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Kinderbuch zu Winter in Wien
Für Schnee einmal schütteln
Was war die Ausgangslage für das Buch? Welche konzeptuellen Grundgedanken kennzeichen es?
Die Geschichte vom Winter in Wien wird in diesem Buch anhand von unterschiedlichsten Objekten und Medien aus verschiedenen Zeiten erzählt. Diese unterscheiden sich in Form, Format, Größe, Technik, Zweck usw., es gibt Gemälde, Fotos in Schwarz/Weiß und in Farbe, Postkarten, eine Wärmeflasche: Also alles bunt gemischt. Außerdem werden zu den einzelnen Objekten auch sehr unterschiedliche Subthemen behandelt wie Wintersport, Heizen, Kälte oder Armut. Diesen sehr heterogenen Inhalt haben wir versucht, in eine Geschichte und in eine visuelle Klammer zu bringen. Jedes Objekt ist im „Jetzt“ der damaligen Zeit entstanden, und wir zeigen diese bunte Welt des Jetzt, die immer im Augenblick existiert. Das ist der Grund, warum wir Schwarz/Weiß-Fotos nicht schwarz/weiß, sondern bunt illustriert haben.
Eine inhaltliche Klammer ist dadurch gegeben, dass jede Doppelseite einen Wintertag aus einem bestimmten Jahr herausgreift. Wie schwierig ist es, Kindern Vergangenes zu vermitteln?
Zeitspannen sind herausfordernd für Kinder, aber sie sind eine der Kategorien, die „Ordnung“ machen. Das Raster – und damit auch z.B. das Ordnen des Buches nach Jahren von Vergangenheit bis in die Gegenwart – ist ein strenges, damit alle anderen vielen Infos in Bild und Text dafür umso vielschichtiger sein können. Das Raster hat auch mit musealer Arbeit zu tun. Wir ordnen Objekte nach bestimmten Kriterien – ein wichtiges davon ist die zeitliche Einordnung. Und Kinder im Vorlese- aber vor allem im Lesealter können mit 100 Jahren schon ziemlich viel anfangen.
Die Ausstellung hat zwei Erzählstränge. Einerseits wie Winter früher in der Stadt war und wie er sich auf das Leben ausgewirkt hat. Und andererseits wie er sich verändert hat, Stichwort: Klimawandel. Im Kinderbuch sind beide Erzählstränge ebenfalls vorhanden.
Wir haben ein schwieriges Thema, das sich nicht in unseren Objekten abbilden lässt, weil die Faszination von Eis und Kälte, von Schnee, aber auch die sozialen Ungleichheiten Künstler:innen zu jeder Zeit fasziniert und festgehalten haben. Die Dauer, die Veränderung des Winters, die Reduktion der Kälte und des Schnees ist erst sichtbar, wenn die Aufzeichnungen des Wetters, die Klimadaten dazu kommen. Dann wird klar, dass ein Fotograf vor 100 Jahren den Schnee, der 60 Tage in Wien liegt, fotografiert. Die Fotografin nimmt heute zwar dasselbe Motiv auf, aber aus purer Faszination, dass es zumindest drei Schneedeckentage gibt. Ich glaube, dass wir unser Publikum damit konfrontieren können und sollen. Wenn wir diese Objekte ansehen, wissen wir, dass es anders geworden ist, weil wir erwachsen sind. Kinder wissen das noch nicht – sie hören aber unsere Erzählungen, sie sehen Filme, lesen Bücher, sehen Werbung, in denen überall von weißen Weihnachten und Winter voller Eis und Schnee erzählt werden. Während Erwachsene oft in der Nostalgie schwelgen – eine unserer Möglichkeiten, mit unangenehmen Realitäten umzugehen – ist es für Kinder interessant, Veränderungen zu erkennen und herauszufinden, was sich da tut. Dass sich etwas verändert, ist ein Lernprozess für junge Menschen, den Erwachsene gut begleiten sollen, egal welcher Art – und den Klimawandel ganz besonders. Dieses Buch ist der Versuch, Kindern Geschichten von Veränderungen zu erzählen und das mit den Aufgaben, die ein Museum hat, zu verknüpfen.
Aber sind Temperaturänderungen nicht sehr abstrakt?
Es gibt als begleitendes Element auf jeder Doppelseite rechts eine Temperaturskala. Das macht die einzelnen Bilddoppelseiten vergleichbar, auch für Kinder, die noch nicht lesen können. Die haben ein Gespür dafür, ob die Temperatursäule hoch oder niedrig ist. Zudem ergibt das beim schnellen Durchblättern eine Art Daumenkino – und nebenbei ist dadurch auch ein netter Farbverlauf am Schnitt des Buchkerns entstanden. Wichtig war, die Entwicklung der Temperatur und der Schneedeckentage auch auf einer Doppelseite als Gesamtüberblick zu haben. In einer Form, die auch für Kinder nachvollziehbar und verständlich, zum Beispiel durch das Zählen der Schneedeckentage in Form von Schneebällen ...
Die Tage waren für mich wichtig, weil diese Wetteraufzeichnungen der Geosphere Austria seit 1775 so interessant sind. Gerade weil wir immer von Tagen auf ein Ganzes schließen und da oft so daneben liegen: Kaum schneit es, ist der Klimawandel schon wieder nicht mehr so schlimm. Daher war es so wichtig zu zeigen, dass es um Veränderungen geht, die erst in der Zusammenschau vieler Tage sichtbar werden. Es geht um die Gesamtzahl von Schneedeckentagen, Eistagen, Heiztagen etc. Und nebenbei kommt da unausgesprochen ein Wissen mit: Dass Wissenschaft Forschung und Aufzeichnung bedeutet.
Und wie wichtig war es, in dem Buch auch die Arbeit eines Museums zu vermitteln?
Es gibt mittlerweile schon ziemlich coole Kinderbücher am Markt, die sich mit der Arbeit von Museen beschäftigen, also warum kommt die Kunst ins Museum oder wie wird eine Ausstellung gemacht? Mit unserem Buch stellen wir die Frage nicht, wie etwas ins Museum kommt, aber wir geben den Objekten eine Bedeutung, indem wir sie erklären und mit der Gegenwart verknüpfen. Vieles wird in dem Buch „mittransportiert“, was gar nicht ausgesprochen werden muss, zum Beispiel die Relevanz von Alltagsgeschichte.
Die Illustrationen in dem Buch sind sehr flächig, ohne viele Details. Warum?
Es ging mir um eine Auflösung in abstrakte Farbflächen, die sich auf das Wesentliche der Erzählung konzentrieren. Die Grenzen des Originalobjekts werden auch nicht als verbindlich oder absolut verstanden, es sind ja auch nur Ausschnitte der damaligen Zeit. Deshalb haben wir uns die Freiheit genommen, manchmal nur einen Ausschnitt eines Objekts für die Illustration heranzuziehen. Manchmal ist es auch das Gegenteil, dann zeigt die Illustration einen weitaus größeren Raum und das Originalobjekt ist nur ein Ausschnitt davon. Bei dreidimensionalen Objekten habe ich die Welt herum dazu illustriert. Wir halten uns also nicht an die räumlichen Grenzen der Objekte. Flächige Illustrationen finde ich deshalb gut, weil sie einen spannenden Abstraktionsgrad haben und Flächen manchmal erst im Kopf zu Bildern zusammengesetzt werden. Zusammengeführt werden die einzelnen Doppelseiten-Erzählungen der Objekte auf der letzten Doppelseite. Dort treffen sich alle Objekte aus den verschiedenen Zeiten als Teil der Austellung Winter in Wien, wie im Wien Museum. Und damit wird die Erzählung „Es war einmal“ im Hier und Jetzt beendet. Es ist ein Spiel mit Suche und Zuordnung. Es geht dann darum, ob die Kinder die Museumsobjekte den Erzählungen und Illustrationen zuordnen können und sie wiedererkennen. Das fordert zur Auseinandersetzung und zum genauen Hinschauen auf!
Das Kinderbuch „Für Schnee einmal schütteln“ ist im Leykam-Verlag erschienen und im Shop des Wien Museums am Karlsplatz sowie online um 18 Euro erhältlich. Die Ausstellung „Winter in Wien. Vom Verschwinden einer Jahreszeit“ ist noch bis 16. März zu sehen.
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