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Walter Öhlinger, 3.4.2020

Die Pest in Wien 1679

Allen Warnungen zum Trotz

Zur Jahreswende 1678/79 traten in der Leopoldstadt einige Fälle von Beulenpest auf. Unter den vielen Pestepidemien, die Wien heimsuchten, sollte die des Jahres 1679 die verheerendste sein.

Die hygienischen Bedingungen in der Stadt boten einen idealen Nährboden für Seuchen aller Art: Mit dem Aufstieg Wiens zu Residenzstadt war die Zahl der Einwohner auf etwa 70.000 (in Stadt und Vorstädten) angestiegen. In der Zeit der osmanischen Bedrohung drängten die Menschen in den Schutz der von massiven Festungsanlagen umgebenen Innenstadt. Auf engem Raum wurde hier Vieh gehalten und geschlachtet, auch Gewerbebetriebe, in denen extrem schmutzige Abwässer anfielen, wie Gerbereien, waren hier zu finden. Soldaten der großen gegen die Osmanen eingesetzten Truppenkontingente fungierten als Überträger von Krankheiten, ebenso wie die vielen Tagelöhner, die zu Zeiten der Weinlese nach Wien geholt wurden.

Immer noch gab es in der engen Altstadt Friedhöfe, jener bei St. Stephan wurde erst ab 1732 nicht mehr belegt. Zusätzlich zur 1565 in Betrieb genommenen städtischen Wasserleitung, die Wasser aus Hernals in die Stadt brachte, standen zahlreiche Hausbrunnen in Benützung, deren Wasser durch die Jauchegruben und das verschmutzte Sickerwasser verseucht war. Aufforderungen an die Wiener Bürger, Müll, Unrat und Tierkadaver nicht auf die Straße zu werfen, zeugen davon, dass dies offenbar gängige Praxis war.

Zwar hatte man schon 1540 anlässlich einer Pestepidemie einen „Magister sanitas", einen Seuchenarzt, bestellt und ein „Pestbüchlein" mit Verhaltensanweisungen veröffentlicht, doch zur konsequenten Durchsetzung entsprechender Maßnahmen kam es nicht. Auch die kaiserliche Infektionsordnung aus dem Jahr 1551, in der vorgeschrieben wurde, Krankheitsfälle zu melden und die Kontaktpersonen Erkrankter unter Quarantäne zu stellen, brachte nicht die gewünschte Wirkung.

Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden nicht nur die Infektionsordnungen häufiger, es zeichnete sich auch ein Umdenken ab: Hatten die Menschen des Mittelalters die Seuche als Strafe Gottes gedeutet, die man durch Änderung seines moralischen Verhaltens abwenden könne, wurde die Pest nun als ansteckende Krankheit gesehen, der man durch hygienische Maßnahmen beizukommen versuchte. Die Verordnungen warnten vor unmäßigem und sittenlosem Leben, neben moralischen Belehrungen waren aber auch medizinisch sinnvolle Anweisungen zu finden. Der Eigentliche Übertragungsmechanismus der Pest – von Ratten über Flöhe auf Menschen – war damals allerdings noch nicht bekannt.

Als jedoch Anfang 1679 in Wiens Vorstädten erneut Pestfälle auftraten, schienen alle nützlichen Anweisungen vergessen. Zunächst versuchte man die Seuche zu ignorieren und bestritt, dass es sich bei den Toten um Pestopfer handle. Vergeblich bestürmte der Leibarzt der Kaiserinwitwe, Paul Sorbait, die Behörden, die erforderlichen Maßnahmen zu setzen. Seine im Jänner dieses Jahres veröffentlichte Pestordnung war auf dem letzten Stand der medizinischen Erkenntnisse der Zeit. Bei konsequenter Umsetzung dieser Vorschriften hätte die Katastrophe zumindest eingedämmt werden können. Doch allen Warnungen zum Trotz wurden im Frühsommer noch vier feierliche Einzüge von Gesandten veranstaltet, alle von großen Volksaufläufen begleitet, die die Ausbreitung der Seuche natürlich begünstigten.

Im Juli – nach Hunderten Todesfällen – konnte die Gegenwart der Pest nicht mehr geleugnet werden: Die kaiserliche Familie verließ die Stadt; wer konnte, folgte ihr. Die Gassen Wiens boten ein Bild des Grauens: Man kam mit der Beerdigung der Toten nicht mehr nach, oft lagen diese tagelang in den Straßen, schließlich wurden Häftlinge zur Bestattung der Leichen gezwungen. Da das Ausheben von Einzelgräbern längst nicht mehr möglich war, wurden die Toten, mit Kalk übergossen, zu Hunderten in Gruben vor den Stadtmauern geworfen.

Im August erlagen der Pest etwa 2.000 Menschen, im September erreichte die Epidemie mit mehr als 3.000 Toten ihren Höhepunkt, im Oktober waren es immer noch geschätzte 2.700 Todesfälle. Anhand der Totenprotokolle sind 7.196 Pestopfer nachweisbar, insgesamt dürfte die Seuche in Wien aber 12.000 bis 15.000 Menschen hinweggerafft habe. In Schätzungen, die auch die Toten im Wiener Umland mit einrechnen, werden Zahlen zwischen 30.000 und 50.000 genannt. Zeitgenössische Berichte, die von bis zu 140.000 Toten sprechen, sind sicher übertrieben, zeugen aber vom grauenhaften Eindruck, den das massenhafte Sterben in den Straßen und Gassen Wiens bei den Überlebenden hervorgerufen haben muss.

Erst der Einbruch der kalten Jahreszeit konnte die Epidemie eindämmen, im April 1680 fordete sie die letzten Opfer. Am 17. Juni 1680 wurde am Graben eine große Dankfeier abgehalten. Dabei enthüllte man eine hölzerne Dreifaltigkeitssäule, die 1687 durch die noch heute als „Pestsäule" bezeichnete Marmorsäule ersetzt wurde.

 

Der Text ist eine überarbeitete Passage aus: Walter Öhlinger: Wien zwischen den Türkenkriegen (Geschichte Wiens Bd. 3), Wien 1998

Walter Öhlinger, Historiker, Studium der Geschichte und Deutschen Philologie, seit 1989 Mitarbeiter des Wien Museums, Kurator für Wiener Stadtgeschichte 1500–1918 mit den Schwerpunkten politische Geschichte und Sammlungen des ehemaligen Wiener Bürgerlichen Zeughauses. 

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Kommentare

peter

na kommt einem die story nicht in teilen bekannt vor? die geschichte wiederholt sich. Ischgl schau oba!