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Astrid Göttche, 16.4.2021

Die Gärten des Künstlerhauses

Kunst mit Grünblick

Seit einem Jahr erstrahlt das Wiener Künstlerhaus in neuem Glanz. Vielfach vergessen ist, dass einst Gartenanlagen das Erscheinungsbild des Künstlerhauses prägten. Jahrzehntelang stellten sie eine Konstante in der Raumgestaltung dar, bevor sie im 20. Jahrhundert allmählich an Bedeutung verloren und schließlich gänzlich verschwanden.

Heute präsentiert sich der Außenbereich des Künstlerhauses wie das Gebäude: sauber gepflastert und gepflegt. Kaum bekannt ist, wie sehr sich der Bereich rund um das Künstlerhauses in den letzten 150 Jahren verändert hat. Vom Repräsentationsraum zum „verbaustellten Unort“ erlebte der Platz viele Entwicklungen.

Für die Initiatoren des Künstlerhauses stand von Beginn an fest, dass das Vereinshaus der Genossenschaft bildender Künstler Wiens in einer Grünanlage platziert sein sollte. Ganz im Denken jener Zeit verhaftet, war man überzeugt, nur durch die Anlage eines Gartens ein Gesamtensemble schaffen zu können, dass der Repräsentationswürdigkeit der Vereinigung entsprach. Diese Idee floss somit ganz selbstverständlich als Vorgabe in die Wettbewerbsausschreibung zur Errichtung des Künstlerhauses ein. Der Situationsplan, der 1865 nach mehrjähriger Planung beim k. k. Staatsministerium mit der Bitte um Baubewilligung eingereicht wurde, zeigt das Künstlerhaus folglich als kompakten Kubus inmitten eines, das Haus an drei Seiten umgebenden Gartens. Dieser Rohentwurf des siegreichen Architekten August Weber wurde zwar in dieser Form ebenso wenig ausgeführt wie manch illustrative Ansicht des Künstlerhauses; das Vorhaben aber, das Künstlerhaus an drei Seiten mit einer Grünfläche zu umgeben, wurde bis zur Eröffnung des Hauses 1868 umgesetzt.

Lange währte die Gestaltung des Gartens allerdings nicht in dieser Form. Bereits 1872 wurden innerhalb der Genossenschaft Stimmen laut, die für eine Erweiterung des Künstlerhauses auf Kosten der Gartenfläche plädierten. Nach langwierigen Diskussionen und der Überwindung bürokratischer Hindernisse wurde das Künstlerhaus schließlich 1881 nach Plänen von Andreas Streit und Friedrich Schachner durch seitliche und hintere Anbauten vergrößert, der Eingang an die Giselastraße (heute Bösendorferstraße) verlegt und der Garten auf zwei Vorgärten an der Seite des Wienflusses reduziert.

Das neue Erscheinungsbild des Künstlerhauses stieß nicht überall auf Wohlwollen. In der Neuen Illustrirten Zeitung wurde anlässlich der Internationalen Ausstellung 1882 sehr bedauert, „ daß um die Vergrößerung des Hauses zu ermöglichen, reizende Gartenanlagen verbaut und wundervoller öffentlicher Platz in seiner architektonischen Wirkung wesentlich beeinträchtigt“, ja das Vereinshaus selbst, „dieses kleine Baujuwel aus der Form gebracht“ wurden.

Neben der Reduzierung der Gartenfläche auf zwei symmetrisch angelegte, formal gestaltete Gartenpartien wurde im Zubau ein Innengarten angelegt, der – nicht überdacht – hinter dem Vestibül an der Südseite des Hauses lag. Ein 1883 während einer Monatsversammlung eingebrachter Antrag auf Eindeckung des Gartens wurde zwar abgelehnt, 1887 wurde der Garten aber letztlich für die Einrichtung eines Ausstellungssaales aufgegeben. Der Hof wurde eingedeckt, der Innenraumgarten aufgelassen und der Eingang zum Künstlerhaus wieder an die dem Wienfluss zugewandten Seite verlegt. Von nun an bildeten der Kernbau und die beiden vom k. k. Hofgarteninspektor Adolf Vetter bepflanzten Vorgärten die Schauseite des Künstlerhauses – eine Ansicht, die in Folge häufig in Illustrationen und fotografischen Aufnahmen festgehalten, in Zeitungen publiziert und als Postkartenmotiv gedruckt wurde.

Vom Promenade-Concert zum Lazarett

Obwohl die Vorgärten in erster Linie repräsentativen Charakter besaßen, wurden sie immer wieder auch zu Ausstellungszwecken genutzt. Dabei mussten sie entweder Ausstellungsbauten weichen oder der Präsentation von Exponaten dienen. Äußerst aufwändig wurden die Vorgärten während der im Frühjahr 1898 ausgerichteten Jubiläums-Kunst-Ausstellung in die Ausstellungstätigkeit mit einbezogen. Für diese Schau waren Räume im benachbarten Musikverein angemietet und vom Architekten Joseph Urban ein Eingangsportal nebst Verbindungsbrücke zwischen Künstlerhaus und Musikverein geschaffen worden. Der vor dem Französischen Saal gelegene Garten des Künstlerhauses wurde mit dem zum Garten umfunktionierten Vorplatz des Musikvereins verbunden und der so geschaffene einheitliche Gartenbereich zur Aufstellung von Skulpturen genutzt. Montag und Donnerstag fanden hier im Rahmen des Begleitprogramms zudem Gartenkonzerte statt, so etwa „im Falle günstiger Witterung“ ein Promenade-Concert der Capelle Drescher. Für den Garten vor dem Deutschen Saal entschloss man sich, einen temporären Ausstellungsraum zu errichten, der über das Ende der Schau hinaus bis Jänner 1899 bestehen blieb.

Eine gänzlich neue Nutzung erfuhren die Vorgärten des Künstlerhauses in der Zeit des Ersten Weltkrieges. Da die Genossenschaft ihr Vereinshaus dem Roten Kreuz als Lazarett und Rekonvaleszentenheim überlassen hatte, dienten die Gärten in diesen Jahren mitunter Verwundeten als Ort der Genesung und Erholung. Nach dem Krieg und der Instandsetzung der Gärten wurden von der Genossenschaft und einzelnen ihrer Mitglieder neue, zum Teil auch kuriose Ideen für die Gartennutzung ventiliert. Nachdem bereits 1888 der Vorschlag zum Bau eines eigenen Stromkraftwerkes unter den Gartenanlagen chancenlos geblieben war, wurden Anfang der 1930er Jahre mehrere Angebote zur Errichtung einer Tankstelle in einem der Vorgärten ausgeschlagen. Auch die Idee des Künstlers Anton Endstorfer, auf eigene Kosten Apfelbäume und Wiesenblumen in den Vorgärten zu pflanzen, wurde dankend abgelehnt.

Unstete Zeiten

Ein Großprojekt, das Haus und Gärten gleichermaßen umfasste, nach mehreren Planungsphasen und Diskussionen aber nicht realisiert wurde, betraf den Umbau des Künstlerhauses. In einem 1926 innerhalb der Genossenschaft ausgeschriebenen Wettbewerb wurde den Architekten volle Freiheit bei ihren Planungsvorschlägen eingeräumt. Hinsichtlich der Gärten wurde zwar der Wunsch geäußert, sie möglichst als Ausstellungshof oder Teil eines Restaurant- und Casinobetriebs zu erhalten, eine völlige Verbauung der Gärten wurde aber nicht untersagt.

Wie die Entwürfe zu dem Projekt zeigen, entschlossen sich viele der teilnehmenden Architekten, die Gärten nicht gänzlich zu verbauen. Einige, darunter das Architektenduo Theiss & Jaksch, setzten die in der Ausschreibung formulierten Wünsche um und gestalteten den linken Vorgarten als Ausstellungsgarten sowie den rechten als „Restaurationsgarten“ bzw. „Gastwirtschafts- und Kaffeehausgarten“. Andere Architekten wiederum planten, die Gärten in ihrer Größe bestehen zu lassen und sie nur durch eine streng geometrische Ordnung zu erneuern. Das Team Franz Kaym und Alfons Hetmanek wiederum legte zwei Projektentwürfe vor: In einem der Entwürfe sahen sie die vollkommene Verbauung des Areals vor, in dem anderen eine der Ausschreibung gemäße Lösung.

Trotz langwieriger Diskussionen und der 1931 erfolgten Löschung der 1865 und 1871 vertraglich auferlegten Nutzungsbedingungen für die Liegenschaft, wurde keines der eingereichten Projekte realisiert. Finanzielle Engpässe brachten das Vorhaben zu Fall, sodass die Idee nach 1934 nicht weiter verfolgt wurde. Ein Projekt, das ebenfalls nicht realisiert wurde, umfasste die für jene Zeit recht modern anmutenden Pläne des Gartenarchitekten Josef Oskar Wladar Ende der 1930er Jahre. Sein Konzept sah große Rasenflächen mit locker gesetzten Sträuchern wie Parkrosen, Päonien, Ginster, Wacholder und Prunus vor.

Das Verschwinden der Gärten

Das Verschwinden der Gärten des Künstlerhauses war letztlich ein schleichender Prozess, der bereits nach dem Zweiten Weltkrieg einzusetzen begann. Schon 1947 wurden im Rahmen der Ersten Großen Österreichischen Kunstausstellung Eingriffe in die nach dem Krieg bestmöglich instand gesetzte Gartenstruktur vorgenommen. Durch die Einbeziehung der Vorgärten in die Ausstellung wurden die seit der Monarchie bestehenden Gartenschutzgitter entfernt und die Ligusterhecke sowie mehrere Bäume und Sträucher beseitigt.

Um die Hausfassade zu schonen, ging man in den 1950er Jahren dazu über, Ausstellungsankündigungen als Plakate im Garten aufzustellen. In dieser Zeit wurde auch das alte Thema eines Um- bzw. Neubaus des Künstlerhauses neuerlich diskutiert, bei dem Gartenanlagen keine Rolle mehr spielten. Nachdem sich Ideen in diese Richtung zerschlugen, stellten die Planungen zum U-Bahn-Bau am Karlsplatz Ende der 1960er Jahre neue Veränderungen in Aussicht. Der 1971 ausgelobte Wettbewerb zur Neugestaltung des Karlsplatzes barg zwar die Chance, das Künstlerhaus und seine Gärten in ein neues Raumkonzept mit einzubeziehen. Das ausgeführte Siegerprojekt des Schwede Sven Ingvar Andersson sah aber keine räumlichen Verschränkungen durch Weg-, oder Sichtachsen vor. Die Barrierewirkung, die einst durch den Wienfluss, später durch die Stadtbahn und schließlich die stark frequentierte B1 gegeben war, blieb bestehen.

Ende der 1970er Jahre wurden in Absprache mit dem Künstlerhaus die Vorgärten des Hauses schließlich aufgelassen und von der Stadt Wien eine Fußgängerzone errichtet. Der U-Bahn-Abgang wurde dicht an den linken Seitentrakt des Künstlerhauses gelegt und das stufenartige Forum (Arena) auf Seiten des Künstlerhauskinos eingerichtet. Damit verschwanden die Gartenanlagen des Künstlerhauses endgültig und der Platz wurde zu einer öffentlichen Nutzanlage umfunktioniert. 100 Jahre Gartenkunst rund um das Künstlerhaus fanden ihr Ende.

 

Zur Geschichte der Gärten des Künstlerhauses siehe auch:

Anette Freytag u. Astrid Göttche: Die verschwundenen Gärten des Wiener Künstlerhauses, in: Das Wiener Künstlerhaus. Kunst und Institution, hg. von Peter Bogner, Richard Kurdiovsky u. Johannes Stoll, Wien 2015, S. 316–325.

Literatur- und Quellenverzeichnis (Auswahl)

Wladimir Aichelburg: Das Wiener Künstlerhaus 1861–1986. 125 Jahre in Bilddokumenten, Wien 1986
Wladimir Aichelburg: Das Wiener Künstlerhaus 1861–2001. Band 1: Die Künstlergenossenschaft und ihre Rivalen Secession und Hagenbund, Wien 2003
Wladimir Aichelburg: Das Wiener Künstlerhaus 1861–2001. Band 3 und 4 (unveröffentlichte Manuskripte)
Peter Bogner, Richard Kurdiovsky u. Johannes Stoll (Hg.): Das Wiener Künstlerhaus. Kunst und Institution, Wien 2015
Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Hg.): Jahres-Bericht des leitenden Ausschusses erstattet über seine Thätigkeit während des Vereins-Jahres (...), Wien, Jg. 1881; Jg. 1883; Jg. 1887
Balduin Groller: Die internationale Kunstausstellung in Wien, in: Neue Illustrirte Zeitung, 1882, II. Band, Nr. 27, S. 422.
Edgar Kohlbacher u. Karl Rudischer: Josef Oskar Wladar. Gartenarchitekt (Schriftenreihe des Instituts für Landschaftsplanung und Gartenkunst Technische Universität Wien 14), Wien 1990
Rudolf Schmidt: Das Wiener Künstlerhaus. Eine Chronik 1861–1951, Wien 1951

Archivmaterialien aus dem Archiv des Künstlerhauses, vor allem:


Künstlerhausarchiv, Hausakten, Baugeschichte, Mappe 1871: Abschrift des Vertrages vom 29. April 1871 zwischen der Finanz-Prokuratur und der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens
Künstlerhausarchiv, Hausakten, Baugeschichte, Mappe 1926: Wettbewerbs-Ausschreibungen zur Erlangung von Entwürfen für einen Umbau des Künstlerhauses
Künstlerhausarchiv, Hausakten, Baugeschichte, Mappe 1926: Wettbewerb Entwurf Gorge, Theiß & Jaksch, Hofbauer & Baumgarten, Schön, Jelletz & Poppovits und Kaym & Hetmanek
Künstlerhausarchiv, Ausstellungen, Jubiläums-Kunstausstellung 1898
Künstlerhausarchiv, Künstlerhaus Pläne, Pläne A. Weber 1865: Situationsplan der Umgebung des Wiener Künstler-Hauses
Künstlerhausarchiv, Künstlerhaus Pläne, Garten: Plan für die Blumenparterres vor dem deutschen und französischen Saal, Entwurf um 1880 (Nr. 5420)

Mehr Darstellungen des Künstlerhauses finden Sie in unserer Online Sammlung.

Astrid Göttche studierte Kunstgeschichte sowie Geschichte, Germanistik und Theaterwissenschaft an den Universitäten Wien und Hamburg. Im Zentrum ihrer Forschungstätigkeit und Publikationen stehen Themen der Wiener Stadt- und Kulturgeschichte sowie der österreichischen Gartengeschichte.

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Kommentare

Brigitte Rieser

danke, Frau Mag. Göttche, für diesen spannenden artikel - ich habe jetzt sehr geschätzte hintergrundinformation für eine meiner liebsten karten in meiner Österreichische-Gärten-AK-sammlung (die letzte im artikel, Gruss aus Wien).

Brigitte

Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs, Landesverband Wien, Niederösterreich, Burgenla

Sehr geehrte Frau Mag. Göttche,

Ich gratuliere Ihnen zu diesem aufschlussreichen Beitrag. Leider ist die Bodenversiegelung in Österreich viel zu stark fortgeschritten, aber vielleicht lässt sich bei etwas gutem Willen durch zeitgenössische Gartenarchitektur heute wieder etwas zurückgewinnen.
Die von ihnen erwähnte erste große Kunstausstellung nach dem 2. Weltkrieg im Künstlerhaus wurde von der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs gemeinsam mit dem Künstlerhaus organisiert. Wie sie erwähnen, wurden damals die Vorgärten in die Ausstellung mit einbezogen. Auch eine Plakatstraße hat es im Außenbereich nach unseren Aufzeichnungen damals gegeben.

In unseren Archivunterlagen befinden sich leider keine Fotos dieser Outdoornutzung im Zusammenhang mit der Kunstausstellung. Sollte das Wien-Museum Fotos von damals besitzen, wären wir an Kopien sehr interessiert.

Herzliche Grüße

Berthild Zierl
Präsidentin der Berufsvereinigung
der bildenden Künstler Österreichs
Landesverband Wien, NÖ, Bgld.
Schloss Schönbrunn, Ovalstiege 40, 1130 Wien
Tel: 01/813 52 69, Mail: berufsvereinigung@art-bv.at, Web: www.art-bv.at