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Susanne Breuss, 12.5.2024

Geschichte des Staubsaugers

Mit Vampyren und Kobolden auf Bakterienjagd

Wohnungsreinigung oder Frühjahrsputz ohne Staubsauger? Lieber nicht, werden die meisten denken. Kaum jemand verzichtet heute auf so ein Gerät, es zählt zu den verbreitetsten Alltagsgegenständen. Seine Karriere begann vor gut 120 Jahren, in einer Zeit, in der vor allem in den großen Städten ein erbitterter Krieg gegen den Staub geführt wurde.

„Entfernet den Winterstaub“. Pünktlich zum traditionellen Frühjahrsputz schaltete die Wiener Firma Járay am 3. April 1904 eine Zeitungsannonce, in der sie ein neues Wundermittel für die Wohnungsreinigung anpries: den Vacuum Cleaner. Dabei handelte es sich um ein Gerät, das mit einem Motor ein Vakuum erzeugte und so über Schläuche mit auswechselbaren Mundstücken Staub einsaugen und in einem Behälter sammeln konnte. Dieses Prinzip war 1901 unabhängig voneinander und in zwei unterschiedlichen technischen Versionen sowohl in England als auch in den USA zum Patent angemeldet worden – weshalb man solche Staubsaugapparate damals auch im deutschsprachigen Raum als Vacuum Cleaner bezeichnete. Obwohl bereits im 19. Jahrhundert diverse mehr oder weniger zweckdienliche Staubentfernungsgeräte entwickelt wurden, gelten diese beiden Patente in technischer Hinsicht als Startschuss für die Ära der modernen Staubsauger.

Betrachten wir die obige Werbeanzeige von Sigmund und Sándor Járay, so fällt auf, dass die beiden staubsaugenden Männer eine Arbeitsuniform tragen, und dass zwar Saugschläuche, aber keine Apparate zu sehen sind. Der Vacuum Cleaner, der hier zum Einsatz kam, folgte offenbar dem Konzept des Engländers Hubert Cecil Booth (ein Ingenieur, der als Chefkonstrukteur auch maßgeblich am Bau des Riesenrads im Wiener Prater beteiligt war), bei dem die anfangs noch sehr großen und schweren vakuumerzeugenden Maschinen auf einem Wagen zum betreffenden Gebäude gefahren und die langen Saugschläuche von dort aus durch Fenster und Türen in die zu reinigenden Räume eingeführt wurden. Das Staubsaugen war in diesem Fall eine von Männern ausgeübte professionelle Dienstleistung, die man einzeln oder im Abonnement ins Haus bestellen konnte.

Die alternative, auf den Amerikaner David Thomas Kenney zurückgehende Version des Vacuum Cleaners wurde als stationäre haustechnische Installation ausgeführt: Die Maschine stand im Keller oder auf dem Dachboden und war über ein eigenes Luftrohrleitungssystem oder über die Wasserleitung mit den Saugschläuchen verbunden, die man in den einzelnen Räumen an die dort befindlichen Öffnungen anschließen konnte. Diese Form des Staubsaugens wurde auch von Hausfrauen beziehungsweise weiblichem Dienstpersonal ausgeübt, wie man auf zeitgenössischen Abbildungen sehen kann. Die Firma Járay, die an der Einführung und Etablierung des Vacuum Cleaners in Wien wesentlich beteiligt war, bot beide technischen Systeme an. Fix installierte Zentral-Entstaubungsanlagen baute sie in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts nicht nur in Wohnhäuser, sondern auch in Hotels, Geschäfts- und Bürogebäude ein, darunter das Grand Hotel, das Hotel Sacher, das Hotel Bristol und die Postsparkasse. Auch die Hofburg, die Oper, das Volks- und das Burgtheater zählten zu den frühesten Kunden der Járays. „Vollendete Anlagen“ hatten sie weiters im Palais Rothschild und im Philipphof eingebaut, wie sie stolz in ihrer Reklame verkündeten.

Bei Wohnhäusern galt eine Vacuum Cleaner-Anlage schnell als wichtiges Ausstattungsmerkmal gehobener Wohnkultur – Wohnungsanzeigen wiesen ausdrücklich auf diesen modernen Komfort hin. Typischerweise verfügte auch der 1923 im 15. Wiener Gemeindebezirk eröffnete „Heimhof“, ein sogenanntes Einküchenhaus, in dem wesentliche Teile der Hausarbeit zentralisiert waren, über eine Zentralstaubsauganlage. Teppiche und andere Wohntextilien konnten zudem in Reinigungsanstalten und Teppichgeschäfte gebracht werden, wo schon Anfang des Jahrhunderts die Reinigung mit Vacuum Cleanern angeboten wurde.      
 

Hausfrauengerät

Und wie wurde aus diesen großen mobilen oder stationären Staubsaugapparaturen das vergleichsweise kleine, handliche und jederzeit einsatzbereite Haushaltsgerät, wie wir es heute kennen? Wesentliche Voraussetzungen dafür waren Elektrokleinmotoren und flächendeckende Elektrifizierung ebenso wie die preissenkende Massenproduktion. Erst als der Staubsauger schrittweise kleiner und leichter wurde, konnte er mühelos von einer einzelnen Person betätigt werden und auch in kleineren Wohnungen Platz finden. Solche Modelle kamen vereinzelt bereits vor dem Ersten Weltkrieg auf den Markt, zu einer besseren technischen Reife gelangten sie dann in der Zwischenkriegszeit. Während die Vacuum Cleaner von und nach Booth und Kenney zunächst mit Benzinmotoren oder Dampfmaschinen betrieben wurden, setzte sich später der Elektromotor durch. Bedingung für den Betrieb solcher Staubsauger war also die Elektrifizierung der Haushalte – ein Prozess, der sich in Österreich teilweise bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein erstreckte. Über eine elektrische Lichtleitung verfügten aber bereits in der Zwischenkriegszeit sehr viele Haushalte, und an diese konnte der Staubsauger – ganz im Unterschied zu den damaligen Herden oder Waschmaschinen, die eine Starkstromleitung benötigten – problemlos angeschlossen werden. Wie das Bügeleisen zählte der Staubsauger daher zu den Pionieren unter den elektrischen Haushaltsgeräten.  

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In der Zwischenkriegszeit existierte bereits ein umfangreiches Angebot an Staubsaugern. Große und bekannte Firmen wie Siemens und AEG brachten Modelle auf den Markt, aber auch kleine und eher lokal agierende Hersteller wie etwa die Wiener Firma Dörfler. Obwohl Staubsauger sehr begehrt und im Unterschied zu Waschmaschine oder Kühlschrank schon vergleichsweise weit verbreitet waren, stellten sie noch keinen selbstverständlichen Bestandteil des Hausrats dar. Für den Durchschnittshaushalt war der finanzielle Aufwand trotz Teilzahlungsmöglichkeiten zu groß, verbreitet waren sie vor allem in besser situierten Haushalten. Das hatte nicht nur mit den Kosten zu tun, sondern auch mit der Tatsache, dass nach dem Ersten Weltkrieg die Zahl der häuslichen Dienstboten stark zurückgegangen war und nun auch viele bürgerliche Frauen im Haushalt selbst Hand anlegen mussten, quasi ihr eigenes „Mädchen für alles“ geworden waren. Für sie diente der Staubsauger explizit als Dienstmädchenersatz, da er eine schmutzige Arbeit sauber und ohne Status- und Schönheitsverlust zu erledigen half. In der zeitgenössischen Staubsaugerwerbung sieht man daher häufig elegant gekleidete Damen, die es mit diesem technischen Gerät nicht notwendig haben, mit Schürze und Kopftuch im Dreck herumzukriechen oder in einer durch den Teppichklopfer verursachten Staubwolke zu verschwinden. Der Staubsauger war also nicht nur ein Haushaltsgerät, sondern auch ein Hausfrauengerät geworden.

Angeboten wurden damals auch Leihgeräte und mancherorts bildeten sich Anschaffungs- und Nutzungsgemeinschaften, zum Beispiel im Rahmen von Vereinen oder im Kreis von Verwandten, Freunden und Wohnungsnachbarn. Da Elektromotoren noch vergleichsweise teuer waren, trachteten manche Hersteller danach, ihre Geräte mit zusätzlichen Funktionen zu versehen und damit zusätzliche Kaufanreize zu bieten – so konnten manche Staubsauger auch als Heißluftgeräte zum Trocknen von Haaren, Wäsche oder Fotopapier, zum Versprühen von Insektenvernichtungsmitteln oder zum Striegeln von Pferden verwendet werden. Weil der Begriff Staubsauger wie ein Zauberwort wirkte, wurden auch alle möglichen Hilfsmittel als Staubsauger bezeichnet, die in Wirklichkeit gar keinen Staub einsaugen konnten, sondern ihn auf andere Art und Weise entfernten, zum Beispiel mithilfe elektrostatischer Aufladung.

Zu einem üblichen Bestandteil der Haushaltsausstattung wurde der Staubsauger dann allmählich in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Da sich der Preis für einen Staubsauger bis etwa 1960 stets im Bereich eines durchschnittlichen Monatsgehalts bewegte, war er bis in die 1960er Jahre hinein ein begehrtes Hochzeitsgeschenk oder Hauptpreis bei Verlosungen. So waren in Wien aus diesem Grund die Informationsveranstaltungen der Konsumgenossenschaft sehr beliebt, wie etwa jene am 27. Jänner 1963: In der Stadthalle spielten die Vienna-Sunny-Boys auf und sorgten für den musikalischen Rahmen eines informativen und unterhaltsamen Abends, der der Mitgliederwerbung diente. Obwohl Schnee und Kälte für massive Verkehrsbehinderungen sorgten, hatten zahlreiche junge Ehepaare die Strapazen auf sich genommen, um dieses Event nicht zu versäumen. Den eigentlichen Höhepunkt der Veranstaltung bildete nämlich die Verlosung von 20 Handstaubsaugern, für die alle Paare zusammen mit der persönlichen Einladung Teilnahmebons zugeschickt bekommen hatten. Die Freude der glücklichen Gewinner war groß, denn keiner von ihnen konnte bereits ein derartiges Gerät sein eigen nennen. Auf diese Weise gelangten damals insgesamt hunderte Staubsauger in die oft noch recht bescheiden ausgestatteten Wiener Haushalte.

Außerdem sorgten in den 1950er und 1960er Jahren verschiedenste Elektrogeräteaktionen mit günstigen Finanzierungsmöglichkeiten dafür, dass sich die Ausstattung der Haushalte mit modernen technischen Geräten verbesserte. Das sollte nicht nur den Lebensstandard erhöhen und die Wirtschaft ankurbeln, sondern auch zu einer Entlastung der mit Arbeit mehrfach belasteten Frauen führen. In diesem Prozess entwickelte sich der Staubsauger immer mehr zu einem individuell angeschafften Haushaltsgerät. Das Staubsaugen als professionelle Dienstleistung, im Kollektiv angeschaffte Geräte, Mietgeräte oder zentrale Staubsauganlagen spielten für die privaten Haushalte bald kaum mehr eine Rolle. Der Staubsauger avancierte damit tatsächlich zum „besten Freund“ der Hausfrau, wie es die Werbung bereits in der Zwischenkriegszeit formuliert hatte: Der vorherrschenden geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung gemäß gehörte er in die Hände der Hausfrau.  

Krieg gegen den Staub

Im Lauf des 20. Jahrhunderts konnte sich der Staubsauger also als eines der wichtigsten Reinigungsgeräte allgemein durchsetzen, er kommt in den unterschiedlichsten Varianten praktisch überall zum Einsatz, wo es Staub und andere unliebsame Substanzen zu entfernen gilt, nicht nur im Haushalt. So haben auch Museen und Archive bereits früh den Nutzen dieser Geräte erkannt. In Wien war das Hofkammerarchiv 1905 die erste einschlägige Institution, die auf die neue Technik setzte, und sie zur Entstaubung und Sauberhaltung der Aktenbestände verwendete, um so präventiv den durch Staub verursachten Schäden entgegen zu wirken.

Wieso aber bemühte man sich in der Zeit um 1900 überhaupt so intensiv und hartnäckig um neue technische Lösungen für die Staubbekämpfung? Schließlich war der Staub nichts Neues, er galt den Menschen schon immer als ein lästiges Übel und er wurde schon früh zu einem Symbol und Synonym für den Schmutz der Städte. Besonders in Wien, einer Stadt, in der beständig der Wind weht, sind die Klagen über die hier besonders schlimme Staubplage bereits sehr alt. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Staubbelästigung allerdings zu einem gravierenden Problem. Schuld daran waren die Industrialisierung und Urbanisierung mit all ihren Begleiterscheinungen wie Bevölkerungswachstum oder Zunahme des Verkehrs. Die daraus resultierende starke Luftverschmutzung war der neu etablierten Wissenschaft von der Hygiene ein Dorn im Auge. Erst recht, als in den 1880er Jahren mit der neu entstandenen Bakteriologie Krankheitserreger im Staub nachgewiesen werden konnten – unter anderem Tuberkuloseerreger. Diese Krankheit grassierte in den Jahrzehnten um 1900 und kostete speziell in Wien zahlreiche Menschenleben. Bezeichnend sind zwei ihrer Beinamen: Sie war auch als „Wiener Krankheit“ bekannt, und sie galt als eine „Staubkrankheit“. Letzteres, weil Staub sowohl für eine mechanische Schädigung der Atmungsorgane verantwortlich gemacht wurde, als auch für die Verbreitung der Krankheitserreger (die insbesondere im Staub geschlossener Räume länger aktiv bleiben können). Um der Bevölkerung diese mit freiem Auge unsichtbaren Gefahren des Staubes bekannt zu machen, veröffentlichte man mikroskopische Aufnahmen und gezielt ekelerregende Auflistungen der Staubinhaltsstoffe. Zudem kursierten drastische Beinamen für den Staub wie etwa „fliegender Tod“.     

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Was diesen Erkenntnissen folgte, war ein regelrechter Krieg gegen den Staub. Geführt wurde er an zahlreichen Fronten und von unterschiedlichsten Akteuren, von Wissenschaftleren, Ärzten, Gesundheitspolitikern, Wohnungsreformern, Architekten, Ingenieuren, Stadtplanern, Industriellen und Gewerbetreibenden ebenso wie von den Hausfrauen. Letztere waren traditionell für die Sauberkeit im privaten Haushalt verantwortlich, sei es mit oder ohne tatkräftige Unterstützung durch Dienstpersonal. Die Staubbekämpfung und -beseitigung zählte stets zu den regelmäßig wiederkehrenden häuslichen Routinearbeiten, die traditionell dafür verwendeten Gerätschaften und Hilfsmittel reichten von Bürsten, Besen, Staubwedel und Teppichklopfer über Tücher bis hin zu öl- oder wachshaltigen staubbindenden Substanzen. Oft wurde der Staub dabei nur aufgewirbelt und neu verteilt, anstatt gründlich entfernt. Vor allem das Klopfen von Teppichen und Polstermöbeln galt nicht nur den Hygienikern als großes Ärgernis, da es nicht nur Staubwolken, sondern auch Lärm produzierte. Mit Blick auf diese Problematik sprachen sich beispielsweise auch Architektenvereinigungen zunehmend gegen die sogenannten Klopfbalkone an den Wohnhäusern aus.

Abgesehen von den gesundheitlichen Vorteilen des Staubsaugers faszinierte auch seine Arbeitsweise: Vielen erschien es geradezu märchenhaft, dass ein Gerät etwas Unerwünschtes, Lästiges und potentiell Gefährliches gleichsam zum Verschwinden bringen konnte. Die frühen Gerätebezeichnungen wie Vampyr, Saugling oder Tornado brachten diese Faszination für das gründliche und mühelose Einsaugen zum Ausdruck. Mit dem Staubsauger schien zudem die alte sagenhafte Figur des hilfreichen Heinzelmännchens eine reale moderne Gestalt angenommen zu haben – kein Zufall also, dass für eine der bekanntesten Staubsaugermarken der Name Kobold gewählt wurde. 

Literatur:

Susanne Breuss: Die Stadt, der Staub und die Hausfrau. Zum Verhältnis von schmutziger Stadt und sauberem Heim, in: Bockhorn, Olaf/ Dimt, Gunter/ Hörandner, Edith (Hg.): Urbane Welten. Referate der Österreichischen Volkskundetagung 1998 in Linz, Wien 1999. S. 353-376.

Susanne Breuss: „Verliebt in einen Kobold“. Zur kulturellen Konstruktion haushaltstechnischer Konsumgüter – am Beispiel des Staubsaugers, in: Susanne Breuss/ Franz X. Eder (Hg.): Konsumieren in Österreich. 19. und 20. Jahrhundert, Innsbruck/Wien/Bozen 2006, S. 124-146.

Max Rubner: Lehrbuch der Hygiene. Systematische Darstellung der Hygiene und ihrer wichtigsten Untersuchungs-Methoden, 8. Aufl. Leipzig/Wien 1907.

 

Susanne Breuss studierte Europäische Ethnologie, Geschichte, Philosophie und Soziologie an der Universität Wien und an der TU Darmstadt und war von 2004 bis 2023 Kuratorin im Wien Museum. Sie unterrichtet an der Universität Wien und schrieb für die Wiener Zeitung. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen historische und gegenwärtige Alltagskulturen sowie museologische Fragen. 

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Kommentare

Susanne Breuss

Der Staub wurde in Behältern oder in den von Ihnen erinnerten Stoffbeuteln gesammelt und musste regelmäßig entleert werden, bevor sich im letzten Drittel des 20. Jh. die Wegwerfstaubbeutel durchsetzten.

Fritz Zeilinger

Was mir in dem Artikel fehlt, ist eine Darstellung, wie der Staub im Haushaltsgerät gesammelt und danach entsorgt wurde. Ich habe aus meiner Kindheit Beutel aus einer Art Flanellstoff in Erinnerung.