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Ursula Storch, 16.2.2021

Ferdinand Schmutzer

Ein Starporträtist der Wiener Gesellschaft

Ob Sigmund Freud, Pablo Casals, Arthur Schnitzler oder Albert Einstein: Von Ferdinand Schmutzer ließen sich viele Prominente porträtieren. Während der Künstler zu seiner Zeit vor allem für seine Radierungen berühmt war, wurde er in jüngster Zeit auch als Fotograf „entdeckt“.

„Das ist einer von den festgefügten Menschen; still in sich beharrend von Anfang an, unbeirrbar, wurzelecht und einfach. Wie ein Baum, der aus guter Erde aufwächst, am rechten Platz, und dem es von außen nicht an Sonne, von innen niemals an Kraft fehlt: Ferdinand Schmutzer, der Maler und Radierer.“ Mit diesen Worten eröffnete Felix Salten, der vielseitig interessierte Journalist und Schriftsteller, im Juli 1920 einen Artikel über den damals 50-jährigen Wiener Künstler in der „Neuen Freien Presse“.

Im Rahmen seiner Tätigkeit als Kunstkritiker beschäftigte sich Salten über mehr als drei Jahrzehnte hinweg immer wieder mit Ferdinand Schmutzer, und so sind auch in der aktuellen Ausstellung des Wien Museums, die unter dem Titel „Im Schatten von Bambi. Felix Salten entdeckt die Wiener Moderne“ im MUSA gezeigt wird, einige Werke Schmutzers gemeinsam mit Saltens Kommentaren dazu ausgestellt.

Wer aber war dieser heute nur mehr wenig bekannte Ferdinand Schmutzer, der mit Felix Salten befreundet war und der mit ihm nicht nur dieselben Initialen teilte, sondern auch wie er über ein ähnlich weit verzweigtes Kulturnetzwerk in Wien um 1900 verfügte?

Ferdinand Schmutzer (1870 – 1928) stammte aus einer Wiener Künstlerfamilie. Während sein Vater und sein Großvater das Bildhauerfach wählten, trat er in die Fußstapfen seines Urgroßvaters: Dieser war auf Anordnung Maria Theresias 1762 nach Paris geschickt worden, um dort bei Johann Georg Wille die Kunst des Kupferstechens zu perfektionieren, und hatte nach seiner Rückkehr 1766 die k.k. Kupferstecher-Academie in Wien gegründet.

Ferdinand Schmutzer studierte an der Wiener Akademie Malerei bei Carl Müller und Joseph Matthias Trenkwald, sowie Radierung bei William Unger. Danach ermöglichten ihm verschiedene Preise und Stipendien einen zweijährigen Studienaufenthalt in Holland. Wieder zurück in Wien, stellte er 1896 im Künstlerhaus aus, erhielt im folgenden Jahr die Große goldene Staatsmedaille und wurde 1901 Mitglied der Wiener Secession. Von 1908 bis 1926 hatte er eine Professur an der Wiener Akademie als Leiter der Spezialschule für graphische Künste inne. Außerdem war er von 1914 bis 1917 Präsident der Secession und von 1922 bis 1924 Rektor der Akademie. 1910 zog er mit seiner Familie in eine vom Architekten Robert Oerley für ihn errichtete Villa samt großzügigem Atelier in der Sternwartestraße, wo seine Frau Alice einen Salon unterhielt. Hier trafen sich auch des Öfteren die Freunde aus der umliegenden Nachbarschaft wie Arthur Schnitzler und Felix Salten.

Ursprünglich von der Malerei kommend, arbeitete Ferdinand Schmutzer wie viele seiner Kollegen in den 1890er-Jahren an dem vom Verlag Gerlach und Schenk herausgegebenen Vorlagenwerk „Allegorien. Neue Folge“mit, zu dem er Musterdarstellungen für die Allegorien „Tanz“ und „Liebe“ beisteuerte.

Ab 1896 beschäftigte er sich auch mit kleinformatigen Radierungen, die er vor allem nach Vorlage von Ölbildern anfertigte, wobei ihn holländische Genreszenen mit starken Lichtinszenierungen besonders interessierten.

Seinen ersten Auftrag für eine Porträtradierung erhielt er 1897: In Vertretung seines ehemaligen Lehrers an der Akademie, William Unger, fertigte er ein Porträt des späteren Unterrichtsministers Vinzenz Graf Baillet de Latour an. Spätestens mit dem zwei Jahre später entstandenen Porträt des greisen Rudolf von Alt avancierte Ferdinand Schmutzer zum gefragten Salonporträtisten Wiens. Auch wenn er punktuell immer wieder gebrauchsgrafische Aufträge entgegennahm, wie das Plakat für „Ellischauer Schmettenkäse“ (1899) oder den Aufruf „Spendet Bücher unseren Gefangenen in Feindesland“ (1917), hatte er mit den radierten Porträts seiner Zeitgenossen seine eigentliche Berufung gefunden.

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Eine Aufstellung der von Ferdinand Schmutzer Porträtierten liest sich wie ein Who is Who der berühmtesten Personen aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Um nur einige von ihnen namentlich zu nennen, sei hier auf die Porträts von Arthur Schnitzler, Richard Strauss, Karl Lueger, Josef Kainz, Sigmund Freud oder auch Kaiserin Elisabeth verwiesen. Aber auch jenseits der Landesgrenzen wurde Schmutzer für seine lebensnahen Darstellungen geschätzt, wie die Porträts von Kaiser Wilhelm II., der Tänzerin Gertrude Barrison, dem Cellisten Pablo Casals oder Albert Einstein belegen.

Es gab darunter manche schwierige Auftraggeber, die wiederholt von Schmutzer verlangten, Details ihrer Porträts auf der Druckplatte so lange zu verändern, bis sie restlos zufrieden mit dem Ergebnis waren. So sind z. B. vom Porträt des Thronfolgers Franz Ferdinand 22 verschiedene Zustände bekannt. Weit öfter gab es aber sehr positive Kommentare, wie etwa denjenigen von Sigmund Freud in einem Brief an Ferdinand Schmutzer, in dem er schreibt: „Mir macht sie [die Radierung] eine ungemeine Freude und es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen für die Mühe zu danken, die Sie sich mit der Wiedergabe meines garstigen Gesichts gegeben haben und die Versicherung zu wiederholen, dass ich mich erst jetzt aufgehoben für die Nachwelt fühle.“

Ein Spezialgebiet Ferdinand Schmutzers waren darüber hinaus überdurchschnittlich große Radierungen: Seine Darstellung der vier Streicher des Joachim-Quartetts mit den Maßen 88,4 x 122,7 Zentimeter galt 1904 als eine der größten Radierungen weltweit. Andere großformatige Gruppenbilder waren etwa „Hofrat Professor Dr. Rudolf Chrobak mit seinen Schülern im Operationssaal“ (1908), oder die „Orchesterprobe der Wiener Philharmoniker unter Felix von Weingartner“ (1926), in dem die Porträts von 53 Musikern ausgearbeitet sind. Mit diesen Großformaten bezweckte Ferdinand Schmutzer ganz allgemein eine Aufwertung der Druckgrafik, die nicht mehr bloß gesammelt werden sollte, um dann in Mappen zu lagern. Der allein aufgrund ihrer Größe durchaus repräsentative Charakter dieser Blätter sollte ihre Besitzer dazu animieren, sie auch gerahmt in ihren Wohnräumen an die Wand zu hängen.

 

Auch in anderer Weise legte Ferdinand Schmutzer großen Wert auf die Eigenständigkeit eines Werks und seines Kunstcharakters: Während sein Lehrer, William Unger, noch die Reproduktion von älteren Werken als Hauptaufgabe der Radierung angesehen hatte, war es Schmutzer in seinem Unterricht an der Akademie ab 1908 bereits ein wesentliches Anliegen, darüber hinaus auch die Berechtigung der Originalradierung zu stärken, also die druckgrafische Umsetzung eines freien Entwurfs, ganz ohne Vorlage und Reproduktionsabsicht.

Kennzeichnend für Ferdinand Schmutzers Radierungen sind einerseits die großen Hell-Dunkel-Kontraste, also die oftmalige Darstellung überheller Figuren in dunklen Interieurs wie etwa im Porträt Rudolf von Alts, andererseits vor allem die technische Perfektion, die mit der totalen Beherrschung seines Handwerks, der exakten Kenntnis der unterschiedlichen Ätzverfahren und dem gezielten Einsatz der verschiedenen Arbeitsgeräte wie Nadel, Feile oder Stichel einherging. Oft erscheinen die nuancierten Schraffuren dem Betrachter wie Pinselstriche, die statt der Farbigkeit der Malerei unendlich viele Schwarz-Weiß-Schattierungen beinhalten. Auch die Kunst des Weglassens in manchen Bereichen, wie etwa im Porträt von Richard Strauss, bei dem das Gesicht fotorealistisch ausgearbeitet ist, während Oberkörper und Hintergrund nur angedeutet erscheinen, verstand Ferdinand Schmutzer meisterhaft.

Fragt man sich, wie Schmutzer bei seinen verblüffend lebensnahen Porträtradierungen im Einzelnen vorging, so haben sich die Erkenntnisse darüber im Lauf der Zeit verändert. Arpad Weixelgärtner, der bereits 1922 ein Werkverzeichnis der bis dahin entstandenen Radierungen Schmutzers veröffentlicht hatte, berichtet von Naturstudien vor dem Modell in Form von Zeichnungen, die dann auf die Platte übertragen wurden. Im Fall von bereits verstorbenen Personen hätte Schmutzer sich mit Fotografien beholfen.

Dem steht die Forschung der letzten zwanzig Jahre entgegen, die Ferdinand Schmutzer auch als durchaus professionellen Fotografen in den Blick genommen hat. Seither wurde sein fotografischer Nachlass, der aus 3.162 Glasplattennegativen in der Österreichischen Nationalbibliothek und 369 Vintage Prints im Wiener Stadt- und Landesarchiv besteht, minutiös bearbeitet. Demnach dürfte Schmutzer spätestens seit 1896 selbst fotografisch tätig gewesen sein. Seine Fotos entstanden zumeist in seinen Atelierräumlichkeiten, wo er auch eine eigene Dunkelkammer besaß. Er nahm seine Kamera aber auch auf Reisen mit, so etwa 1913 nach Berlin, wo er Kaiser Wilhelm II. im Vorfeld seiner Porträtradierung fotografierte. Oft entstanden bei dieser Arbeitsweise ganze Fotoserien einzelner Personen. Diese Fotos übersetzte er dann oft eins zu eins auf die Druckplatte. Zusätzliche Porträtzeichnungen fertigte er an, um die Schraffuren, Schatten und Lichter auszuarbeiten. Wie raffiniert er die Fotografie nützte sieht man etwa auch daran, dass er im Fall des großformatigen „Joachim-Quartetts“ das Bild aus vier Einzelfotografien der Streicher zusammensetzte.

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In der Verwendung der Fotografie, einer zu seiner Zeit überaus modernen Technik, zeigt sich bei Ferdinand Schmutzer übrigens eine weitere Verwandtschaft mit Felix Salten, der ebenfalls eine eigene Kamera besaß und gerne – wenn auch nur für private Zwecke – fotografierte. Letzten Forschungen zufolge könnte die starke fotografische Wirkung von Schmutzers Porträtradierungen jedenfalls der Grund dafür gewesen sein, dass diese so begehrt waren. Persönliche Äußerungen Ferdinand Schmutzers dazu haben sich bislang keine gefunden. Er wäre aber vermutlich erstaunt darüber, dass die vereinzelt auftauchenden Silbergelatineabzüge seiner Fotos in den letzten Jahren bei Auktionen zumeist höhere Preise erzielen konnten, als seine Radierungen…

 

In der Ausstellung „Im Schatten von Bambi. Felix Salten entdeckt die Wiener Moderne“ sind sechs Bilder von Ferdinand Schmutzer ausgestellt.
 

Literatur:

Ferdinand Schmutzer zur 50. Wiederkehr seines Todestages. Ölbilder – Aquarelle – Radierungen – Zeichnungen. 57. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Wien 1978

Ferdinand Schmutzer (1870 – 1928). Porträtist des Wiener Geisteslebens, hrsg. vom Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien, Wien 1998

Felix Salten: Ferdinand Schmutzer, in: Neue Freie Presse, Wien 18.7.1920

Arpad Weixelgärtner: Das radierte Werk von Ferdinand Schmutzer 1896-1921, Wien 1922

Anna Hanreich: Die Kamera des Grafikers. Ferdinand Schmutzer – Fotografien aus Wien um 1900
Wien, 2016
 

Ursula Storch, Studium der Germanistik und Kunstgeschichte in Wien, seit 1992 Kuratorin und seit 2008 stellvertretende Direktorin im Wien Museum. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen zu kunst- und kulturhistorischen Themen aus der österreichischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. 
 

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