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Flugfeld Aspern
„Internationalster Flughafen der Welt“
Aspern ist ein geschichtsträchtiger Boden. 1809 besiegten hier die österreichischen Streitkräfte unter Erzherzog Karl die französischen Truppen Napoleon Bonapartes. 1927 wurden bei archäologischen Grabungen Keramiken der linearbandkeramischen Kultur (etwa 5.000 v. Chr.) gefunden, die davon zeugen, dass Aspern zu den ältesten Siedlungsgebieten Wiens zählte. Seit 2007 wird hier im Bezirk Donaustadt mit der Seestadt Aspern eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas realisiert. Und zwischen diesen doch sehr unterschiedlichen Zeithorizonten wurde von 1912 bis 1977 auf dem Flugfeld Aspern in luftigen Höhen Geschichte geschrieben.
„Wiener Flugwoche“ übersiedelt von Simmering nach Aspern
Eröffnet wurde das Flugfeld Aspern am 23. Juni 1912 mit einem „Internationalen Flugmeeting“. Hintergrund für diesen neuen Austragungsort der „Wiener Flugwochen“ war die Tatsache, dass die Pioniere der Aviatik nicht mehr vom Flugfeld Simmeringer Haide starten wollten, zumal die zunehmende Verbauung der Umgebung ein Gefahrenpotenzial für etwaige Notlandungen darstelle.
Bereits diese erste Flugveranstaltung in Aspern verlief turbulent. Drei Unfälle und vier neue Rekorde wurden verzeichnet, u. a. Höhenrekorde vom österreichischen Flugpionier Oberleutnant Philipp Ritter v. Blaschke. Auch der französische Luftfahrtpionier Roland Garros fand lobende Worte für diese Flugwoche, der Schätzungen zufolge über 100.000 Besucher und Besucherinnen beiwohnten. An dieser Stelle sei zudem erwähnt, dass Österreich im Jahr 1912 mit zahlreichen Weltrekorden im internationalen Ranking zu den top Flugnationen zählte.
Landung des Luftschiffes LZ 17 „Sachsen“
Das nächste Highlight im Vorfeld der 2. Internationalen Flugwoche war die mit Spannung erwartete Landung des Luftschiffes LZ 17 „Sachsen“ mit Graf Ferdinand Zeppelin an Bord. Der von Hugo Eckener gesteuerte Zeppelin startete am 9. Juni 1913 in Baden-Baden und bewältigte die 760 Kilometer lange Strecke über Stuttgart, Ingolstadt, Passau und Linz nach Wien in 9 Stunden und 26 Minuten. Vor der Landung in Aspern (14.53 Uhr) fuhr der Zeppelin in einem großen Bogen über den Nussberg, Döbling, Währing, Ottakring, Rudolfsheim und Schönbrunn, wo Kaiser Franz Joseph das Luftschiff in Augenschein nehmen konnte. Das „Volksblatt für Stadt und Land“ berichtete in der Ausgabe vom 15. Juni, dass sich „auf allen Balkonen, in allen Fenstern, ja auf den Dächern der Häuser sofort Neugierige zeigten, in den Straßen der Verkehr zu stocken begann und sich Hunderte und Tausende auf den größeren Plätzen sammelten.“
Erster tödlicher Flugunfall in Aspern
Am 9. März 1914 ereignete sich der erste tödliche Unfall am Flugfeld Aspern. Oberleutnant Eugen Elsner, der im Jahr zuvor bereits die Alpen überflogen hatte, stürzte mit einem Lohner-Pfeilflugzeug durch Tragflächenbruch ab und verunglückte tödlich. Rund ein Monat später standen in Wien-Aspern die waghalsigen Schauflüge von Baron Robert Pasquier auf dem Programm. Der Franzose zeigte in einer Blériot u. a. Loopings, Rücken-, Spiralen- und Schleifenflüge. Anschließend gab es die nächste Sensation: ein Fallschirmsprung aus ca. 400 Meter Höhe, der allerdings mit einer Bruchlandung des Flugzeuges (Deperdussin monoplane) und einem zerrissenen Fallschirm endete – Pilot und Fallschirmspringer überlebten dieses Unglück.
Abermals verfolgten tausende Schaulustige die Veranstaltung, zugleich wurden aber auch kritische Stimmen laut, nachzulesen u. a. in einem Beitrag der „Wiener Luftschiffer-Zeitung, Jg. 13“: „Da fragt es sich denn doch: Ist es gut, die Sensationslust der Massen aufzuschüren? Wirkt es nicht demoralisierend, ist es nicht eine frevle Spekulation auf brutale Instinkte, den Leuten den Mund nach Bravourstücken wässern zu machen, deren stärkster Reiz in der geheimen Erwartung liegt, daß sie vielleicht fehlschlagen könnten? Gewiß, man muß heute schon zu besonderen Mitteln greifen, um ein Flugfeld zu füllen, denn das einfache Fliegen wird jedem, der es einmal gesehen hat, bald langweilig. Aber muß es denn sein, daß sich eine Völkerwanderung nach Aspern ergießt, wenn man der Menge nichts zu bieten hat, als einen grausam-pikanten Nervenkitzel? Die Schönheit der Flüge Pasquiers in allen Ehren – aber das andere Um und Auf war traurig. Von den wüsten Szenen, der ganz unwienerischen Rücksichtslosigkeit und Roheit bei der Erstürmung der Straßenbahnwagen bis zu der Nonchalance, mit der das Publikum des Flugfeldes die zwei Unglücksfälle hinnahm, Symptome einer bedenklichen Verpöblung der Massenpsyche.“
Ende der ersten Glanzzeit – Beginn der Luftpost
Obgleich das 3. Wiener Flugmeeting als „Weltderby der Lüfte“ angekündigt wurde (21. bis 29. Juni 1914) und die beiden vorangegangenen Flugwochen in allen Belangen an Wagemut und neuen Rekorden übertreffen sollte (u. a. vier Höhenweltrekorde mit Flügen bis auf 5.440 Meter), musste es aus politischen Gründen vorzeitig abgebrochen werden. Die Ermordung des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo setzte am 28. Juni 1914 nicht nur dem Meeting ein vorzeitiges Ende, auch der ersten großen Glanzzeit Asperns. Mit der Mobilmachung und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde der zivile Flugbetrieb eingestellt und fortan befand sich der Flugplatz in militärischen Händen.
Im letzten Kriegsjahr wurde am Flugfeld Aspern allerdings erneut Geschichte geschrieben. Am 20. März 1918 startete das erste Postflugzeug von Aspern und war auf der Route über Krakau, Lemberg nach Proskurow und Kiew unterwegs. Ob die Luftpost Zukunft hätte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Bald darauf wurde der Luftpostverkehr auf dieser 1.200 Kilometer langen Strecke zur täglichen Routine. Realisiert wurde der Luftpostverkehr von den Fliegerverbänden des Heeres. 22 Flugzeuge, 14 Unteroffizierspiloten und 16 Beobachtungsoffiziere waren in der Folgezeit für diese Linie im Einsatz. Ab 20. Mai beförderte die Post auch Telegramme zwischen Wien, Galizien und der Bukowina, zum Einsatz kamen hauptsächlich Hansa-Brandenburg-C1-Maschinen aus verschiedenen österreichisch-ungarischen Produktionsstätten.
Drehscheibe zwischen West und Ost
Nach dem Ersten Weltkrieg bestand zunächst die Hoffnung, dass die Fortschritte, die das Flugwesen im Krieg erfahren hatte, nun auch friedlich genutzt werden können. Doch der Friedensvertrag von Saint-Germain (1919) verhieß für die neu gegründete Republik Österreich zunächst ein Luftfahrtverbot, intakte Flugzeuge und Motoren wurden zerstört, die technischen Anlagen großteils geschleift, selbst der Bau von Zivilflugzeugen wurde untersagt. Lediglich die Siegermächte durften in Wien-Aspern landen und abheben.
Erst 1922, nach der Übernahme in die Verwaltung des Bundesministeriums für Handel und Verkehr, wurde der Asperner Flughafen wieder für den internationalen Flugverkehr geöffnet. Am 1. Mai 1922 nahm die Compagnie franco-roumaine de navigation aérienne (CIDNA) den Linienbetrieb auf der Strecke Paris–Prag–Wien–Budapest auf und war damit die erste internationale Fluggesellschaft, die Aspern anflog. Ab Herbst wurde die Route bis Istanbul ausgedehnt. Auf diese Weise wurde Wien zur Drehscheibe zwischen der westlichen Welt und dem Balkan. Der Flughafen Wien-Aspern konnte wieder in eine verheißungsvolle Zukunft blicken.
„Internationalster Flughafen der Welt“
Ab 21. April 1924 nahm die erste österreichische Fluggesellschaft in Aspern den Flugbetrieb auf – die Österreichische Luftverkehrs AG (ÖLAG). Zwei Jahre später wurde der Flugplatz erweitert und erhielt u. a. eine Funkanlage sowie eine Beleuchtung des Flugfeldes und der Gebäude. Ein ganzjähriger Flugbetrieb konnte ab 1928 verzeichnet werden, verbunden mit einer Verbesserung der Infrastruktur – u. a. einer Vergrößerung des Abfertigungsgebäudes und der Errichtung eines Restaurants. 1930 wurde der Flughafen Aspern (ICAO-Code: LOWA) bereits von zehn Fluggesellschaften – darunter die Lufthansa sowie die Imperial Airways (auf der Fernlinie London–Indien) – angeflogen, was dem Flugplatz den schmeichelhaften Titel „internationalster Flughafen der Welt“ eintrug. In den Folgejahren kamen Fluggesellschaften wie die Air France, Swissair und die KLM dazu.
Zeppelin „die Zweite“
Die allgemeine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage Anfang der 1930er Jahre machte auch vor dem Flugsektor keinen Halt. Die ÖLAG versuchte u. a. durch Kürzungen der Flüge Einsparungen zu erreichen. Willkommene Abwechslung in dieser Zeit war die Landung des Luftschiffes LZ 127 „Graf Zeppelin“ am 12. Juli 1931 in Wien-Aspern. Mehr als 100.000 Menschen waren zu diesem Event gekommen, unter ihnen zahlreiche Ehrengäste wie Bundespräsident Miklas und Bundeskanzler Buresch. 300 eigens geschulte Soldaten des Bundesheeres waren im Einsatz, um den Zeppelin mit Seilen am Boden zu verankern. Im Flughafenrestaurant wurden an diesem Tag 30.000 Liter Fassbier ausgeschenkt. „LZ 127“ unternahm von Aspern aus eine Österreichrundfahrt und landete gegen 18 Uhr nochmals am Flugfeld. Von diesem historischen Ereignis existiert im Österreichischen Filmmuseum ein Tonfilmbericht der Selenophon Tonfilmschau Austria (im Internet abrufbar unter https://stadtfilm-wien.at/film103/).
Einziger Luftangriff im Zuge der Februarkämpfe
Im krassen Gegensatz zum Volksfestcharakter der Zeppelin-Landung sollten die darauffolgenden Jahre stehen. Im Zuge der Februarkämpfe des Bürgerkrieges in Österreich startete Godwin Brumowski, der erfolgreichste Jagdflieger der k.u.k. Luftfahrtruppen im Ersten Weltkrieg, vom Flughafen Wien-Aspern aus den einzigen Luftangriff dieser Auseinandersetzung. Ziel des Angriffes war der Gemeindebau Goethehof, der als eines der Zentren des Aufstandes gegen die von Dollfuß angeordnete Entwaffnung der sozialdemokratischen Schutzbündler galt. Im selben Jahr wurde eine UKW-Funkbake mit drei 70 Meter hohen Antennenmasten in Betrieb genommen. 1935 wurden die ersten Junkers Ju 52/3m (Spitzname „Tante Ju“) der ÖLAG stationiert, im selben Jahr etablierte sich die Österreichische Luftwaffe mit einem Geschwader am Flugplatz.
Vom zivilen Flughafen zum Luftwaffenstützpunkt
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der Flughafen Aspern umgehend in einen Luftwaffenstützpunkt umfunktioniert und erhielt drei neue Betonpisten, des Weiteren wurden auf dem Areal Flugabwehrkanonen positioniert. Abgesehen von rein militärischen Zwecken, bildete der Flughafen Aspern am 29. Mai 1938 den Endpunkt des Deutschlandfluges, eines seit 1911 ausgetragenen Piloten-Wettbewerbes. In der NS-Zeit wurde diese Veranstaltung zu einer gigantischen Leistungsschau hochstilisiert. An diesem Tag landeten 347 Maschinen in Aspern, ein Rekord, der später nie mehr übertroffen werden sollte. Was die zivile Luftfahrt betrifft, wurde diese von der Lufthansa bis zum 5. April 1945 aufrechterhalten. Am 6. April wurde der Flugplatz geräumt.
Nachkriegszeit: Sportfliegerei und Autorennen
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war der Flughafen großteils zerstört. Lediglich die drei Betonpisten waren intakt und so diente das Asperner Flugfeld, das bis 1955 zur russischen Besatzungszone zählte, den Sowjets als Luftstützpunkt. Nach Abzug der alliierten Truppen erfolgte der Wiederaufbau, wobei von Anbeginn klar war, dass in Zukunft der Flughafen Wien-Schwechat, der 1938 als Militärflugplatz („Luftwaffenstützpunkt Schwechat-Ost“/„Heidfeld“) gegründet wurde, zum Hauptflughafen Wiens ausgebaut wird.
Aspern wurde vom Österreichischen Aero-Club als Privatflugplatz übernommen und fortan in erster Linie für Sportflugzeuge genutzt, die Kommissionierung erfolgte am 26. Jänner 1956. Schon im Mai 1956 waren die Sanierungsarbeiten so weit fortgeschritten, dass die 1. Österreichische Flieger- und Fallschirmspringerschule nach Aspern übersiedeln und man einen internationalen Flugtag sowie einen Sternflug veranstalten konnte. In den 1950er und 1960er Jahren war Aspern Schauplatz einer Reihe von Flugveranstaltungen, insbesondere 1962 zum 50. Jubiläum des Flugplatzes.
Ebenfalls erwähnenswert: Seit Juni 1956 fanden auf der Flugpiste regelmäßig Autorennen statt, die sich bei Teilnehmern und Publikum großer Beliebtheit erfreuten. Bereits das erste Rennen lockte 30.000 Besucher an die Achterschleife. In den darauffolgenden Jahren gingen in Aspern Rennsport-Legenden wie Dieter Quester, Jochen Rindt, Niki Lauda, Jim Clark und Keke Rosberg an den Start.
Ende einer Flugära
Am 31. März 1977 war dann offiziell das endgültige Ende des Flughafens Wien-Aspern besiegelt. Die Eröffnung der zweiten Piste am Flughafen Wien-Schwechat machte einen weiteren Flugbetrieb unmöglich, da die Einflugschneise der neuen Piste zu nahe an Aspern gelegen war. Einige Tage zuvor kündigte die „Kurier“-Journalistin Lore Kasbauer die Abschiedsveranstaltung an: „Mit einem letzten großen Luftspektakel werden sich morgen die Flieger und Fallschirmspringer von ,ihrem Flugplatz’, Wien-Aspern, verabschieden. Montag sperrt er seine Pisten für immer. Die allerletzte Maschine startet Sonntag beim Autorennen [...] mit Kreppbändern und Blumen geschmückt und mit sechs Fallschirmspringern an Bord, unter ihnen vier Mädchen. Dieses Sextett wird über dem Platz abspringen und Blumen über dem Publikum verstreuen.“
Opelwerk und Seestadt Aspern
Nach der Schließung des Flughafens übersiedelten die ansässigen Fliegerclubs großteils nach Wiener Neustadt, etliche Gebäude wurden abgerissen. Nur sporadisch fanden noch Veranstaltungen statt, u. a. Autorennen mit historischen Fahrzeugen, zudem nutzte der ARBÖ das Gelände als Verkehrsübungsplatz bzw. die Wiener Polizei für Motorrad-Fahrtechnikkurse. Seit Anfang der 1980er Jahre befindet sich im Südteil des ehemaligen Flughafenareals das Motorenwerk der Opel Wien GmbH. In seiner Glanzzeit waren hier rund 2.000 Angestellte beschäftigt. Im Oktober 2020 wurde die Produktion von Motoren eingestellt, 2023 eine Schließung des Werkes angekündigt, im Juli 2024 die Serienproduktion von Getrieben endgültig eingestellt.
Zukunftsträchtig entwickelt sich hingegen die seit 2007 im Entstehen begriffene Seestadt Aspern. Will man sich eine Vorstellung davon machen, auf welchem Teil des rund 240 Hektor großen Areals sich früher der Flughafen befunden hat, wäre dies der Bereich des sogenannten „Unteren Hausfeldes“, nordöstlich des Ortskerns gelegen. Als Erinnerung an die Asperner Flugära wurde dem einstmaligen Zentrum österreichischer Fliegerei an der Großenzersdorfer Straße 65 ein kleines Denkmal gesetzt.
Literatur
Gottfried Holzschuh: Der Wiener Flughafen, Erfurt 2023.
Thomas Hofmann, Beppo Beyerl: Die Stadt von gestern. Entdeckungen durch das verschwundene Wien, Graz/Wien/Köln 2018.
Reinhard Keimel: Der Flughafen Wien-Aspern, Erfurt 2009.
Erwin Rössler, www.flugfeld-aspern.at
Peter Ruppert: Vergessenes Wien, Wien 2023.
Aspern – von der Steinzeit zum Motorenwerk. Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 1981.
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