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Kollaborationen in der Street Art-Welt
Eine gemeinsame Sprache
Dies mag auch mit den Ursprüngen von Graffiti und Street Art zusammenhängen. Eine nur in einer bestimmten Szene anerkannte und geteilte Leidenschaft, ähnliche Erfahrungen, der Aspekt der Illegalität und die Tatsache, dass in der Anfangszeit weder Material noch Vorbilder einfach zugänglich waren, werden das Zusammengehörigkeitsgefühl zusätzlich gestärkt haben. Seitdem hat sich zwar einiges geändert, doch die lokale und internationale Vernetzung, die sich auch anhand zahlreicher Kollaborationen im Stadtbild zeigt, konnte sich die Szene bis heute bewahren. Im Interview erzählen Friend und Linda Steiner über ein gemeinsames Lebensgefühl, gegenseitige Inspiration und darüber, warum man Street Art mit Sport vergleichen kann.
Im Kunst- und Kulturbereich sind Kollaborationen und kollektives Arbeiten generell keine Seltenheit mehr – jedoch längst nicht so verbreitet wie im Außenbereich. Was ist für Euch das Spannende an Kollaborationen?
Ich glaube, Ausgangspunkt ist immer die individuelle Kreativität, doch es ist schön, verschiedene Positionen und Stile zu kombinieren, aus denen etwas Neues entsteht. Man selbst bricht den eigenen Stil auf und kombiniert Dinge, die man sich gar nicht hätte vorstellen können. Das ist das Schöne an „Collaborations“. Natürlich ist man nie nur eine individuelle künstlerische Person, sondern immer von allem beeinflusst, das einen umgibt und inspiriert.
Gerade bei Graffiti und Street Art stehen nicht nur Einzelpositionen im Vordergrund, kollaboratives Arbeiten ist gängig.
Auch weil man draußen fast immer gemeinsam malen geht.
Warum ist das so?
Weil es Spaß macht! Es ist immer auch ein gemeinsames Abhängen – und wenn man schon nebeneinander malt, kann man auch gleich gemeinsam an einem Werk arbeiten. Im Studio ist das seltener – man arbeitet eher an einer gemeinsamen Serie oder einem größeren Projekt. Es ist ein anderes Arbeiten. Ich habe erst einmal mit David Leitner eine gemeinsame Leinwand gemalt. Das war sehr spontan. Aber es ist auf jeden Fall anstrengender, als im Außenbereich – wir haben wirklich zeitgleich an dem Werk gemalt und waren auf engstem Raum zusammen. An der Wand hat man einfach mehr Platz und Freiraum.
Ist es nicht trotzdem herausfordernder gemeinsam zu malen?
Es kommt darauf an, mit wem und wie die Konstellation ist. Ich glaube grundsätzlich, der Grund dafür, alleine zu malen, ist die Vorsicht. Man fühlt sich wohl mit der eigenen Arbeit und weiß, was einen erwartet. Daher beginnt man eher allein. Bei mir war es zumindest so.
Ich habe eher das Gefühl, es ist zusammen entspannter und lustiger. Wenn man gemeinsam malt, kann man sich aufeinander verlassen. Beim Malen im Außenraum bekommt man sofort Reaktionen – Menschen, die toll finden, was man macht, aber auch Anfeindungen. In einer Gruppe ist man stärker, es ist leichter, auch in unsicheren Situationen ein Standing zu haben.
Apropos gemeinsam stärker – zur lokalen und internationalen Vernetzung tragen neben Street Art-Festivals auch Crews und Kollektive bei, die den Austausch und die gegenseitige Unterstützung von Künstler*innen fördern. Auch Ihr seid Teil von Crews. In Eurem Fall arbeitet Ihr an gemeinsamen Werken, aber Eure eigenen Positionen, Stile und Handschriften sind klar herauszulesen. Es gibt aber auch Crews wie die We-Are-Crew in Wien oder die 1UP-Crew in Berlin, bei denen es nicht um das Individuelle geht, sondern in erster Linie der Crewname an exponierten Flächen hinterlassen wird…
Auch das ist eine kollektive Energie, die allerdings ein anderes Ziel verfolgt. Die Ausrichtung von Idee und Output, was man zusammen erreichen möchte, ist etwas Anderes als bei uns. Grundsätzlich geht es bei Crews darum, eine gemeinsame Idee zu verfolgen. Ideenaustausch, sich gegenseitig pushen, auf Sachen draufkommen, die man vielleicht alleine nicht sieht. Ich habe mit Skirl, Ruin und Perk_up eine Crew, aber es ist grundsätzlich eine Freundschaft, die uns verbindet. Die Crew steht nicht im Vordergrund, aber wir malen sehr oft miteinander!
Käthe Löffelmann, Mariella Lehner und ich haben festgestellt, dass wir gerne miteinander arbeiten und uns ein Interesse an ähnlichen Themen, wie dem feministischen Diskurs, verbindet. Und wir alle haben uns in der Szene – auch als Frauen – nicht so aufgehoben gefühlt. Das hat uns zusammengeschweißt, wir haben uns gegenseitig sehr bestärkt.
Mit unserem Zusammenschluss als Ripoff Crew ging es richtig los. 2019 war ein starkes Crew-Jahr – Takeover, Calle Libre und ein großes Projekt in Osttirol. 2020 mit der Pandemie haben wir natürlich alle mehr in unseren Studios gearbeitet, aber in den nächsten Jahren wollen wir als Crew wieder größere Projekte machen. Die Arbeit in der Gruppe erleichtert auch das – Projekte, Organisatorisches, Anfragen, Öffentlichkeitsarbeit…
Wir haben Euch eingeladen, ein gemeinsames Werk am Bauzaun zu hinterlassen. Davor hattet Ihr noch nie miteinander gemalt, kennt Euch privat aber gut! Hättet Ihr auch zu einer Kollaboration mit jemandem Fremden ja gesagt?
Wenn man die Werke kennt, inspirierend findet und schätzt, dann auf jeden Fall auch ohne sich persönlich zu kennen! Ich glaube man sieht schnell, ob ein gegenseitiges Grundverständnis da ist.
Meine Erfahrung ist, dass Kollaborationen mit manchen Leuten einfach laufen und sehr unkompliziert sind. Mit anderen funktioniert es auch, aber es ist eher ein Struggle. Einmal hatte ich das Gefühl, ich muss darum streiten, auch einen Platz im Bild zu haben. Auch dabei ist letztendlich etwas Cooles entstanden, aber man ist danach ausgelaugter. Ich freue mich aber immer, wenn Leute sich melden um etwas zusammen zu malen. Natürlich hat man das Risiko, dass es nicht passt, aber ich glaube, man merkt den Vibe der Leute anhand ihrer Kunst ganz gut.
Bei Graffiti und Street Art schwingt oft auch eine Lebenseinstellung mit, die weltweit viele Leute teilen, die das betreiben, sodass schnell eine Verbindung da ist. Man macht ähnliche Erfahrungen an unterschiedlichen Orten. So entstehen zum Beispiel beim Reisen viele Bekanntschaften und Kollaborationen in der Szene.
Ich könnte mir vorstellen, dass es ein wenig wie beim Sport ist, er schaut auf der ganzen Welt gleich aus. Und du kannst auch gemeinsam malen, wenn du nicht die gleiche Sprache sprichst – das ist ein verbindendes Grundelement, auf dem man aufbauen kann!
Part II von Urban Natures. Street Art am Bauzaun ist bis 12.9.2021 am Bauzaun – Wien Museum Karlsplatz Open Air – zu sehen.
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