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Bettina Fernsebner-Kokert, 14.10.2019

Ferdinand Piatnik

Schutzpatron der Kartenspieler

Rund 200 Spielkarten-Hersteller gab es einst in Wien. Warum setzte sich ausgerechnet Ferdinand Piatnik, der vor 200 Jahren geboren wurde, durch? Porträt eines innovativen Unternehmers, der den Spielkarten-Boom im Vormärz für sich zu nutzen wusste.

Als der 23-jährige Ferdinand Piatnik im Jahr 1843 die Kartenmalerei seines verstorbenen Arbeitgebers Anton Moser übernahm und dessen Witwe Josepha heiratete, sollte dies der Beginn eines bis in die Gegenwart erfolgreichen  Traditionsunternehmens werden. Die „Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik & Söhne GmbH & Co. KG“ ist heute international  tätig, der Name des Unternehmens mit dem Jockey als Markenzeichen ist zu einem Synonym für Spiele und insbesondere Spielkarten geworden. Nicht nur das, passionierte Kartentippler haben den Gründervater quasi zu ihrem Schutzpatron erkoren und bitten ihn um Unterstützung, wenn sie einmal ein mieses das Blatt in der Hand haben: „Heiliger Piatnik, schau‘ oba!“, lautete seit jeher das Stoßgebet beim Tarockieren und Schnapsen.

Vor 200 Jahren, am 14. Oktober 1819 in Budapest zur Welt gekommen, erlernte Firmengründer Ferdinand Piatnik dort sein Handwerk von der Pieke auf und schloss 1839 seine Lehre zum Kartenmaler beim Spielkartenhersteller Johann Gravatz mit der Gesellenprüfung ab. Anschließend ging der junge Ferdinand – wie damals üblich – auf die Walz und begann in Wien in der Kartemalerei „Zur Goldenen Sonne“ von Anton Moser in der damaligen Vorstadt Schottenfeld (im heutigen 7. Bezirk) zu arbeiten.

Als er nach dem Tod Mosers dessen Unternehmen übernommen hatte, konnte sich sein unternehmerisches Talent rasch voll entfalten. Ferdinand Piatnik baute seine Firma laufend aus und schon bald zeigte sich, dass er, der, wie es sich für eine Unternehmerdynastie geziemt, später „der Erste“ genannt werden sollte, die Innovationsfreude, den Weitblick und die Fähigkeit, Chancen zu nutzen, besaß, die jeden großen Unternehmer auszeichnet.

200 Spielkarten-Manufakturen in Wien

Wien war seit den 1830er-Jahren neben Paris und Lyon zu einem der Zentren der Spielkartenproduktion in Europa geworden. Was die Wien hergestellten Karten auszeichnete, war deren hohe Qualität. Ferdinand Piatnik war zu Beginn jedoch nur einer von vielen Produzenten – in rund 200 Manufakturen wurden damals in der Hauptstadt des Habsburgerreiches Spielkarten in Handarbeit bedruckt und bemalt, viele hatten nicht mehr als fünf Angestellte. Das sollte aber nicht lange so bleiben, denn Piatnik setzte unternehmerisch stets auf die richtige Karte und konnte die Konkurrenz mit seiner Innovationsfreude bald überholen. Im Lauf der Zeit übernahm er andere Spielkartenfirmen, die zum Verkauf standen.

Zu Beginn produzierte auch Piatnik seine Karten noch im Manufakturbetrieb, wobei die schwarzen Umrisse gedruckt und die Bögen mit den Karten im Anschluss mithilfe von Schablonen händisch bemalt wurden. Rascher als andere Spielkartenproduzenten machte er sich jedoch die Vorteile der Industrialisierung zunutze und stellte seine Manufaktur, die mittlerweile in die heutige Kaiserstraße 56 übersiedelt war, auf industrielle Fertigung um. Die günstigere Produktionsweise brachte größere Gewinnspannen, die Ferdinand Piatnik wieder in den Ausbau seines „House of Cards“ investierte.

Als der Unternehmenssitz in der Kaiserstraße für die neue maschinelle Produktion zu klein geworden war, ließ der expandierende Firmengründer 1880 den damaligen Firmensitz in der Kaiserstraße abreißen und durch einen vierstöckigen Bau ersetzten. Das Haus ist bis heute noch im Besitz von Piatnik, die heutige Firmenzentrale und die Produktionsstätten wurden unter Piatniks Söhnen 1891 auf die damals noch grüne Wiese gestellt, die heute die Hütteldorferstraße 229 – 231 ist.

Zeitvertreib im privaten Raum

Nun sollte man meinen, dass die gesellschaftlichen Entwicklungen im Vormärz kurz vor der Revolution des Jahres 1848 die Nachfrage nach Spielkarten noch gesteigert hatte. Der Polizeistaat  und das Spitzelsystem, das Staatskanzler Metternich seit dem Wiener Kongress 1814/15 errichtet hatte, hatte die Menschen dazu gebracht, sich mehr und mehr ins Private zurück zu ziehen, es war die Zeit des Biedermeiers und der Wiener Salons – also gesellschaftlicher Rückzugsräume, in denen das Kartenspiel ein beliebter Zeitvertreib des zunehmend unzufriedenen Bürgertums wurde, das unter Metternich seine politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten verloren hatte.

Doch der Spielkartenboom war zu dieser Zeit ein weltweites Phänomen und nicht auf das Habsburgerreich und Wien beschränkt. In den USA wurde das Kartenspielen damals ebenso beliebt wie in anderen Teilen Europas. Auch das Bild der Wiener Kaffee- und Gasthäuser als die Orte, an denen vor allem gespielt wurde, muss ein wenig zurechtgerückt werden: Karten gespielt hat man seit jeher vor allem zu Hause im privaten Bereich.

Politischer Protest mit Spielkarten

Dennoch waren Spielkarten im Vormärz auch ein ideales Medium für subtilen politischen Protest. So kamen um 1830 herum vermutlich aus ungarischer Produktion Karten auf den Markt, die mit Motiven aus „Wilhelm Tell“ bedruckt waren. Der Eichel Ober zeigte den Schweizer Freiheitskämpfer, was natürlich eine Provokation für Metternich bedeutete und da der Ober eben den Unter sticht, wurden die Tell-Karten von der Zensur rasch wieder verboten.

Eine entscheidende Neuerung, die Ferdinand Piatnik schließlich einen gewaltigen Wettbewerbsvorteil brachte, war seine Weiterentwicklung der Beschichtung der Karten mit Lack. Bereits davor hatte es lackierte und unlackierte Karten gegeben. Sie unterschieden sich im Preis und in der Haltbarkeit, die Beschichtung gab den Karten, die aus mehreren zusammengeleimten Papierschichten bestanden, mehr Festigkeit, verhinderte, dass sie allzu leicht verschmutzten und machte sie abwaschbar. Piatnik perfektionierte die Kartenbeschichtung und erhielt dafür 1861 sogar ein kaiserliches Privileg.

Drei Jahre vor Ferdinands Tod im Jahr 1885 traten seine beiden Söhne Ferdinand, „der Zweite“ (1857 –  1930) und Adolf (1859 – 1940) ins Unternehmen ein, wenige Jahr später auch sein jüngster Sohn Rudolf (1865 – 1927). Die Firma „Ferd. Piatnik & Söhne“ war geboren.

Bettina Fernsebner-Kokert ist freie Journalistin und Autorin. Sie hat als Redakteurin bei der Tageszeitung „Der Standard“ viele Jahre über Wien-Themen berichtet.

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