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Berthold Ecker, 14.4.2024

In memoriam Lieselott Beschorner

„Hinüberreichen ins Jenseits“

Mit Lieselott Beschorner (24.9.1927-31.3.2024) verliert die Wiener Kunstszene eine ihrer eigenwilligsten Protagonistinnen. Beschorner hatte in ihren letzten Lebensjahren mit ihren Puppas, den Groteskerien und Virenzeichnungen erneut viel Erfolg. Ihr Werk wurde in mehreren Einzelausstellungen präsentiert, nachdem sie über Jahrzehnte in Vergessenheit geraten war.

An der Akademie der bildenden Künste in Wien studierte Lieselott Beschorner ab dem ersten Nachkriegssemester bei Robin Christian Andersen Malerei (1945-1950) und wechselte nach dem Diplom in der Klasse von Albin Paris Gütersloh (Freskotechnik 1950-1953; Assistent Erich Huber). Die Liste ihrer Studienkolleg:nnen liest sich wie das Who is Who der österreichischen Künstler:innenschaft.
 

Aufnahme in die Secession

1951 wird sie als eines der ersten weiblichen Mitglieder in die Wiener Secession aufgenommen. Um 1955 bereichert Beschorner die einfache Dinglichkeit ihrer Bilder um atmosphärische Wirkung indem sie die Farbblöcke auf impressionistische Weise auflöst, an den Rändern abstuft und ineinander übergehen lässt. Besonders die Serie der Bleistiftstudien zum geliebten Graupapagei „Schako“ zeigt die Tendenz zur Überlagerung der Formen und zur Vielansichtigkeit, wie sie in der Folge bei den Groteskerien häufig zu beobachten ist.

Der Papagei begleitete Beschorner über viele Jahre und lebte in der warmen Jahreszeit frei in ihrem Garten. Danach entstanden Akte, deren Auffassung gelegentlich nahe an Willem de Kooning heranreichen.
 

Das Auge

Doch an diesem Punkt bricht die Künstlerin die eingeschlagene Entwicklung ab und richtet ihr Bemühen auf eine stärker formgebundene Wiedergabe der sinnlich wahrnehmbaren Realität. Ein ausgeprägter Abstrahierungswille begleitet diese Phase, die unmittelbar nach einem Studienaufenthalt mit den Kolleginnen Irene Pribil, Isolde Jurina und Gertraud Taschek in Lappland einsetzt.  Die Ausstellung dieser Gruppe mit dem Titel „Nordische Impressionen“ wurde im November 1955 im Wiener Volksbildungshaus St. Margareten vom Kunstreferenten der Stadt Eduard Gaertner eröffnet. Gestalten, Köpfe und Landschaften werden in ornamentale Muster zerlegt beziehungsweise aufgegliedert, der gegenständliche Anlass bleibt aber immer sichtbar. In einem dieser Blätter, das den markanten Kopf von Irene Pribil in karikierender Vereinfachung zeigt, taucht erstmals das Auge als freies Gestaltungselement auf.

Die Wahrnehmung, das denkende Sehen ist für Beschorner durchgehend ein wesentliches Thema, als ein Übergang des Ich zur Welt und vice versa. Eine zusätzliche Bedeutung der Augen liegt für die Künstlerin in ihrer persönlichen körperlichen Bedingtheit, aus der heraus sie seit ihrer Jugend sehr starke Brillen benötigte und an einem fortschreitenden Schwinden der Sehkraft leidet. Das Auge wird während der 1960er und 1970er Jahre in vielen Werken der Nukleus für die Gestaltung sein.

Eine zwischen 1961 und 1967 entstandene homogene Werkgruppe bilden die „Schichtenbilder“. Mit ihnen manifestiert sich Beschorner erstmals als ausgereifte Künstlerin und erzielt eine beachtliche Rezeption ihrer beiden diesbezüglichen Ausstellungen in der Secession (1966) und in der Wiener Pressehausgalerie (1964). Die Technik für diese eigens entwickelte Werkgruppe besteht aus nassem bemaltem Fließpapier, das scharf oder breitrandig zu Stücken gerissen wird. Aus diesen Elementen entsteht sodann wieder ein Bildganzes, indem die Papierteile zu neuen Zusammenhängen collagiert werden. „Das eminent sichere Form- und Farbgefühl der Wiener Malerin verhalf ihr in dieser Spezialtechnik bald schon zu großer Wirksamkeit, wobei es noch von Bedeutung ist, daß Liselott Beschorner bei ihren Kompositionen nicht von kühl rationalem Intellekt geleitet wird, sondern durch eine latente Beziehung zu Landschaftserlebnissen von der lebendigen Variationsbereitschaft des Natürlichen schlechthin“, so Maria Buchsbaum in der „Wiener Zeitung „vom 15. Februar 1966.

Groteskerien und Emotionalien

Die große Gruppe der Graphiken, in denen sich Beschorner mit der menschlichen Gestalt, insbesondere mit dem Gesicht auseinandersetzt, gliedert sich in zwei Hauptgruppen, die „Groteskerien“ und die „Emotionalien“. Beide Namen stellen Titel beziehungsweise auch Wortfindungen der Künstlerin dar. Der Unterschied liegt in ihrer inhaltsbezogenen Herkunft, der zufolge die früheren „Emotionalien“ laut Beschorner eher aus der Freude am Kuriosen an sich entstanden, während die „Emotionalien“ direkt auf ihre seelische Belastung und die kritische Haltung zum ­­­­­Zustand der Gesellschaft in den 70er Jahren reagieren. In dieser Hinsicht ist ihre groteske Bildsprache als Akt einer feministischen Selbstbehauptung zu sehen, wenn auch Beschorner nie an den politischen Aktionen der Feministinnen teilgenommen hat.

Das gesamte Konvolut entstand zwischen 1967 und 1972. Die erste „Groteskerie“ datiert aber bereits mit 1962. Diese Zeichnung steht im Oeuvre völlig solitär. Sie zeigt ein breit zerfließendes, rundes Gesicht mit stechend blauen Augen. Die Dimension dieses Kopfes ist derart breit angelegt, dass sie das Blattformat sprengt und die Backen seitlich vom Bildrand überschnitten werden. Die gesamte Tragödie des Mensch Seins ist in der bedrohlichen Dumpf- und Dummheit dieser Visage enthalten und doch versucht Beschorner der abgründigen Existenz mit satirischem Spott und ironischer Distanzierung zu begegnen.

Erst 1967 entstehen die nächsten Blätter der Gruppe. Beschorner erarbeitet verschiedene Variationen der „Groteskerien“, die zum Vorbild für die spätere Entwicklung dienen wird. Die folgenreichste Neuerung ist im gezielten Spiel zwischen sehr naturalistischen und anderen eher stilisierten Bildteilen des Blattes LB155 angelegt, in dem wiederum ein Gesicht zu sehen ist. Durch diesen Trick entsteht eine gegenseitige Stärkung der Bildteile, die stilisierte Aussage (über die Augen) wird durch die sinnliche Realität der Lippenpartie in die Wirklichkeit transferiert.

In vielen späteren Arbeiten setzt Beschorner diese Verquickung wieder ein, indem sie Ausschnitte aus Illustrierten mit ihrer Zeichnung kombiniert. In einer weiteren Variante beschäftigt sie sich mit der vollständigen Auflösung des Motivs in die Fläche durch ausschließlich zeichnerische Mittel und ornamentale Gliederung der Formen.

Formteile breiten sich auf die Fläche aus oder sie durchdringen einander wie in einem Wechsel der Blickrichtung bei gleichem Motiv, sodass Profil und en Face gleichzeitig zu sehen sind (LB132). Eine weitere Untergruppe bilden Tiergestalten, deren Kopfpartie sehr menschliche Züge aufweist (LB 169).

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Anfänglich hatte Beschorner diese Blätter noch als „Alpträumereien“ bezeichnet und einzelne Zyklen erhielten innerhalb der „Groteskerien“ einen eigenen Namen wie die „Augenblicke“ (LB 1166). Die Technik der Collage erlebte in den 1960er Jahren eine Hochblüte, da Illustrierte als Massenmedien ungeahnte Auflagehöhen erreichten. Das Jahr 1967 beschert uns also das gesamte Vokabular, mit dem die Künstlerin in den Folgejahren arbeitet und eine zunehmende Dramatisierung und Verfeinerung dieser Bildsprache erreicht. Schließlich wird dieses fantastische Reich der harmonischen und gestörten menschlichen Beziehungen gegen Ende der 1970er Jahre zu einem manierierten Formenspiel, das sich zu wiederholen beginnt, womit Beschorner diese Werkphase beendet.

„Ich arbeite aus dem Material heraus.“

Das heißt, bevor die Materie zu einem Ding und bevor das Ding zu einem Kunstwerk transformiert wird, gibt es Vorgaben, die aus der Eigenart des Stoffes stammen. Hier bringt sich etwas von außen in das Werk ein und ist der Künstlerin willkommen. Die Auswahl der Stoffe, der Medien oder der Gegenstände, die in den Werken verarbeitet werden, überlässt Beschorner nicht ungern dem Zufall. Indem ihr Haus in Gersthof von alters her viele sonderbare Dinge beherbergt, seien es Berge an alten Knöpfen, Strümpfen, Werkzeugen oder Blechgeschirr, galt es nur zuzugreifen und intuitiv das gelebte Leben, wie es in die Dinge eingeschrieben war, in ihrer Kunst zu nutzen. Und sobald das alltägliche Material – auf die Ebene der Kunst gehoben – zu neuer Wirkung gelangt, beginnt durch die Loslösung von den bekannten Konnotationen das Spiel mit phantastisch-grotesken Bildwirkungen.
 

Textile Techniken

Die Arbeit in verschiedenen textilen Techniken begleiten Beschorner über den Großteil ihrer Schaffenszeit. Das erste datierte Werk dieser Gruppe stammt von 1962, also der Zeit der ersten „Groteskerie“ sowie der frühen „Schichtenbilder“. Es zeigt einen „Hund“ – einen seltsamen Hund allerdings, der von einem realen Vorbild reichlich weit entfernt zu sein scheint und eher einem Fabelwesen oder einem mythologischen Tier gleicht.

Die Technik besteht in einer Mischung aus zarten Aquarellfarben, mit denen der Hintergrund angedeutet wird, und einer eher groben Stickerei, welche die Gegenständlichkeit des Bildes festhält ohne jedoch die Dinge explizit beim Namen zu nennen. Diese Technik vermittelt gewissermaßen „zeichnerischen“ Charakter, indem sich die Fäden wie impulsiv hingeworfene Striche ausnehmen. Das gleiche Verhältnis von Gegenstand und Hintergrund wird auch bei den beiden „Augenstickereien“ angewendet. Diese Augen, einmal rot, einmal blau dominiert sind als Paar aufzufassen und waren in diesem Sinn auch im Haus der Künstlerin inszeniert.

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Beschorner selbst betont stets die Eigenständigkeit ihrer Werkgruppen und erzählt, wie sich die einzelnen Phasen einem inneren Impetus folgend aus ihr heraus entwickeln, bis der Antrieb erlahmt und die Entwürfe sich wiederholen. Dabei orientiere sie sich nie - zumindest nie bewusst - an Werken von KollegInnen oder solcher der internationalen Kunstgeschichte, sondern konzentriere sich allein auf die eigene Schöpferkraft.

Auch die letzte Textilarbeit (LB 1396, datiert 1992), in der die Künstlerin den Tod der Mutter verarbeitet (diese starb am 13. Dezember 1980), schließt daran an. Wiederum entsteht aus der Applikation von Stoffteilen ein Gesicht. Die textilen Elemente, es handelt sich dabei um Stoffreste, die von der Tätigkeit der Mutter als Modistin herrühren, werden aber nicht geformt und zugeschnitten, sondern in der vorgefundenen Gestalt, so wie sie eben übrigblieben, in das Werk eingegliedert.

Ähnlich ist auch das „Strumpfobjekt“ (LB 1340, um 1980) zu verstehen, das in seiner ausladenden und installativen Dimension eine Sonderposition im Oeuvre einnimmt und etliche Jahre vor den Aufsehen erregenden Werken von Sarah Lukas entstand. Es zeigt eine Menge an ausgestopften Strümpfen, die zum Teil in Schuhen stecken und ganz ineinander verschlungen sind, so wie wir dies schon von den Emotionalien her kennen, in denen die Körper in einer nicht eindeutigen Art im Kampf oder Liebesspiel miteinander verflochten sind. Beschorner nennt das Objekt, intern auch „Gruppensex“. Diese inhaltliche Doppeldeutigkeit ist ein durchgehendes Charakteristikum ihres Werks. 

Die „Puppas“

Im Bereich ihrer Arbeit mit textilen Materialien nimmt die große Gruppe der „Puppas“ die bedeutendste Position ein. Diese Werkgruppe besteht aus circa 50 Werken, die sich wiederum in drei Untergruppen einteilen lassen: abstrakte Objekte, die Rumpfpuppen (LB 1264) und die reicher ausgeführten Puppen (LB 1379). Die Entstehungszeit ist zwischen 1972 bis 1980 anzunehmen. Die Puppen treten hier wohl als späteste Ausformung des Themas der „Groteskerien“ auf.  „Die gestrickten und gehäkelten Puppen bedeuten eine Hinwendung zu archaischen Bereichen; sie sind Totems zur Bannung und Abwehr feindlicher Kräfte, wie sie Naturvölker gestalten (Franz Xaver Schmid, Informationsblatt zur Künstlerin, 1984, Archiv des MUSA/ Kulturabteilung der Stadt Wien).

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Die Idee, eine textile Hülle auszustopfen und damit ein plastisches Objekt zu gestalten steht am Anfang einer Entwicklung, an deren Ende die besonders üppig mit verschiedensten Accessoires ausgestatteten Figuren aus der Inszenierung des Biedermeierzimmers im Haus der Künstlerin stehen.

Die Gesichter der Puppas werden betont unheimlich und furchterregend gestaltet und erinnern unter anderem an den Hawaiianischen Kriegsgott Kuka'ilimoku. Figuren, die für das Zentrum der Beschornerschen Inszenierung in ihrem Haus bestimmt waren, erhalten über den Corpus hinausgehende Attribute wie Federn, Schleier, Pelzteile, schillernde Knöpfe und so weiter. Diese Gruppe ist die in der Entwicklung am weitesten fortgeschrittene und jüngste. Sie dürfte zu Beginn der 1980er Jahre entstanden sein, die letzten der Serie wohl 1983. Diese späten „Puppas“ erhielten als einzige auch Namen wie „Zita“ (LB 1383), „Orlovska“ (LB 1386) oder „Braut“ (LB 1382).

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Tonköpfe und Masken 

Die Köpfe stechen durch extreme Ausformung einzelner Gesichtspartien hervor. Ihr skurriler Auftritt wird noch durch diverse Kleidungsgegenstände oder Haushaltsgeräte verstärkt. Wenn auch diese Figuren in ihrer Variationsbreite nicht so schillernd erscheinen wie die „Puppas“, so verfügen sie doch über eine beherrschende Präsenz. Die Tonköpfe können als plastische Ausformung der „Groteskerien“ verstanden werden und bilden gleichsam das männliche Gegenstück zu den „Puppas“.

Ab den 1980er Jahren zieht sich Lieselott Beschorner aus dem Ausstellungswesen zurück und gerät weitgehend in Vergessenheit. Die Ausstellung im MUSA 2011, mit der ihr Gesamtwerk gewürdigt wurde, hatte Beschorners Wiederentdeckung eingeleitet. Bei den Vorbereitungsabeiten äußerte sie, dass nun wohl keine Werke mehr entstehen würden, da ihre Augen nicht mehr mitspielten. Doch weit gefehlt! In einer Mischung aus manischem Schaffensdrang und dem fast therapeutischen Einsatz des „Kunstens“ entstanden seither hunderte Zeichnungen, in denen sie, des starken Kontrastes wegen nur noch mit schwarzer Kreide agiert. Der kraftvolle Schwung und die Sicherheit dieser Arbeiten weist sie als Meisterin aus. Wie diese Blätter trotz aller Handicaps, an denen Beschorner mittlerweile laborierte, in sich stimmen und vor Vitalität nur so strotzen, ist zutiefst beeindruckend.

Die Serie der „Spreizteufel“, grotesk-diabolische Gestalten verweisen auf die Diablerien des 16. Jahrhunderts, woher auch die Gruppe der großkopfigen Tier-Monstren zu stammen scheint und daneben entstehen in großer Zahl auch abstrakte Lineamente, die sogenannten „Spontan- oder Sekundenzeichnungen“. „Ich orientiere mich immer an kreatürlichen Sachen, Viecher oder Menschen, bin immer zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion.“ So auch in einer eigenen Serie von kleinen weißen Figuren, die sie ihrer Hutform am Kopf wegen „Behutete Kopffiguren“ nennt. Diese Arbeiten schließen an die grotesken Köpfe der 1970er Jahre an. Noch 2018 erweiterte Beschorner ihr Repertoire und schuf die sogenannten „Kopftrophäen“, für die sie Kopfformen aus Styropor mit den Plakaten ihrer Secessionsausstellung von 1972 collagierte, sodass das Schädelrund von Augen nur so starrt. Zum Zyklus der während der Corona-Zeit entstandenen „Virenzeichnungen“ meinte Beschorner: „Die letzten Zeichnungen sind schon ein Hinüberreichen ins Jenseits.“

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Resümee

Lieselott Beschorner beginnt ihre Karriere unmittelbar nach dem Krieg, sie gehört zur ersten Generation von KünstlerInnen, die nach den Jahren der Barbarei versuchten, eine neue, zeitgemäße Formensprache zu finden. Sie ist eine der ersten Frauen, die in die Wiener Secession aufgenommen wurden, eine Auszeichnung, die ihr ermöglichte, dort kontinuierlich auszustellen und rasch einen relativ hohen Bekanntheitsgrad zu erreichen. Ihr Werk entwickelt sich in Phasen, die sich hinsichtlich der Technik und des Erscheinungsbildes deutlich voneinander abheben, jedoch auch zeitlich überlagern und wie einer inneren Logik folgend, schlüssig einander ergänzen.

In den 1960er Jahren erzielte sie mit den „Schichtenbildern“ auch medial einiges Aufsehen. Beschorner gelangt schließlich mit den „Groteskerien“ und „Emotionalien“ zu einer völlig eigenständigen Bildsprache, in der die soziale Bedingtheit des Menschen, seine geglückten, vor allem aber seine misslungenen Kommunikationsversuche mit der Welt in eindringlichen, grotesken Figuren Gestalt annimmt. In dieser Phase nimmt sie Elemente der Massenkultur auf und kommt als eine der wenigen österreichischen Künstlerinnen mit der Pop Art in Berührung. Die danach entstandenen, fetischartigen „Puppas“ sind in der jüngeren Österreichischen Kunstgeschichte ohne Beispiel.

Die Künstlerin lebte seit langem völlig zurückgezogen und nahm am Kunstgeschehen nicht mehr teil. Dies gab ihr die Möglichkeit, die Arbeiten zusammenzuhalten und in ihrem Haus zu inszenieren. So entstand eine eigene Beschorner-Welt, ein Kosmos aus allen Werkphasen einer Künstlerin, die ihre starke Persönlichkeit auf wunderbare Weise in ihr Oeuvre umzusetzen vermochte. Mensch und Werk waren und sind einzigartig, Lieselott Beschorner wird nicht zuletzt dank ihrer Schenkung an das MUSA, dessen Sammlung mittlerweile zum Wien Museum gehört, präsent bleiben und ihre Stellung als eine der großen österreichischen Künstlerinnen behaupten.

Berthold Ecker, Kunsthistoriker, Schwerpunkt im Bereich zeitgenössischer Kunst, 2003-2017 Kunstreferent der Stadt Wien, seither Kurator für zeitgenössische Kunst des Wien Museums. 2007 Gründung des MUSA - Museum, Startgalerie, Artothek. Ausstellungen und Publikationen zur Österreichischen Kunst seit 1945.

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Kommentare

Gerhard Kofler

Danke für diesen informativen Beitrag über eine Künstlerin, die mir bisher gerade einmal dem Namen nach bekannt war. Welch starker Ausdruck, welches Suchen doch die Bilder wiedergeben! Ihr Satz "Die Wahrnehmung, das denkende Sehen ist für Beschorner durchgehend ein wesentliches Thema, als ein Übergang des Ich zur Welt und vice versa" unterstreicht das. In jeder Schaffensphase Beschorners zeigt sich hinter dem Formalen etwas Unbekanntes, Geheimnisvolles. Bleibt die Frage: Wann wird es ein Ausstellung von Beschorners Werken geben? Freue mich schon jetzt darauf.