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Bettina Fernsebner-Kokert, 9.12.2019

Eislaufen in Wien

Ice, Ice, Lady!

Die Menschen in Wien eroberten früh die Eisflächen der Stadt für sich. Dank moderater Eintrittspreise entwickelte sich das Schlittschuhlaufen ab dem Ende des 19. Jahrhunderts rasch zu einem Massensport, der auch von Frauen ausgeübt wurde – wettsportmäßig und zum Vergnügen.

An sonnigen, klaren Wintertagen konnte man sie auf dem zugefrorenen Wiener Neustädter Kanal dahingleiten sehen, die eleganten Damen in ihren langen, sich bauschenden Röcken und die dazugehörigen Herren in feinem Tuch. Denn als das Eislaufen – oder „Schleifen“, wie man es anfangs nannte – Anfang des 19. Jahrhunderts in Wien populär wurde, war es zunächst ein Sport der gut Betuchten. Die wirklich Wohlhabenden freilich ließen sich auf ihren Privatgrundstücken Eisflächen anlegen. „Eislaufen war zunächst ein Unterhaltungsphänomen der Oberschicht“, erläutert die Historikerin Agnes Meisinger vom Institut für Zeitgeschichte der Uni Wien, die zum Eislaufverein geforscht und ihre wissenschaftlichen Ergebnisse in dem Buch „150 Jahre Wiener Eislauf-Verein. Die Geschichte des WEV 1867–2017“ publiziert hat.

Ausgehend von den Niederlanden erreichte das mehr oder weniger elegante Dahingleiten auf dem Eis Ende des 18. Jahrhunderts auch Wien. Schon die Teilnehmer des Wiener Kongresses wechselten in den Verhandlungspausen vom glatten diplomatischen Parkett auf das rutschige Eis des zugefrorenen Schlossteichs in Schönbrunn, wo sie sich zur Entspannung an der frischen Luft beim Eistanz vergnügten. Es dauerte jedoch nicht allzu lange, bis der neue Trendsport der Upper Class zu einem Massenvergnügen im Wiener Winter wurde. Zunächst wurden geschliffene Tierknochen unter die Schuhe geschnallt, später waren die Kufen aus Holz mit einer Metallschiene. Wer es sich leisten konnte, ließ sich die Kufen fix an die Schuhe schrauben, weniger Begüterte schnallten sich diese einfach an die Straßenschuhe und schon konnte es losgehen.

Behördlich verboten, dann toleriert

Die Wienerinnen und Wiener liefen im Winter mit ihren Schlittschuhen schon bald auf dem 1803 eröffneten 63 Kilometer langen Wiener Neustädter Kanal. Laxenburg war ein beliebtes Ausflugsziel, das auf dem gefrorenen Wasserweg erreicht werden konnte, wie Meisinger schreibt. Auf den Seitenarmen der Donau in den Praterauen und auf dem Wienfluss tummelten sich die Schlittschuhläufer ebenfalls. Das Eislaufen auf den zugefrorenen Wasserflächen innerhalb der Stadt war eigentlich verboten, doch irgendwann um 1850 gaben die Ordnungskräfte dem Andrang der Eislaufbegeisterten nach und duldeten künftig den eigentlich vorschriftswidrigen Wintersport auch in der Stadt, etwa auf dem Belvedere-Teich oder auf dem Teich im Stadtpark.

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Gustav Johann Richter: Der Eislaufplatz beim Hauptzollamt, Aquarell, um 1868, Sammlung Wien Museum

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Gesellschaft am Eislaufplatz des Wiener Eislaufvereines, spätes 19. Jahrhundert, Sammlung Wien Museum

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Der erste Eislaufplatz des WEV um 1890, rechts die Pfarrkirche St. Othmar unter den Weißgerbern. Foto © WEV

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Eisschnelllauf-Konkurrenz auf dem alten Platz, 1890, Foto © WEV

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Eislaufverein, Postkarte vor 1905, Sammlung Wien Museum

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Ein beliebter Platz zum Eislaufen war schon  sehr früh auch das zugefrorene Becken des Wiener Hafens, der sich damals in der Gegend des heutigen Bahnhofs Wien-Mitte befand, auf der Höhe Gigergasse – Invalidenstraße. Nachdem der Hafen 1849 endgültig stillgelegt worden war, wurde dort am 3. Februar 1867 schließlich der Wiener Eislaufverein gegründet. Die konstitutionelle Verfassung 1860/61 hatte nämlich auch eine Liberalisierung des Vereinswesens gebracht. Sportvereine waren zu dieser Zeit meist ein exklusives Unterfangen, das sich stark an den englischen Clubs orientierte und dementsprechende Hürden bei der Aufnahme vorsah. Auch die 14 Gründer des Wiener Eislaufvereins stammten allesamt aus dem Adel und dem Großbürgertum.

Dennoch waren die Eintrittspreise für die neue Eislauffläche moderat und sie stand auch Frauen und Kindern offen. Der Jahresbeitrag lag zwischen drei und zehn Gulden, um 30 Kreuzer konnte man eine Tageskarte kaufen. In den Anfängen in Wien als wenig damenhaft verschrien, wurde der Frauen-Eislaufsport im Wiener Eislaufverein von Anfang an gefördert. Meisinger: „Wien hatte hier eine echte Vorreiterrolle, nicht nur im Eiskunstlauf – es gab auch Eisschnellläuferinnen und in der 1920er-Jahren sogar ein weibliches Eishockey-Team.“ Mit der Gründung des Eislaufvereins und dessen erschwinglichen Eintrittspreisen, so die Historikerin, wurde Eislaufen in Wien endgültig zum Breitensport. Am Stephanitag 1867 konnte die damalige Natureisbahn eröffnet werden, im ersten Jahr hatte der Verein bereits 313 Mitglieder und über 15.000 Besucherinnen und Besucher. Als mit dem Bau der Stadtbahn begonnen wurde, übersiedelte der WEV 1901 auf seinen heutigen Standort am Heumarkt, der zu der Zeit Teil des Glacis war. Im Jahr 1912 betrieb der Wiener Eislaufverein mit 6000 Quadratmetern bereits die damals größte Kunsteisfläche der Welt.

Ein besonderer Coup war dem Verein 1868 noch am alten Standort gelungen, als er den US-amerikanischen Eistänzer Jackson Haines für einige Vorstellungen nach Wien holen konnte. Einem Auftritt wohnte sogar der Kaiser bei und die Wiener feierten den ersten Star on Ice frenetisch. Unter den begeisterten Zuschauern war auch ein Mann, dessen Name aus der Geschichte des Eislaufsports in dieser Stadt bis heute nicht wegzudenken ist: Der Wachstuchfabrikant Eduard Engelmann wohnte dem Ereignis im Eislaufverein nicht nur bei, er war derart angetan, dass er 1871 nicht nur einen Eislaufplatz in der damaligen Vorstadt Hernals gründete, der bis heute, wenn auch in mittlerweile in luftiger Höhe, besteht. Er sollte auch der erste einer Eiskunstlauf-Dynastie werden, aus der zwischen 1892 und 1936 insgesamt 17 Weltmeister, elf Europameister und vier Olympiasieger kamen.

Beeindruckt von den Eislauf-Künsten Jackson Haines ließ Engelmann auf dem Gelände seiner Fabrik rund um einen Nussbaum Wasser für eine Eisfläche aufspritzen, die von Freunden und Bekannten so begeistert angenommen wurde, dass sie laufend vergrößert werden musste. 1873 wurde die Eisfläche schließlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Engelmann Sohn Eduard jun. ließ 1909 schließlich die erste Freiluft-Kunsteisbahn der Welt anlegen, auf der dank eines ausgeklügelten Systems an Kühlrohren auch noch bei leichten Plusgraden gelaufen werden konnte. „Durch Kunsteis zur Eiskunst“ lautete der Slogan von Engelmann.

Noch immer vorne dabei – bei den Hobbyläufern

Österreich war, heute kaum noch vorstellbar, aufgrund der Wiener Vereine einmal eine Großmacht des Eiskunstlaufs. Die Kinder der 1960er- und 70er-Jahre werden sich noch an Namen wie Ingrid Wendl, Emmerich Danzer, Trixi Schuba oder Claudia Kristofics-Binder erinnern - Läuferinnen und Läufer, die Olympische Spiele, Welt- und zuletzt 1982 Europameisterschaften gewannen.

Die Liebe zum Eislaufen ist den Leuten in Wien bis heute erhalten geblieben, bei den Hobbyläufern sind wir noch immer vorne dabei. Nicht umsonst wächst die Fläche des Eistraums vor dem Wiener Rathaus Jahr um Jahr. In der seit Generationen ungebrochenen Begeisterung für die Bewegung auf zwei Kufen liegt wohl auch die Erklärung dafür, mit welcher Vehemenz die Eisfläche des Wiener Eislaufvereins am Heumarkt vor jeglichen Umbauplänen verteidigt wird. „Das Eislaufen hatte in Wien stets auch eine integrative Funktion und einen sozialen Aspekt“, betont Meisinger, „im Wiener Eislaufverein sieht man heute noch ältere Menschen eislaufen, die ihre Liebe zu diesem Sport an ihre Kinder und Enkelkinder weiter gegeben haben.“

Bettina Fernsebner-Kokert ist freie Journalistin und Autorin. Sie hat als Redakteurin bei der Tageszeitung „Der Standard“ viele Jahre über Wien-Themen berichtet.

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Kommentare

Redaktion

Hallo Tina, danke für den Kommentar! Interessante Geschichte, die sich mit den Erinnerungen unserer Kuratorin Regina Karner deckt, die dort als Kind eislaufen war! Liebe Grüße, das Wien Museum Magazin-Team

tina

Unsere Nachbarin hat uns erzählt das sie früher (vor ca 40 J.)sogar am Gaudenzdorfer Gürtel eislaufen war.Da gabs einen Eislaufplatz, mit einer kleinen Holzhütte für Verpflegung und zum Schuhe anziehen (dort wo jetzt eine riesige wilde Wiese ist. Wär schön wenn es den wieder gäbe :-)