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Susanne Breuss, 1.9.2021

Geschichte des Pyjamas

Ausgezogen und angezogen zugleich

Die Corona-Pandemie und Home Office haben Loungewear, Jogginghosen oder Sweatshirts in den Fokus der Mode gerückt. Nun erlebt auch der Pyjama ein glanzvolles Comeback. Zur Geschichte eines intimen Kleidungsstückes, das viel zur Modernisierung der Frauenkleidung beigetragen hat.

Seine aktuelle Präsenz in der Modeberichterstattung und in den Sortimenten des Handels verdeutlicht, wie sehr sich das Leben vieler Menschen durch die Pandemie verändert hat: Die fließend gewordenen Grenzen zwischen öffentlicher und privater Sphäre, Arbeit, Familienleben und Freizeit sowie zwischen Bett, Sofa, Schreibtisch, Küche und Frischluftschnappen wirken sich auch auf das Kleidungsverhalten aus. Wobei sich manche nun fragen mögen, ob der berühmt-berüchtigte „Sager“ des Designers Karl Lagerfeld „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“ vielleicht doch etwas für sich hat, wenn auch anders, als von ihm gemeint. Und trifft das dann nicht auch auf den Pyjama zu?   

Der Pyjama ist aber nicht zum ersten Mal in der Geschichte zu einem Ausdruck und Symbol veränderter gesellschaftlicher Realitäten geworden. Seinen ersten großen Auftritt hatte er bereits in der Zwischenkriegszeit. Damals eroberte er sich nicht nur neue Räume, sondern mit den Frauen auch noch ein weiteres Geschlecht. Bis dahin war der Pyjama nämlich weitgehend den Männern, dem Schlafzimmer und bestimmten häuslichen Situationen vorbehalten gewesen.

Das Wort Pyjama stammt aus dem Persischen und bezeichnete ursprünglich eine leichte, am Bund mit einer Schnur oder einem Kummerbund versehene Hose, die im süd- und westasiatischen Raum verbreitet war. Britische Kolonialherren brachten das Kleidungsstück bereits im 17. Jahrhundert nach Europa, wo es eine Zeit lang vereinzelt als Freizeitkleidung getragen, jedoch nie populär wurde. Größere Bekanntheit erlangte der Pyjama erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mit der Intensivierung des Überseehandels, zuerst vor allem in England, später auch in anderen europäischen Ländern, und zwar als Schlaf- und Hausbekleidung für Männer. „Zum Schlafen wird ein eigenartiges Kostüm getragen“, berichtete im Jahr 1894 das Neuigkeits-Welt-Blatt aus London, dem damaligen Hotspot der Herrenmode. Gemeint war der Pyjama: „Dieses merkwürdige Kleidungsstück, das die Offiziere aus Indien mitgebracht und das gegenwärtig ein unerläßliches Toilettstück eines echten ‚Gentleman‘ darstellt, ist eine Art langes Hemd mit Fußfortsätzen, aus dünnem, großkariertem Flanell.“  

Der Pyjama wurde zu den Negligés beziehungsweise Déshabillés gezählt, worunter man damals noch ganz allgemein legere Hauskleidung verstand. Als zweiteilige Kombination aus locker geschnittener Hose und hemdartigem Oberteil setzte sich der Pyjama bis zum Ersten Weltkrieg vor allem als Schlafanzug für Männer durch und verdrängte das bis dahin übliche Herrennachthemd. Trotz seiner zunehmenden Beliebtheit war er aber keineswegs unumstritten. Manche Herren bevorzugten nach wie vor das Nachthemd, besonders bei heißen Temperaturen, bei denen es mehr Luftigkeit versprach als der Pyjama, der noch dazu je nach Figur die Leibesmitte etwas zu sehr einzuengen pflegte. Es wurde freilich immer schwieriger, am Nachthemd festzuhalten, da es bald als „unmännlich“ galt und am Männerkörper altmodisch wirkte, ja sogar als „lächerlich“ und „unwürdig“ eingestuft wurde. Langfristig setzte sich der Pyjama als die übliche Schlafbekleidung für Männer durch und er wurde in immer größerer Zahl und Vielfalt angeboten.

Während der Pyjama im späten 19. Jahrhundert noch als ausgesprochen „männliches“ Kleidungsstück galt, tauchte er bald nach der Jahrhundertwende vereinzelt auch in der Damenmode auf. Zunächst diente er als Schlafbekleidung für die Eisenbahn- oder Schiffsreise sowie feuchtes Wetter und feuchte Betten unterwegs – er hielt warm und war gleichzeitig Nacht- und Morgenkleidung, wodurch das Gepäck um ein Kleidungsstück reduziert werden konnte. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg war der Pyjama als „modernes“ und „praktisches“ Kleidungsstück in der Damenmode zwar einigermaßen bekannt, er stellte aber noch keine Selbstverständlichkeit dar – was sich auch daran erkennen lässt, dass sein Gebrauch seitens der Modeberichterstattung noch erläutert werden musste. Empfohlen wurde er als Schlafbekleidung und „intime“ Morgenbekleidung für die Zeit unmittelbar nach dem Aufstehen, für die häusliche Morgengymnastik und als Schlaf- und Morgenbekleidung auf Reisen. Dem Dienstpersonal sollte man sich im Pyjama nicht zeigen, jemanden aus dem engen Freundeskreis konnte man durchaus in ihm empfangen.

Das Tragen eines Pyjamas war also weitgehend auf „private“ und „intime“ Situationen beschränkt, das galt für Frauen ebenso wie für Männer. Mit einem Pyjama war man jedenfalls „angezogener“ als mit einem Nachthemd. Ein 1913 im „Prager Tagblatt“ publizierter Artikel über das Negligé des Herrn fasste die Vorzüge des Pyjamas pointiert zusammen: „Ist es nicht herrlich, ausgezogen und angezogen zugleich zu sein?“ Im Gebrauch dürfte er ausschließlich in mittleren und oberen Gesellschaftsschichten gewesen sein, denn ein derart stark ausdifferenziertes Kleidungsverhalten, das je nach Tätigkeit, Tageszeit und Anwesenheit weiterer Personen unterschiedliche Kleidungsstücke vorsah, war nur in privilegierteren Kreisen üblich und leistbar. In der Damenmode war es zudem noch nicht selbstverständlich, dass Frauen überhaupt Hosen trugen. Aus dieser Tatsache ergab sich auch die Pointe eines Lustspiels mit dem Titel „Das verräterische Pyjama“, das 1914 in den Kinos gezeigt wurde. Darin verdächtigte ein Herr seine Gattin des Fremdgehens, nachdem er in ihrem Boudoir einen Pyjama vorgefunden hatte. Dass er von allein gar nicht auf die Idee kam, es könnte sich dabei um den seiner Gattin handeln, veranschaulicht gut, wie sehr Hosen damals noch als eindeutig „männliches“ Kleidungsstück galten.

Zu lockern begannen sich diese strikten geschlechtsspezifischen Normen erst mit dem Aufkommen neuer Weiblichkeitskonzepte nach dem Ersten Weltkrieg. In der Folge machten sich in der Damenmode verschiedene „maskuline Noten“ bemerkbar, wie teils zustimmend, teils ablehnend vermerkt wurde. Bei der allmählichen Eroberung der „männlichen“ Hose durch die Frauen (dieser Prozess zog sich bis weit in die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg hinein) spielte der Pyjama eine wesentliche Rolle. Mit diesem Kleidungsstück konnten sie in ausgewählten Lebensbereichen neue Bekleidungsgewohnheiten ebenso erproben wie neue Rollenmuster und Handlungsfelder. Ein zentraler Punkt war dabei die Überwindung häuslicher Grenzen: Frauen wie Pyjamas drängten nach draußen, in außerhäusliche Sphären.

Zunächst etablierten und erweiterten sich die Einsatzgebiete des Pyjamas im und rund um das Haus: Er wurde nun auch bei der Hausarbeit getragen, im Garten, auf dem Balkon und auf der Dachterrasse, und man empfing nicht-formellen Besuch in ihm. Schauspielerinnen, die auch damals schon zu den wichtigsten weiblichen Rolemodels zählten, ließen sich für Homestories gerne in einem schicken Pyjama in den eigenen vier Wänden ablichten und machten ihre Hauskleidung auf diese Weise öffentlich. 1929 konstatierte „Die Bühne“: „Der Pyjama […] hat sich heute eingebürgert. Er ist bei allen Frauen beliebt – ob sie jung oder alt sind, schlank oder dick, ob sie die aparte Note unterstreichen oder sich für den häuslich-bürgerlichen Typ entschieden haben.

Sie lieben ihn alle, weil er wandlungsfähig ist wie kaum ein anderes Kleidungsstück, weil er sich heute praktisch, morgen phantastisch gibt, sich heute dem Overall nähert und als solcher eine ideale Kleidung für die häusliche Morgenarbeit ist, ein andermal schön und reich, wie das Gewand einer Odaliske in der blauen Stunde einen teuren Gast berücken kann. Weil es einmal sportlich, einmal schwelgerisch aussieht – kurzum, allen Launen folgt, denen die Frau unterworfen ist.“ Und die „Illustrierte Kronen-Zeitung“ bezeichnet 1932 den Pyjama als das „praktischeste Kleidungsstück, das man im Sommer in Gebrauch nehmen kann“: „Man kann es für das Haus und den Garten, für den Strand und in Sommerfrischen, sogar manchmal für die Gasse tragen. Es erfüllt immer seinen Zweck und sieht ungemein fesch aus.“

Die Auswahl an Pyjamamodellen für Frauen wurde immer größer: Jene für das Bett waren eher schlicht und pflegeleicht gehalten, jene, die als Hausanzug dienten, konnten hingegen recht aufwendig und extravagant oder luxuriös gestaltet sein. Ende der 1920er Jahren kamen dreiteilige Pyjamagarnituren in Mode, bei denen ein längeres oder kürzeres jacken- beziehungsweise mantelartiges Teil mit oder ohne Ärmel den eigentlichen Anzug ergänzte. Gerade bei solchen Ensembles war der Anzug manchmal einteilig als Overall gearbeitet. Neben dem Damenpyjama etablierte sich in der Zwischenkriegszeit auch der Kinderpyjama, der von einem Modebericht aus dem Jahr 1928 für Buben wie für Mädchen als Schlaf- und Hausanzug „allererster Ordnung“ empfohlen wurde. 

Etwa ab 1930 waren die Pyjamas im Modegeschehen dann so präsent wie nie. Nicht nur hatte sich der (im europäischen Sinn) „Ur-Pyjama“ als Schlaf- und Hausanzug bei Männern wie bei Frauen etabliert, in der Damenmode kam es noch zu einer zusätzlichen Ausweitung der Gebrauchsweisen: Der Pyjama entwickelte sich nun auch zu einem multifunktionellen Freizeitgewand, das sich aufgrund der vielen verschiedenen Einsatzgebiete auch formal immer stärker ausdifferenzierte. Man sah den Pyjama nun vermehrt am Strand und im Bad, auf der Strandpromenade und im Strandcafé – kurz: überall dort, wo sich neues Sport- und Freizeitleben entfaltete und neue Kleidungsgewohnheiten mit sich brachte. Für die Gartenarbeit wurden Pyjamas mit praktischen Shorts angeboten, für den Strand und den Aufenthalt an der Sonne Pyjamas mit luftigen und tiefausgeschnittenen bräunungsfreundlichen Rückendekolletees.

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An den Badeorten war der Pyjama ab den frühen 1930er Jahren zum „Allround-Dreß“ geworden, wie die „Die Bühne“ 1933 berichtete: „Man kann in ihm vom Morgenbad bis zum Abendtanz brillieren. Es ist gar nicht leicht, in die Fülle der scharmanten, amüsanten, aparten, oft grotesken, jedenfalls phantasievollen Pyjamas noch einen Effekt zu werfen, der neu ist und neu wirkt und die Blicke auf sich zieht – und damit auf seine Trägerin.“ Besonders populär wurde der Strandpyjama, was unter anderem dem Umstand geschuldet war, dass sich Wasser und Strand immer stärker zu modisch getrennten Schauplätzen entwickelt hatten. Während sich für das Wasser und für das Schwimmen das einfache und funktionelle Badetrikot durchsetzte, übernahm die Strandmode den Part der modischen Spielwiese: Angefangen vom (im Unterschied zum Schwimm- und Sporttrikot) eleganteren, aparteren und „pikanteren“ Strandtrikot über den Strandpyjama bis hin zum Kimono und zu verschiedenen anderen Formen von Strandensembles.

Das Modefeuilleton sprach ab den 1920er Jahren im Hinblick auf die Bademode von historisch neuen „Entblößungsgelüsten“ und unterschied bei der Kleidung für Bad und Strand zwischen „nackter“ und „angezogener“ Mode – der Strandpyjama galt als wichtigster Vertreter von letzterer, vorausgesetzt, er war nicht zu körpernah geschnitten und betonte nicht auf ungebührliche und detaillierte Weise die Körperformen. Verhüllende Kleidungsstücke wie der Pyjama oder die verschiedenen Jacken und Mäntel hatten dabei einerseits die Aufgabe, zu wärmen, andererseits dienten sie dazu, außerhalb des Wassers den Körper vor Blicken zu schützen. So manche Frau hatte sich noch nicht an die neue, im Vergleich zu früher viel knappere und freizügigere Badekleidung gewöhnt, und fühlte sich wohler, wenn sie außerhalb des Wassers nicht gar so „nackt“ war.

Zudem war der Pyjama bestens geeignet, „Defekte und Mängel der Figur“ zu verbergen, wie ein Modebericht aus dem Jahr 1929 betonte. Das Kaschieren „ungünstiger“ Körperformen war in der Zwischenkriegszeit ein großes Thema geworden: Einerseits hatten sich die textilen Hüllen im Vergleich zur Vorkriegsmode deutlich reduziert und der Körper war dadurch viel sichtbarer geworden, andererseits hatte sich ein neues Schlankheitsideal etabliert, dem naturgemäß nicht alle Frauen entsprachen. Im Bad wurde das so offensichtlich wie sonst nirgends in der Öffentlichkeit, und hier kam der Pyjama explizit als kaschierendes Element ins Spiel. Nicht zuletzt bedeutete mehr Stoff auch mehr Spielraum für modische Experimente, als dies bei dem in dieser Hinsicht recht beschränkten Schwimmtrikot der Fall war.

Diese starke Ausdifferenzierung der Bade- und Strandkleidung ist eine Folge der ab den 1920er Jahren enorm gestiegenen Bedeutung und Beliebtheit des Badens als Freizeitbeschäftigung und steht im Zusammenhang mit der neuen Körper- und Gesundheitspolitik, für die Sport und Freizeit an der frischen Luft eine zentrale Rolle zu spielen begann. Trotzdem sich der Pyjama in der Zwischenkriegszeit zu einem populären Kleidungsstück entwickelt hatte und er zu einem fixen Bestandteil der Modekollektionen und der Modeberichterstattung geworden war, rissen die kontroversen Debatten um ihn nicht völlig ab, es wurde nach wie vor Kritik an seinen Gebrauchsweisen geübt. Abgesehen davon, dass manche Männer den Damenpyjama als „unweiblich“ ablehnten, erregte er auch wegen „Unsittlichkeit“ immer wieder die Gemüter. Letzteres bezog sich hauptsächlich auf die Frage, an welchen Orten und in welchen Situationen man sich in einem Pyjama zeigen darf – hier ging es um die unterschiedlich gehandhabte Definition von „passenden“ Orten und Momenten, um die schwierige Grenzziehung zwischen „öffentlich“, „privat“ und „intim“. In den Sommermonaten tauchte beispielsweise immer wieder die Frage auf, ob man den Strandpyjama erst am Strand selbst oder auch schon auf dem Weg dorthin tragen darf. Oder die Frage, ob man im Strandpyjama das Bad verlassen und ein nahe gelegenes Café aufsuchen darf.  

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Uneinigkeit herrschte außerdem bei der Frage, wie der Pyjama geschnitten sein muss, um außerhalb der eigenen vier Wände getragen werden zu können. Bedeckte er genug Haut? Präsentierte er die Körperformen auf eine „anständige“ Weise? Die zeitgenössische Modeberichterstattung sah im Boom der Bade- und Strandkleidung auch das Bedürfnis eines Teils der Damenwelt, diese Entwicklung dahingehend auszunutzen, um möglichst viel an körperlichen Reizen zur Schau zu stellen – und sah sich daher fallweise genötigt, daran zu erinnern, dass der Strand kein Boudoir ist. Im Fall des Strandpyjamas hieß das, wie es die Kulturzeitschrift „Die Bühne“ 1928 formulierte, Dezenz: „Das ‚pikante‘ Pyjama ist mauvais genre. Enge Hosen, betonte Hüften sind ein Horror.“   

Weitere Fragen waren: Dürfen Ehefrauen auch von fremden Männern in einem Schlaf- oder Hauspyjama gesehen werden oder sollte dieser Anblick dem eigenen Gatten vorbehalten bleiben? Darf das Dienstmädchen dem Hausherrn den frühmorgendlichen Kaffee servieren, wenn sie unter der Arbeitsschürze noch ihren Pyjama trägt? Ist es ein Scheidungsgrund, wenn der Ehemann oder die Ehefrau von einer „unberechtigten“ Person im Pyjama gesehen wird? Die Tatsache, dass solche Fragen medial erörtert wurden, in die Unterhaltungsliteratur Eingang fanden und Gegenstand von Gerichtsverhandlungen wurden, zeigt eindrücklich, wie sehr Kleidungsfragen an gesellschaftliche Normen und Konventionen rühren können – zumal, wenn sich diese, so wie das nach dem Ersten Weltkrieg in hohem Maß der Fall war, in einer Phase des Umbruchs befinden, und ein Kleidungsstück, so wie das beim Pyjama der Fall war, gleich mehrere wichtige Normenbereiche tangiert.  

Die Vehemenz, mit der solche Fragen oft erörtert wurden, verweist auch auf den grenzgängerischen und ambivalenten Charakter des Pyjamas. Dieses Kleidungsstück bewegte sich stets zwischen den Welten: Zunächst zwischen Orient und Okzident, und nach seiner Etablierung in Europa vor allem zwischen privater und öffentlicher, männlicher und weiblicher Sphäre sowie zwischen angezogen und ausgezogen. Der Pyjama eignete sich sowohl zur Markierung dieser unterschiedlichen Sphären, als auch zu deren Übertretung und Ausdehnung. Relevant war dieser Aspekt sowohl in der Herren- als auch in der Damenmode, wenn auch in unterschiedlicher Akzentuierung. In der Damenmode waren deutlich härter umkämpfte Grenzen zu überwinden: So war der Pyjama maßgeblich an der Modernisierung der Frauenkleidung beteiligt, denn er diente als wichtiges Einfallstor, durch das die „männliche“ Hose die Damenmode erobern konnte – so selbstverständlich Frauen in Hosen heute sind, so ungewöhnlich und skandalös war das noch vor einigen Generationen.

Susanne Breuss studierte Europäische Ethnologie, Geschichte, Philosophie und Soziologie an der Universität Wien und an der TU Darmstadt und war von 2004 bis 2023 Kuratorin im Wien Museum. Sie unterrichtet an der Universität Wien und schrieb für die Wiener Zeitung. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen historische und gegenwärtige Alltagskulturen sowie museologische Fragen. 

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