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Johannes Karel, 27.2.2022

Joseph Wenzel von Liechtenstein

Eine barocke Karriere

Die Fürstenfamilie Liechtenstein hat über die Jahrhunderte eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt aufgebaut. Eine der herausragenden Persönlichkeiten der Familie war Fürst Joseph Wenzel (1696 – 1772), der sich als Kunstsammler, Diplomat für das Kaiserhaus und Reformer des österreichischen Militärs in die Landesgeschichte eingeschrieben hat. Ein Porträt anlässlich einer Ausstellung im Rahmen der neuen Reihe „März im Palais“. 

Stets haben sich die Familienmitglieder und besonders die regierenden Fürsten um den enorm umfangreichen und weltbedeutenden Bestand der Kunstsammlung gekümmert, ihn gepflegt, dokumentiert und oftmals mit wichtigen Ankäufen ergänzt und bereichert. Geschätzte Künstler wurden direkt unterstützt, aber auch andere Wiener Sammlungen und Museen mit großzügigen Schenkungen bedacht. So verdankt das Wien Museum Fürst Johann II. (1840 – 1929) einen großen Teil der Biedermeiergemälde, unter anderem wunderschöne Stücke von Ferdinand Georg Waldmüller. Von diesem Konvolut ausgehend hat sich der heutige Bestand an bildender Kunst des Wien Museums entwickelt.

Förderer der Kunst

Auf den Fürsten Joseph Wenzel (1696 – 1772) geht der beachtenswerte Bestand an französischen Kunstwerken zurück, unter anderem ein siebenteiliger Zyklus mit Szenen des Trojanischen Krieges, den Pierre Courteys (um 1520 – 1591) um 1570 in Emailmalerei auf Kupfer gefertigt hatte, und der zu den besten Limosiner Emailarbeiten des 16. Jahrhunderts gehört. Ebenfalls beauftragte Joseph Wenzel das erste Inventar jenes Bestandes der Sammlung, der damals im Majoratshaus, dem Stadtpalais in der Bankgasse, aufgestellt war. Sein Galeriedirektor Vincenzo Fanti publizierte damit 1767 den ersten gedruckten Katalog der Fürstlichen Kunstkollektion.

Prunk als Trumpf 

Nachdem Fürst Liechtenstein bereits 1735 als kaiserlicher Gesandter in Berlin erste Ehren erfahren hatte, war der Höhepunkt seiner diplomatischen Karriere wohl 1737 die Ernennung zum Botschafter des Habsburgerkaisers Karl VI. (1685 – 1740) am französischen Königshof in Paris. Damit verbunden war aber auch eine wichtige und gleichwohl schwierige Aufgabe: Joseph Wenzel sollte die Anerkennung der „Pragmatischen Sanktion“ bei König Ludwig XV., dem erbittertsten Rivalen der Habsburger um die Vormachtstellung in Europa, erwirken. Mit diesem bereits 1713 vom Kaiser erlassenen Hausgesetz wurde die Untrennbarkeit der Erblande sowie die Ermöglichung der weiblichen Erbfolge im Habsburgerreich geregelt, da trotz aller Bemühungen dem Kaiserpaar kein männlicher Nachkomme beschieden war. Um der ältesten Tochter Maria Theresia (1717 – 1780) Streitigkeiten um ihr Erbe zu ersparen, sollten die ausländischen Mächte der „Pragmatischen Sanktion“ zustimmen und die Regelung nach dem Tod Karls VI. anerkennen.

Über ein Jahr lang ließ Fürst Joseph Wenzel seinen offiziellen Einzug als kaiserlicher Botschafter vorbereiten. Die Gepflogenheiten des Barock machten einen besonders prachtvollen Auftritt unumgänglich: je prunkvoller das Erscheinungsbild, desto wichtiger die Person und ihr Amt. Nun hätte Fürst Liechtenstein in Wien jedoch nichts von entsprechender Großartigkeit erwerben können um den französischen Hof auch nachhaltig zu beeindrucken. Frankreich galt als die führende Nation der Luxusgüterproduktion und der Versailler Hof als das Zentrum für Mode- und Geschmacksfragen. So beauftragte Joseph Wenzel alle für seinen Botschafterzug notwendigen Objekte gleich vor Ort, unter anderem fünf Kutschen. 

Erhalten ist lediglich noch der vom Architekten Nicolas Pineau (1684 – 1754) entworfene „vierte, rothe Gala-Wagen“, der heute als „Goldener Wagen“ bekannt ist und den Typus einer „Berline de suite“ vorstellt. Die Berline soll um 1660/70 vom Architekten Philippe de Chièze (1629 – 1673) in seiner Funktion als Generalquartiermeister des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620 – 1688) für diesen erfunden worden sein. Die wesentlichen Innovationen waren zum einen die Konstruktion des Fahrgestells aus zwei Langwieden, Brancards genannt, die vorne durch eine „traverse“ und hinten durch das Standbrett für die Lakaien verbunden sind. Damit wird eine höhere Stabilität und auch bessere Wendigkeit gegenüber der Karosse mit nur einem mittigen Langwied erreicht. Zum anderen ist die Kabine bei der Berline nicht am Fahrgestell selbst aufgehängt, sondern sitzt auf zwei langen gespannten Lederriemen über den Brancards und ist zur Kippsicherung lediglich mit diesen verspannt. Die Riemen, die bei der Liechtenstein´schen Berline mit goldbesticktem Samt überzogen sind, können mittels Zahnrädern gespannt oder gelockert werden, diese Technik ist hier auch bewusst präsentiert.

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Detail des Goldenen Wagens des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein , 1738, LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

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Detail des Goldenen Wagens des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein , 1738, LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

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Detail des Goldenen Wagen des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein , 1738, LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

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Die gesamte Karosserie des „Goldenen Wagens“ setzt sich aus geschnitzten Rocailles und Voluten zusammen. Die sowohl mattierend als auch glänzend ausgeführte Blattvergoldung kontrastiert wirkungsvoll mit der roten Farbe der glatten Elemente. An der Kabine erscheinen zusätzlich noch Rosengirlanden und Ährenbündel. Die virtuos ausgeführten Applikationen am Dach des Wagens bestehen aus feuervergoldeter Bronze und setzen das Schnitzwerk der Kabine formal fort. Die Außenflächen zeigen vor Himmelsblau spielende Putti, die die vier Elemente und die Jahreszeiten symbolisieren, und wohl von einem Künstler aus dem Umkreis von François Boucher ausgeführt wurden. 

Beim offiziellen Einzug Joseph Wenzels als kaiserlicher Botschafter in Paris am 21. Dezember 1738 fuhr der „Rothe Gala-Wagen“ an vierter Stelle als prunkvolles Schaustück. Sowohl der „Mercure de France“ als auch das „Wiener Diarium“ brachten Berichte über das Ereignis und Beschreibungen des Festzuges. So extravagant wie die Fahrzeuge waren auch ihre Preise – mehr als 155.000 Gulden hat Fürst Joseph Wenzel, größtenteils aus seiner Privatschatulle, für die fünf Gefährte aufgewendet. Zu jener Zeit wäre eine gebrauchte Kalesche vergleichsweise schon um 15 Gulden zu haben gewesen.
Joseph Wenzel hat nach seinem Pariser Aufenthalt den „rothen Gala Wagen“ und die „blau silberne Kutsche“, eine der zwei besonderen „Carrosses d´Ambassadeur“, mit nach Wien gebracht. Beide kamen bei späteren offiziellen Anlässen wieder zum Einsatz. Etwa 1760, als Fürst Liechtenstein als Brautbotschafter für Maria Theresias ältesten Sohn Joseph gewählt wurde, ein hoher Gunstbeweis der Herrscherin. Joseph Wenzel sollte Isabella von Bourbon-Parma in ihrer Heimatstadt abholen und nach Wien begleiten, wobei er für seinen Einzug in Parma die rot-goldene Berline benutzten wollte, Isabella sollte nach der Rückreise mit dem blau-silbernen Wagen des Fürsten in Wien einziehen. Vor der Reise wurden die beiden Kutschen in Wien restauriert. Aus dieser Zeit stammen die goldbestickte Seidenausstattung der Wagenkabine, die Schabracken und die mit rotem Samt bezogenen Prunkgeschirre für die Pferde, ebenfalls goldbestickt und mit vergoldeten Bronzeapplikationen geschmückt. 

Die Zugpferde wurden nach Größe und Farbe ausgesucht und sind als Einheit mit dem Wagen zu verstehen. Vier Pferde sind mindestens nötig, um die 2,2 Tonnen schwere Berline zu bewegen, wobei Fürst Liechtenstein als kaiserlicher Botschafter das Privileg genoss, gleich acht Pferde vorspannen zu dürfen. Aufgrund seiner historischen und vor allem seiner künstlerischen Bedeutung gilt der „Goldene Wagen“ der Fürstlichen Sammlung als einer der wichtigsten Prunkkutschen des französischen Rokokos.


Höchste Anerkennung – Mitglied des Ordens vom Goldenen Vlies

Kaiser Karl VI. war mit Liechtensteins Wirken als Botschafter in Paris äußerst zufrieden und ehrte den Fürsten Ende 1739 mit der Aufnahme in den Orden vom Goldenen Vlies, der höchsten Auszeichnung der Habsburger. Die offizielle Investitur fand am 10. Februar 1740 in Brüssel statt und dieses glanzvolle Ereignis gab Anlass, mit Hyacinthe Rigaud (1659 – 1743) Kontakt aufzunehmen, dem Starporträtisten Frankreichs. Rigaud hatte 1701 das Paradebildnis des Sonnenkönigs Ludwig XIV. angefertigt, damit das Herrscherbild des Barock geprägt und in Folge zahlreiche europäische Könige und Adelige der Epoche gemalt. Joseph Wenzel war die letzte Person von Stand, die der mittlerweile einundachtzigjährige Künstler porträtierte.

Das lebensgroße Kniestück zeigt Fürst Joseph Wenzel frontal in einem mit hellblauem, goldbesticktem Samt ausgeschlagenen Reiterharnisch und einem mit dunkelrotem Samt gefütterten Hermelinmantel, der sich wirkungsvoll um den Dargestellten bauscht. In der Rechten hält der Fürst den Kommandostab, mit dem er sich auf einen nebenstehenden Tisch stützt, die Linke ist in die Seite gestemmt. Im Kreuzungspunkt der Bilddiagonalen, somit zentral im Gemälde, ist der Ordensanhänger zu sehen, den Joseph Wenzel an einem breiten, leuchtend roten Seidenband um den Hals trägt. Das Kleinod besteht aus drei Elementen, jedes ein Symbol des Ordens: oben der Feuerstahl mit C-förmigen Schlagkanten, mit blauem Email belegt, in der Mitte der Feuerstein, schwarz emailliert mit weißen Punkten, aus dem seitlich Flammen in rotem Email züngeln, unten das gegürtete, herabhängende Widderfell in Gold. Durch die Abfolge der Glieder ergibt sich der Sinn der Symbolik: durch Stahl auf Stein, durch Festigkeit und Härte, entflammen Kräfte, die mühevolle Arbeit mit dem Goldenen Vlies belohnen.

Malerische Präzision

Im Hintergrund des Gemäldes sind marmorne Säulen zu sehen, um die sich ein ornamentierter Vorhang schlingt, der den Faltenwurf des Mantels wiederholt und den Blick in den Himmel abgrenzt. Jedwede Stofflichkeit versteht Rigaud in feinmalerischer Präzision und subtiler Farbschattierung eindrucksvoll wiederzugeben. Die Lichtreflexionen der unterschiedlichen Materialien zeugen von künstlerischer Perfektion und stellen den ausgereiften Höhepunkt im Oeuvre des Künstlers dar. Das Bildnis von Joseph Wenzels ist ein repräsentatives Standesporträt, das die erreichten Ämter und Ehren des Fürsten als Diplomat, Heerführer und Ordensmitglied prunkvoll präsentiert, und gleichwohl die charakterlichen Züge des Mannes in der siegerhaften Heldenpose und dem lebendigen, stolzen Gesichtsausdruck offenlegt.

Das – mit aller Wahrscheinlichkeit exorbitant hohe – Honorar für das Gemälde ist nicht bekannt. Doch Fürst Liechtenstein dürfte von Rigauds Interpretation seiner Person sehr angetan gewesen sein, denn der Künstler erhält eine zusätzliche Gratifikation, die wie folgt beschrieben wurde: „…und außerdem beglückte der Fürst Herrn Rigaud mit einer prächtigen, goldenen Schnupftabakdose, die mit Diamanten besetzt war und auf 5 bis 6000 Livres geschätzt wurde“.


Das Gartenpalais in der Rossau – prachtvoller Rahmen für Sommerfeste

Bernardo Bellotto (1721 – 1780) war der Neffe des berühmten Giovanni Antonio Canal (1697 – 1768) und wurde wie dieser „Canaletto“ genannt. Der venezianische Vedutenmaler hielt sich ab 1758 für zwei Jahre in Wien auf und arbeitete für das Kaiserhaus und hohe Adelige. Fürst Joseph Wenzel beauftragte ihn 1759 mit zwei Werken, die das Gartenpalais und den Park zeigen.

Das Gemälde „Das Gartenpalais Liechtenstein in Wien von Osten“ lässt uns von der Terrasse des rechten Nebengebäudes aus in Richtung Park und Lichtenthal blicken. Die linke Bildhälfte füllt das Palais aus, das ab 1688 nach Entwürfen des aus Bologna stammenden Architekten Domenico Egidio Rossi (1659 – 1715) für Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein (1662 – 1712) erbaut wurde. Das Gebäude setzt sich aus einem zentralen Block umgeben von vier ursprünglich ein Halbgeschoss niedriger gedachten Baukörpern zusammen, die wie Risalite zu den Seiten und zum Park vorkragen. Der ab 1692 leitende Architekt des Bauprojektes Domenico Martinelli (1650 – 1718), ebenfalls aus Italien stammend, hat jene Gebäudeteile jedoch auf dieselbe Traufhöhe wie den Zentralkern geführt, und damit die geschlossene Wirkung der Hauptfassaden kreiert, die wir heute noch vorfinden. Die siebenachsigen Seitenfassaden weisen zischen den Risaliten eine dreibogige Loggia mit einer Terrasse in der Beletage auf.

Als Kontrast dazu öffnet sich die rechte Bildhälfte über der Skulpturengeschmückten Balustrade zu einer grandiosen Fernsicht. Mittig im Gemälde ist das sogenannte Belvedere zu sehen, jener architektonische Gegenpol zum Palast, den ein barocker Garten in Form eines Brunnens oder Pavillons aufweisen musste. Diese von Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656 – 1723) entworfene Lustarchitektur zeigt eine zweiläufige, halbrund geschwungene Freitreppe, die zu einer Terrasse über die gesamte Breite des Gebäudes führt. Mittig eine hohe, offene Arkade, die mit einem Dreiecksgiebel bekrönt ist und an einen Triumphbogen erinnert. Seitlich schlossen sich ursprünglich je drei Zimmer an, die Attiken der Seitenflügel sind mit Skulpturen geschmückt. 

Im Bild etwas nach rechts gerückt, in Wahrheit aber in gerade Sichtachse zur Arkade des Belvederes, ist die Kirche von Lichtenthal (real hat das Gotteshaus eine Doppelturmfassade, durch die Lage sieht man diese vom Palais aus aber nur als einen Turm) zu erkennen, den weiten Hintergrund schließen Kahlen- und Leopoldsberg zum wolkigen Himmel ab. Bellotto gestaltet seine Vedute in reduzierter, fast monochromer Farbpalette, lediglich der Fürst und die zwei begleitenden Damen sind mit ihren leuchtend farbigen Gewändern hervorgehoben.

Das Belvedere mit seinem Durchblick auf Lichtenthal ist in dieser Form nicht mehr erhalten. Der Bau wurde von 1873 bis 1875 vom berühmten Ringstraßen-Architekten Heinrich von Ferstel (1828 – 1883) im neobarocken Stil zum heutigen Alserbachpalais umgebaut, das in seinem Mittelrisalit den Vorgängerbau lediglich zitiert.

Den Gegenblick präsentiert „Das Gartenpalais Liechtenstein in Wien vom Belvedere aus gesehen“. Rechts vorne lehnt Fürst Joseph Wenzel an der Steinbalustrade der Terrasse, die den unteren Bildrand bildet. Er lockt die beiden Hündchen mit einem Leckerbissen, den ihm ein dunkelhäutiger Page auf einem Tablett gereicht hatte. Entgegen mancher Vermutung dürfte es sich hier jedoch nicht um Angelo Soliman (um 1721 – 1796) handeln, der zwar seit 1753 in Diensten des Fürsten stand, zum Zeitpunkt der Entstehung des Gemäldes jedoch schon Ende Dreißig und darüber hinaus bereits Leiter der fürstlichen Dienerschaft war.

Die gesamte untere Bildhälfte ist der minutiösen Wiedergabe des barocken Parks nach französischer Manier gewidmet. Auf einem Stich von Salomon Kleiner von 1738, der den Park aus der Vogelperspektive wiedergibt, erkennt man die Gestaltung des sogenannten Parterres: verbindendes Element zwischen Palast und Belvedere ist die Mittelachse, die durch schmale Rasenstreifen mit zahlreichen bauchigen Steinvasen in drei parallele Wegbereiche geteilt ist. Genau in der Mitte zwischen den Architekturen spielt eine Fontäne in einem kunstvoll gefassten Bassin, von dem aus eine Querachse angelegt ist. Dazwischen liegen auf Breite der Gartenfassade vier große Broderien, die durch zwei weitere Querachsen und kreisrunde Rasenflächen in acht ornamental gestaltete Felder unterteilt sind. In Form geschnittene Baumreihen grenzen die flankierenden Seitenalleen zum Broderieparterre hin optisch ab. Jenes präsentiert sorgfältig in geometrische Formen geschnittene Büsche, eine Kunstform des Gartenbaus seit der Renaissance, die „ars topiaria“ genannt wird.

Der Park ist dazu mit symmetrisch platzierten hohen Vasen und Statuen geziert, die Giovanni Giuliani (1664 – 1744) in Auftrag von Johann Adam Andreas I. geschaffen hatte. Vorbilder für die Skulpturen waren vielfach Bronzen aus der Fürstlichen Sammlung von Giovanni Francesco Susini (um 1575 – 1653), die jener nach der Antike oder bekannten Meistern früherer Epochen geschaffen hatte. So erkennen wir in Bellottos Vedute am linken unteren Ende der Treppe einen „Meleager“ nach antikem Vorbild. Auf der rechten Seite hinter Joseph Wenzel im Schatten vor der Hecke zeigt das Gemälde die beiden Raptusgruppen „Herkules und Antaeus“ sowie den „Raub der Sabinerinnen“ nach Giambologna, die die Hauptquerachse akzentuieren.

Dokument der originalen Fassade

Etwas aus der Bildmitte verschoben stellt Bellotto die dreizehnachsige Gartenfassade des Palais in großer Detailgenauigkeit dar. Zentrum des rustifizierten Erdgeschosses ist der fünfschiffige Gartensaal, die Sala Terrena, die den Innenraum des Palastes durch fünf Bogenöffnungen zum Ehrenhof und zum Garten hin öffnet und ursprünglich nicht verglast war, sondern lediglich durch bronzene Gittertore geschlossen werden konnte. Piano Nobile und Mezzanin weisen reichstrukturierte Fensterrahmungen und phantasievolle Groteskenmasken in den bekrönenden Giebeln auf. Die beiden Obergeschosse sind durch korinthische Kolossalpilaster verbunden, die über den gesamten Bau die glatte Fassade gliedern. An der Horizontlinie des Gemäldes sind in der Ferne links die dominierenden Gebäude der Wiener Innenstadt zu erkennen, der Stephansdom und die Kuppel der Peterskirche. Die Architektursilhouette der rechten Seite ist heute gänzlich verändert. Auch der Park selbst hat heute ein völlig anderes Aussehen. Ab 1773 veräußerte man den skulpturalen Schmuck, um die Anlage nach der neuesten Gartenmode in einen englischen Landschaftspark umzugestalten. Mit 400 Fuhren Steinen wurde das Gelände modelliert, ein Wasserlauf mit einem kleinen Wasserfall angelegt, freie Wiesenflächen geschaffen und mächtige Solitärbäume gesetzt (heute die größten Platanen Wiens). Die Umgestaltung dauerte bis in die Regierungszeit von Johann I. (1760 – 1836) und war wohl erst 1807 abgeschlossen, als der Fürst Park und Palais, in dem er die Kunstsammlung neu hatte aufstellen lassen, für die Öffentlichkeit öffnete. Im Zuge der Generalsanierung des Palais zwischen 2000 und 2003 wurde im vorderen Gartenbereich ein Teil des barocken Parterres vereinfacht rekonstruiert.


Heuer startet die neue jährliche Ausstellungsreihe der Fürstlichen Sammlungen unter dem Titel „März im Palais“. Vom 1. bis 31. März 2022 präsentiert die Schau „Treuer Fürst – Joseph Wenzel und seine Kunst“ im Liechtenstein`schen Gartenpalais (Fürstengasse 1, 1090 Wien) bei freiem Eintritt diese und zahlreiche weitere Werke, viele davon erstmals in Wien zu sehen.

Johannes Karel ist Kunsthistoriker und Kunstvermittler. Bis 2017 Fachreferent für bildende Kunst in der Kulturabteilung der Stadt Wien MA 7; Projektleiter und Kurator diverser Ausstellungen im In- und Ausland (zeitgenössische Wiener Kunst). Seit 2018 Mitarbeiter im Wien Museum in der Abteilung Vermittlung, Bildung und BesucherInnenservice. Als Kunstvermittler ab 2002 in weiteren Wiener Museen tätig, etwa der Gemäldegalerie und der Glyptothek der Akademie der bildenden Künste Wien, dem Garten- und dem Stadtpalais Liechtenstein und der MAK-Expositur Geymüller-Schlössel.

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