Art wurden 1904 in Nußdorf und bei der Sofienbrücke (heutige Rotundenbrücke) eröffnet. Da diese beiden Badeschiffe im Donaukanal von der Bevölkerung sehr gut angenommen wurden, entschloss sich die Stadtverwaltung nur wenige Jahre später zur Verwirklichung weiterer Strombäder. Diese entstanden oberhalb der Augartenbrücke, bei der Verbindungsbahnbrücke und der Kaiser Josefs-Brücke, der heutigen Stadionbrücke. Um der Jugend den Zutritt zu den Bädern zu ermöglichen, wurde auch ein großes Kontingent an Freikarten aufgelegt. Dieser soziale Gedanke sollte zwei Jahrzehnte später im Roten Wien wieder von großer Bedeutung werden.

Durch die zahlreichen Bäder entlang der Alten Donau und des Donaukanals sowie die neuen Freibäder hatte Wien am Ende der 1920er-Jahre international den Ruf als „Stadt der Bäder“. Bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg waren die Bäder am Donaukanal stark frequentiert und als Naherholungsorte bei der Wiener Bevölkerung hoch angesehen. Möglicherweise erlebt der Donaukanal durch die jüngsten Initiativen in den nächsten Jahren ein Revival als innerstädtischer Badeort…

Christoph Freyer, Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien, seit 2018 im Karl Schwanzer Archiv des Wien Museums tätig, Publikationen u.a. zum Roten Wien, Margarete Schütte-Lihotzky sowie Raimund Abraham.

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Kommentare

Lachaize

Vielen Dank an das Wienmuseum für diese spannenden Themen.
Ich habe kürzlich ein Bad in der Donau genommen. Alles hat sich geändert!

Von einem Franzosen, der mit großer Freude Österreich kennen lernt...

Katinka Gratzer

Lieber Christoph, für mich als passionierte Schwimmerin die perfekte Hintergrundinfo!
Danke dir sehr dafür!
Liebe Grüße!
Katinka

Regina Janek

Lieber Christoph, wieder einmal, eine super Zusammenfassung eines wirklich sehr interessanten Themas. Es ist immer wieder eine Freude Deine Artikel zu lesen, LG Regina