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Ursula Storch, 21.12.2020

Die Kunst der szenischen Feuerwerke

Von „Edelweißbuketts“ und „Doppelten Kontrabrillantwalzen“

Von wegen Raketen einfach in die Luft schießen oder Kracher zünden: In der langen Geschichte der Feuerwerkskunst in Wien waren die pyrotechnischen Schauspiele von einer peniblen Dramaturgie geprägt. 

Die Geschichte der Feuerwerkskunst in Wien umfasst im Wesentlichen drei Bereiche: die  grandiosen Feuerwerksschauspiele im Zusammenhang mit höfischen Barockfesten, weiters die Integration der friedlichen Pyrotechnik in die Schießübungen der bürgerlichen Artilleristen des 17. und 18. Jahrhunderts, und schließlich die rein der Erbauung dienenden Feuerwerke der Familie Stuwer im Prater, die mit der Weltausstellung 1873 ein Ende fanden.

Gemeinsam war allen drei pyrotechnischen Erscheinungsformen im Unterschied zu heute, dass die Feuerwerke szenischen Charakter hatten. Sie folgten also einer detaillierten Dramaturgie und erzählten ganze Geschichten. Mit Feuerbildern, sich vom dunklen Nachthimmel leuchtend abhebenden Konturen und explodierenden Raketen wurde den alten Göttern und den jeweils aktuellen Herrschern gehuldigt, wurden Schlachtenszenen nachgestellt und die neuesten Theaterstücke ins Medium Feuerwerk transponiert.

Grundlage für diese Art von Feuerwerken war ein hölzernes Feuerwerksgerüst, auf dem die Feuerwerkskörper und die sogenannten Dekorationen befestigt wurden. Dabei handelte es sich um mit feuerfester Lösung bestrichene und mit Lichtern bestückte Holzfiguren und bemalte Pergamentflächen, die von hinten durch bengalische Feuer beleuchtet wurden. Dort, wo sich das Feuer zwischen den nicht brennbaren Dekorationen einen Weg fand, entstanden riesenhafte Konturen von Landschaften oder Gegenständen. Die einzelnen Szenen im Sinn von Feuerbildern bezeichnete man als Fronten.

Der ungeheure Aufwand, der im Barock im Bereich der Feuerwerkskunst getrieben wurde, lässt sich sehr anschaulich mit einer Beschreibung des Feuerwerks vom 8. Dezember 1666 illustrieren, das anlässlich der Vermählung Kaiser Leopold I. mit der spanischen Infantin Margaretha Theresia die Hochzeitsfeierlichkeiten eröffnete:

Der erste der drei Akte stellte eine Beschwörung des Gottesgnadentums des Kaisers dar: Der Götterbote Merkur brachte die Hochzeitsfackel zum Bräutigam, um die göttliche Freude über die Heirat zu demonstrieren. Nachdem dieser sie von einem Fenster der Hofburg aus entzündet hatte, stiegen zum Klang von Trompeten, Posaunen und Pauken, begleitet von Kanonenschüssen, 500 Raketen in den Himmel auf, um dort die Freude der Erde anzuzeigen. In der folgenden Szene sollten die mit dem Fortbestand der Dynastie verbundenen Friedenshoffnungen sowie die kluge Hausmachtpolitik anstelle von Eroberungskriegen dargestellt werden: Die von Vulkan und Zyklopen in einer zwanzig Meter hohen Berg Aetna-Dekoration geschmiedeten Schwerter wurden vom herbeifliegenden Amor zerbrochen und zu Eheringen umgeformt, mit denen er himmelwärts entschwebte, worauf der Berg Parnass samt den den Liebesgott preisenden Musen aufleuchtete, und abermals Raketen aufstiegen.

Der zweite Akt thematisierte anhand von brennenden Herzen und aufleuchtenden Monogrammen der Brautleute die enge familiäre Verbindung der spanischen mit der österreichischen Linie des Herrscherhauses, und im dritten Akt kam es schließlich zur mythologischen Erneuerung des Bunds zwischen dem Kaiser und seinem Volk, indem sich das Feuer der Treue des Volkes mit demjenigen der Liebe des Herrschers zu seinen Untertanen vereinigte. Das Schauspiel endete mit 73.000 in den Himmel zischenden Raketen, von denen ein Teil die Habsburgische Weltformel A.E.I.O.U. ans Firmament zauberte, begleitet von krachenden Böllern, Granaten, Musketen- und Kanonenschüssen.

Wie man an diesem Beispiel sieht, wurde für derartige Feuerwerke kein Aufwand an Geld, Zeit oder Arbeit gescheut. So holte man zu Beginn des 18. Jahrhunderts auch die international tätige italienische Architektenfamilie Galli-Bibiena an den Wiener Hof. Ihre  Mitglieder wurden in der Folge nicht nur als Architekten, sondern auch als „Theatral-Ingenieure“ verpflichtet, um Scheinarchitekturen für Theater, Opern, Feste sowie Feuerwerke zu entwerfen.

Auch im Zuge der alljährlichen Schießübungen der Artillerie wurden im 17. und 18. Jahrhundert regelmäßig Feuerwerke veranstaltet. Anlässlich der Jahresfeier der Entsatzschlacht fand im September 1684 beispielsweise ein großes Preisschießen statt. Die Anwendung beider Seiten der Pyrotechnik – der kriegerischen und der friedlichen – innerhalb solcher Veranstaltungen führte zum Begriff der „Ernst- und Lustfeuerwerke".

Für die größte Inszenierung dieser Art errichtete man 1732 in der Spittelau eine aufwendige Scheinarchitektur in Form eines 11 Meter hohen, 22 Meter breiten und 30 Meter in die Tiefe gehenden Castells. Nachdem man dieses erfolgreich in Brand geschossen hatte, ging die Schießübung „mit einer Girandola von 250 Raketen“ in das „Lustfeuerwerk“ über, das von Trompetenchören, Pauken und Feldmusik begleitet wurde

Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde der Prater zum wichtigsten und für alle zugänglichen Veranstaltungsort szenischer Feuerwerke. Den Auftakt machte hier der Kunstfeuerwerker Peter Paul Girandolini am 24. Mai 1771, als er den „Tempel des Gottes Mars“ als Feuerwerk inszenierte. Seiner Vorliebe für mythologische Themen entsprechend, zeigte er in den folgenden Jahren Feuerwerke mit Titeln wie „Tempel des Jupiter“ (1772) oder „Garten der Flora“ (1778).

Ab 1773 richteten auch der aus Ingolstadt stammende Johann Georg Stuwer und seine Nachkommen Feuerwerke im Prater aus. Der heutige Begriff des „Stuwer-Viertels“ im zweiten Wiener Gemeindebezirk geht auf die Feuerwerkerdynastie zurück und meint den Bereich der ehemaligen Feuerwerkswiese, auf der ab 1777 die meisten Feuerwerke abgehalten wurden. Neben dem Feuerwerksgerüst, das hier etwa 50 Meter hoch und 125 Meter breit war, wurde auch ein Laboratorium zur Erzeugung der Feuerwerkskörper errichtet. Wie aus einer erhalten gebliebenen Preisliste hervorgeht, verkaufte Johann Georg Stuwer dort auch die von ihm erzeugten Feuerwerkskörper. Unter anderem sind hier „Handpufferl“, „Chinesische Bäume“, „Raqueten“, „Mordschläge oder Granaten“, „Laufende Brillantensonnen“ und „Doppelte Kontrabrillantwalzen“ angeführt.

Zwischen 1779 und 1782 hatte Stuwer im Kunstfeuerwerker Joseph Mellina aus Graz einen harten Konkurrenten auf der Feuerwerkswiese, der neben mythologischen Stoffen wie „Amor und Psyche“ oder „Das Bacchusfest“ auch religiöse Themen bearbeitete, etwa „Der durch Judith enthauptete Holofernes“ (1779) oder „Der Turm Babylon“ (1780). Johann Georg Stuwer konnte sich aber durchsetzen und veranstaltete in der Folge zumeist zwei große Feuerwerke pro Jahr. Das Themenspektrum war beachtlich: So zeigte er unter anderem „Der Wunderpalast der Venus“ (1776), „Der Tempel Salomons“ (1776), „Das Reich der Feen“ (1781) und „Orpheus und Eurydike“ (1782). Mit „Kasperl in der Hexenschule“ (1787) nahm sich Stuwer der Altwiener Volkskomödie an, mit der „Eroberung von Ismail“ (1791) griff er ein aktuelles politisches Thema aus dem Russisch-Österreichischen Türkenkrieg auf, und „Seltenheiten aus China“ (1795) sowie „Reise nach Venedig“ (1798) demonstrierten sein geographisches Interesse.

Wiederholt wurden seine Feuerwerke von Konzerten begleitet, und die Inszenierungen von „Seegefechten“ führte Stuwer als Wasserfeuerwerke auf einem Donauarm aus, wobei die Spiegelungen im Wasser für zusätzliche illusionistische Effekte sorgten. Ankündigungsplakate und Trommler in blau-roten Uniformen sorgten im Vorfeld für die Bewerbung von Johann Georg Stuwers Feuerwerken, die innerhalb kürzester Zeit so beliebt waren, dass sie vor rund 30.000 zahlenden Zuschauern über die Bühne gingen. Die billigsten Plätze kosteten 20 Kreuzer, für einen Platz auf der „noblen Galerie“ zahlte man einen Gulden 40 Kreuzer, auf der zweiten Galerie einen Gulden. Da das Wetterpech der Familie Stuwer in Wien sprichwörtlich war, wurden auch sogenannte Versicherungsbillets verkauft, die bei Schlechtwetter den Besuch der Ersatzvorstellung garantierten.

1798 übergab Johann Georg Stuwer das Laboratorium an seinen Sohn Kaspar. Da dessen Söhne bei seinem Tod 1819 noch nicht erwachsen waren, übernahm von 1820 bis 1825 der Professor der Feuerwerkskunst Franz Müller mit vier Feuerwerken pro Jahr die Agenden auf der Feuerwerkswiese. Er zeigte unter anderem den „Ausbruch des Vesuvs“ (1820) und eine pyrotechnische Vorführung der „Zauberflöte“ (1823). Die Schilderung eines Zeitgenossen vermittelt einen guten Eindruck eines Feuerwerks aus dieser Aera:
„Das Feuerwerk war groß und brillant. Unter anderem ward auch die Liebe durch das Feuerwerk dargestellt. Zwey brennende Figuren, ein Herr und eine Dame, standen in einem funkelnden Tempel, und eben als sie am meisten brannten, begannen sie sich zu bewegen und die Köpfe gegeneinander zu neigen, als ob sie sich küssen wollten. Es war das erstemal, daß ich Marionetten von Raketten sah. Der Mann erlosch zuerst, ob aus satyrischer Absicht des Feuerwerkers oder aus Zufall, muß ich ungesagt seyn lassen.“

1826 übernahm der 22-jährige Anton Stuwer das Geschäft. Er setzte vielfach die Theatererfolge seiner Zeit in pyrotechnische Spektakel um, so etwa Ferdinand Raimunds „Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär“ (1836). Sein am 7. Mai des Revolutionsjahres 1848 gezeigtes Feuerwerk trug den Titel „Feier der Wiedergeburt Österreichs“. Das Ankündigungsplakat sprach von vier Fronten, beginnend mit „Österreichischer Glücksstern“, gefolgt von „Der Nationalgarde“ und „Der Universität“. Die vierte Front war „Den Frauen Wiens“ gewidmet. Die Hauptdekoration bezog sich auf die Nationalgarde, die Pressefreiheit und die Konstitution.

Anton Stuwer richtete auch andernorts Feuerwerke aus, wie etwa an den Brunnen des Belvedere, wo ab 1832 der Namenstag des Kaisers Franz II.(I.) am 4. Oktober jeweils mit einem Wasserfeuerwerk gefeiert wurde. Höchst innovativ war auch, dass er erstmals Feuerwerke im Prater mit Pferderennen kombinierte. Nach seinem Tod 1858 – ob durch Unfall oder Selbstmord wurde nie geklärt – übernahm sein Sohn, Anton der Jüngere das Laboratorium. Er war zuvor bereits in der Türkei und Ägypten erfolgreich als Feuerwerker tätig gewesen. Bei seinem ersten Feuerwerk führte er die „Erstürmung der Akropolis“ (1858) vor. Mit Themen wie „Der Untergang von Sodom und Gomorra“ (1863) brachte er auch wieder religiöse Stoffe zur Aufführung.

Im Vorfeld der Wiener Weltausstellung musste das Laboratorium der Familie Stuwer bereits 1871 geschlossen und das Feuerwerksgerüst abgebaut werden. Im Zuge dessen wurde auch die Feuerwerksallee in Ausstellungsstraße umbenannt. Vereinzelt richtete Anton Stuwer d. J. zwar danach noch Feuerwerke im Prater aus – etwa anlässlich des 50. Geburtstags von Kaiser Franz Josef oder der Vermählung von Kronprinz Rudolf –, diese fanden aber zumeist bei der Rotunde oder auf der Jesuitenwiese statt.

Nach seinem Tod 1905 sah man lange Zeit nur mehr vereinzelte Feuerwerke im Prater – die barocke Freude an illusionistischen Effekten war offenbar durch eine Fülle anderer Unterhaltungsmöglichkeiten in den Hintergrund gedrängt worden.

Auch wenn etwa im Zusammenhang mit dem „Großen Jubiläums-Huldigungs-Feuerwerk“ am Trabrennplatz am 17. August 1910 anlässlich des 80. Geburtstags von Kaiser Franz Josef im Programm von einem „Meteor- und Sternschnuppenfall“, von einem „Edelweißbukett“ und „Elektrischen Schlangen-Minen“ die Rede ist, wurden in diesen Feuerwerken offenbar allenfalls Einzelbilder vorgeführt, aber keine durchgängigen Geschichten mehr erzählt.

Zwar hat André Heller in den 1980er-Jahren mit seinem „Feuer-Theater“ inklusive „Flammenrevuen“ und „Pyroskulpturen“ die Praktiken der historischen Wiener Praterfeuerwerke zur Erzählung seiner Geschichte von der Entstehung der Welt reanimiert, allerdings nur für Vorstellungen in Lissabon (1983) und Berlin (1984). Die heutzutage abgebrannten offiziellen Feuerwerke in Wien wie etwa das alljährlich stattfindende Maifest im Prater scheinen diese Tradition vergessen zu haben und sind nur mehr simple optische Attraktionen ohne szenische Effekte, die in keinster Weise an die spektakulären pyrotechnischen Veranstaltungen früherer Jahrhunderte herankommen.

Verwendete Literatur:

Walter Öhlinger: „Ein Meer von Licht strahle aus dieser Stadt”. Feuerwerke und Illuminationen in Wien, in: Ursula Storch (Hrsg.): Illusionen. Das Spiel mit dem Schein, Wien 1995 (Katalog des Historischen Museums der Stadt Wien zur gleichnamigen Ausstellung in der Hermesvilla)

Hans Pemmer, Ninni Lackner: Der Wiener Prater einst und jetzt, Leipzig und Wien 1935

Alexandra Reininghaus: Feuermärchen und Festkondukte. Die k. und k. Lustfeuerwerkerei in Wien vom Biedermeier zur Belle Epoque, in: Georg Kohler (Hrsg.): Die schöne Kunst der Verschwendung. Fest und Feuerwerk in der europäischen Geschichte, Zürich und München 1988

Ursula Storch: „Handpufferl” und „Chinesische Bäume”. Feuerwerkskunst im Prater, in: ds.: Im Reich der Illusionen. Der Wiener Prater, wie er war, Wien 2016

Ursula Storch, Studium der Germanistik und Kunstgeschichte in Wien, seit 1992 Kuratorin und seit 2008 stellvertretende Direktorin im Wien Museum. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen zu kunst- und kulturhistorischen Themen aus der österreichischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. 
 

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Kommentare

Julianna Bodinger

Vielen herzlichen Dank für das Beschreibung der Feuerwerk-Kunst.....es war für mich neu, und sehr interessant. Was alles früher war in diesen Richtung....einfach unvollstellbar.