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Angelika Seebacher, 16.12.2019

Julia Haugeneder in der Startgalerie

Vom Falten und Schneiden

Wie abholbereite kleine Päckchen liegen Julia Haugeneders zuckerlfarbene „Faltungen“ aufgereiht am Boden ihres Ateliers. Tatsächlich sind sie schon so gut wie am Weg in die Startgalerie des Wien Museum MUSA, wo sie ab 19. Dezember in Haugeneders Ausstellung „Flooring“ zu sehen sind. Wir haben die Künstlerin bei den letzten Vorbereitungen besucht.  

Ausgießen, einfalten, biegen, reißen, messen, auswickeln, einwickeln, abziehen, schneiden, einritzen, brechen, verbinden – Julia Haugeneder schafft in einem komplexen Prozess Objekte, die eine markante Formensprache und einen experimentellen Zugang mit Material und Raum aufweisen. Überlegungen zu Ordnungssystemen – offenen und strengen, wie z.B. in Referenz an Donald Judd – fließen in Haugeneders Arbeit genauso mit ein wie der „Dialog mit dem Material“, wie die Künstlerin es beschreibt. In Anlehnung an das Credo der brasilianischen Bewegung des Neokonkretismus, „Die Arbeit ist die Durchführung der Arbeit“, folgt Haugeneder dabei dem Flow, den ihr die Materialien vorgeben bzw. den Handlungsmöglichkeiten, die sich durch sie während des Arbeitsprozesses ergeben: „Ich will mir vorher nicht ausdenken, wie es wird. Man geht jeden Tag ins Atelier, das muss ja schließlich auch irgendwie spannend bleiben.“  

Ihr Atelier hat Haugeneder (*1987 in Wien), die an der Akademie der bildenden Künste in Wien Grafik und Druckgrafische Techniken bei Gunter Damisch und Christian Schwarzwald studierte, aktuell im Werkstättenbereich des Wiener WUK. Hier produziert sie die milimeterdünnen, gummiartigen Schichten aus Buchbinderleim, Gips und Pigment, die zuerst am Boden ausgegossen und nach einer Trockenzeit von etwa drei Tagen zu bereits erwähnten „Päckchen“ gefaltet werden.

Das Endergebnis erhält durch Haugeneders spezielle Falttechnik skulpturalen Charakter und unterliegt einer Reihe von Faktoren, die auf dessen Oberflächenstruktur, Farbton und Stabilität Einfluss nehmen. So etwa der Boden, der als Untergrund für die Schichten dient, die Wahl der Farbpigmente oder der Faltprozess an sich: „Der ist eine Einbahnstraße – wenn ich damit anfange, muss ich’s einfach durchziehen“, so Haugeneder, sprich: was liegt, das pickt. Diese gewisse Unberechenbarkeit macht mitunter auch den Reiz ihrer Faltobjekte aus. 

Anders geht die Künstlerin bei ihrer zweiten großen Werkgruppe, den Linolschnitten, vor. Für diese entwickelt sie im Vorfeld eine genaue Struktur. „Die Strukturen meiner Linolschnitte orientieren sich an einfachen Schemata, von denen wir im Alltag umgeben sind“, erklärt Haugeneder. So dienten ihr etwa für den überdimensionalen Linolschnitt, der in ihrer Ausstellung in der Startgalerie zu sehen sein wird, Kofferbänder bei der Gepäcksausgabe als Inspiration.  

Beim Material Linol kommt Haugeneder nicht zuletzt aufgrund ihres Faibles für robuste Materialien ins Schwärmen: „Die Geschichte von Linol ist eine lange und auch fesselnde. Es hält unglaublich viel aus, ist quasi unkaputtbar.“ Sie verwendet für ihre Arbeiten einen handelsüblichen Bodenbelag, den sie in rauen Mengen und unterschiedlichen Ausführungen einkauft: „Der Bodenhändler ist mittlerweile mein Kumpel.“ Bei der langwierigen Schneidearbeit bleibt jede Arbeitsspur sichtbar – eine fast zeichnerische Oberfläche entsteht, die sämtliche Schnittspuren beinhaltet.

Konstruktives Element von Linoleum ist ein engmaschiger Jutestoff, der auf der Rückseite ein Gewebe bildet, das das mit Leinöl vermengte Naturharz zusammenhält. Während des Entfernens der tieferliegenden Schichten ist das Durchschneiden bis zu dieser netzartigen Juteschicht kaum zu vermeiden, wodurch diese in den Arbeiten sichtbar wird. Auch in Haugeneders Faltobjekten ist durch das mit eingegossene Putzgitter, das die dünne Leimschicht stabilisiert, eine ähnlich netzartige Struktur gegeben – was sich im Raster der Jute auf diese Art wiederholt. 

Die Auseinandersetzung mit diversen Bodenmaterialien begleitet die Künstlerin auch generell seit einiger Zeit, was sie auch verstärkt in ihre Arbeit mit einfließen lässt. „Die Beschaffenheit des Bodens, auf dem wir uns bewegen, definiert zum Teil auch die Verhaltensweise, die von uns erwartet wird“, so die Künstlerin. Sie spielt dabei z.B. auf Teppichböden in Kindergärten oder in Ruhezonen auf Flughäfen an: „Material triggert Bewusstsein und generiert einen Rhythmus im Raum.“ Für „Flooring“ wird Haugeneder die Startgalerie übrigens mit einem flauschig weichen, rosa Teppichboden auslegen, „um die Ausstellung auch plastisch erlebbar zu machen“.

 

Angelika Seebacher, Pressearbeit/Kommunikation und Development, Wien Museum; freie Autorin u. a. für Parnass. Studierte Wirtschaft und Kunstgeschichte und arbeitete sieben Jahre im Kunst- und Antiquitätenhandel in Wien und Paris, ehe sie sich auf zeitgenössische Kunst spezialisierte.  

 

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