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Bettina Fernsebner-Kokert, 11.11.2019

Historische Haustechnik im Wien Museum

Captain Kirk am Karlsplatz

Mit einer futuristischen Schaltzentrale von Brown Boveri aus dem Jahr 1959 wurden 60 Jahre lang Temperatur und Lüftung des Wien Museums geregelt. Die historische Anlage ging nun in den verdienten Ruhestand – und in die Sammlung des Technischen Museums.

Im Wien Museum wird derzeit an allen Ecken und Enden gehämmert, geschraubt und gebohrt. Der im Jahr 1959 eröffnete Bau von Oswald Haerdtl wird gerade entkernt und für die Sanierung und Erweiterung nach den Entwürfen von Certov, Winkler + Ruck Architekten vorbereitet. Die Belegschaft ist bereits vor dem Sommer in ein Ausweichquartier nach Meidling übersiedelt, die Exponate der Sammlungen haben das zu klein gewordene Haus am Karlsplatz längst verlassen – doch wenn man in die Kellerräume des Museums kommt, findet sich dort noch ein Gustostückerl, bei dem nicht nur ausgesprochene Technik-Freaks glänzende Augen bekommen.

Die originale Schaltzentrale für die Heizung und Lüftung von Brown Boveri aus den Jahr 1959 hat auch 60 Jahre später noch nichts von ihrem futuristischen Appeal verloren: Raumschiff Enterprise auf Wienerisch, lange bevor Captain Kirk und Mister Spock zum ersten Mal auf die Kommandobrücke ihres Raumschiffs gebeamt wurden. Nun ist die Lüftungsanlage des Wien Museums zwar nicht durch die unendlichen Weiten des Weltalls gereist, aber die Zeitreise hat sie dennoch bravourös überstanden. Dank einiger technischer Adaptierungen im Lauf der Jahre leistete sie bis zuletzt wacker ihren Dienst und regelte Temperatur und Luftfeuchtigkeit im gesamten Haus.

Raucherluft muss raus!

Auf einer Schalttafel, die die ganze Längsseite des schmalen Raumes einnimmt, sind Anzeigen und Drehregler angebracht, kleine dunkelgrüne Metallplatten sind mit den einzelnen Räumen des Museums beschriftet und mit Nummern versehen. „Museum Erdgeschoß Karlskirchenseite“, „Direktion 1. Stock“, „Restaurieranstalt 2. Stock“ oder „Bilderdepot Keller“ ist darauf zu lesen, gelbe, grüne, rote und blaue Linien zeigen den Verlauf der Kanäle an, über die Räume beheizt und belüftet wurden. Sogar die Zu- und Abluftströme in den einzelnen Räumen sind eingezeichnet . Die Maschinisten, wie die Betriebstechniker im Wien Museum genannt werden, konnten von hier mittels im ganzen Gebäude angebrachter Fühler an jeder Stelle des Museums Temperatur und Luftfeuchtigkeit überprüfen und regeln.

Die Anlage entsprach bei der Eröffnung des Museums vor sechs Jahrzehnten dem damals modernsten Stand der Technik. „Das Lüftungssystem leitete belastete Luft wie jene aus den Büros, in denen früher auch geraucht wurde, gleich ins Freie ab anstatt sie wiederaufzubereiten“, erklärt Franz Rendl, der mit seinen Leuten gerade dabei ist, diesen Schatz zu bergen. Rendl, der Kustos im Sammlungsbereich Alltag des Technischen Museums Wien ist, ist gerade auf der Suche nach einem Stromanschluss für den Fön, mit dem er die nachträglich angeklebten Blenden vom oberen Ende der Schalttafel löst, wo sich früher die Original-Beleuchtung von Brown Boveri befunden hatte. Einige Teile der Blende hängen bereits wie große klebrige Fliegenfänger in den schmalen Raum hinein. Die abgebaute Anlage wird das Technische Museum in seinen eigenen Bestand übernehmen.

Die frische Luft rieselte über die Decke in die Räume des Gebäudes, vier riesige Ventilatoren, die in Nebenräumen der Steuerungszentrale im Keller des Museums stehen, haben die Luft über das Leitungssystem in die Räume geblasen und die Abluft abgesaugt. Die Umluft wurde gereinigt und wieder in den Kreislauf gebracht – trotz technischer Modernisierungen über die Jahre wurde das ursprüngliche Konzept der Anlage beibehalten. „Das ganze Haus ist eine riesige Lüftungsmaschine“, erläutert Rendl. Deshalb wurden, da es sich um ein technisch komplexes Lüftungssystem handelt, auch bereits bei der Errichtung des Wien Museums thermoverglaste Fenster eingebaut, um Luftbrücken zu vermeiden.

 

Auf der gegenüber liegenden Wand befinden sich die metallenen Steuerräder für die unterschiedlichen Heizkreise, wo die Temperatur händisch nachjustiert werden konnte. Die ursprüngliche Kohleheizung wurde nach ein paar Jahren auf Gas und schließlich auf Fernwärme umgestellt. Nachträglich angebrachte Bohrlöcher in der Metallverkleidung zeugen heute noch von den technischen Neuerungen, die im Lauf der Zeit erforderlich wurden.


In einem der angrenzenden Räume befand sich das Bilderdepot, in dem die Anlage im Bauch des Museums für konstante 20 Grad Lufttemperatur und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit sorgte. Der immer noch funktionstüchtige Temperaturfühler aus 1959, der von der ehemaligen Wiener Messtechnikfirma Norma stammt, wird ebenfalls von den Mitarbeitern des Technischen Museums abmontiert. Gleich dahinter geht es einen schmalen Gang entlang zu einem der beiden Ventilatorenräume. Die beiden riesigen Geräte mitsamt ihren Antriebsmotoren füllen beinahe den ganzen Raum bis zur Decke aus – und als ob er geahnt hätte, dass es nun an der Zeit ist, hat sich ein Ventilator kurz nachdem die Belegschaft und die Sammlungen das Gebäude verlassen hatten, ebenfalls verabschiedet und den Geist aufgegeben. Nach 60 Jahren soll ihm der Ruhestand aber auch wirklich gegönnt sein.

Bettina Fernsebner-Kokert ist freie Journalistin und Autorin. Sie hat als Redakteurin bei der Tageszeitung „Der Standard“ viele Jahre über Wien-Themen berichtet.

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