Hauptinhalt
Kunst in der Krisenzeit
Solidarität und Misstrauen
„Am Anfang war es sehr lähmend, aber man gewöhnt sich daran, wie der schwedische Musiker Kjell Höglund in seinem gleichnamigen Lied („Man vänjer sig“, schwed.) sang“, so Jens Fröberg über den plötzlichen Standby aufgrund der Corona-Krise. „Da ich Maler bin, hat meine Arbeit nicht viel gelitten, ich bin entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad in mein Atelier gefahren. Etwas, das ich vermisst habe, sind Museumsbesuche und eine Ausstellung, die ich sehen wollte, Titians Poesie-Ausstellung in London.“
In seinen Bildern lässt der junge schwedische Künstler, der bereits seit 2012 in Wien lebt, das Abstrakte mit dem Figurativen verschmelzen und schafft „Kunst über Kunst“, wie er es beschreibt: „Meine Werke sind im Großen und Ganzen von der Erfahrung inspiriert, Kunst zu sehen.“
Auch für Lukas Hochrieder, dessen Keramik-Arbeiten sich zwischen zeichnerischem und skulpturalem Denken bewegen, hat sich an der künstlerischen Praxis durch Corona wenig verändert: „Das Arbeiten im Atelier entspricht oftmals einem Rückzug und lässt sich daher für mich ganz gut mit der Quarantäne vereinbaren.“ Allgemein empfinde er die Zeit aber als durchaus ambivalent, „da zum Beispiel neben Solidarität und Hilfsbereitschaft leider auch gegenseitiges Misstrauen wächst.“ Zentral für Hochrieders Arbeitsweise ist das Ausloten von Material, seinen spezifischen Eigenschaften von weich, brüchig bis fest und dem in Beziehung setzen von Materialien im Raum.
Auch für seine Ausstellung in der Startgalerie sind installative Momente vorgesehen: „Gerade in den ersten Wochen, als noch nicht sicher war, ob meine Ausstellung stattfinden kann, hab ich die Konzeption und die Arbeiten dafür weiter entwickelt. Selbst als immer klarer wurde, dass sie wohl nicht zum geplanten Zeitpunkt stattfinden wird, hat diese Vorstellung einen gewissen Fokus aufrechterhalten.“ Mittlerweise hat er die Ausstellungsvorbereitungen aber vorerst beiseite gelegt und konzentriert sich auf neue Keramik-Objekte.
Ebenso Melanie Ender, deren Ausstellung den Anfang der drei gemacht hätte. Ihre raumgreifenden skulpturalen Installationen bestehen aus bearbeiteten, von Papierschichten freigelegten Gipskartonplatten in Kombination mit feinen Messinggebilden, Papier und Gipsgüssen. In dem sie bewusst bestimmte Materialkombinationen und Formelemente wiederholt, werden das Prozesshafte betont und Verbindungen zwischen den einzelnen Arbeiten hergestellt.
In welcher Weise könnten sich einerseits unsere Gesellschaft und andererseits die Kunst- und Kulturszene nach der Corona-Krise verändert haben? „Ich hoffe, dass die Welt ein wenig langsamer wird“, so Jens Fröberg, „und was die Kunst betrifft, dass man sich mehr Zeit nimmt, um Eindrücke aufzunehmen. Ich bemerke oft, dass viele Leute Kunst flüchtig und unkonzentriert betrachten, ihr wenig Zeit schenken, besonders der Malerei.“ Weiters zeige die Krise für ihn, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen eine Lösung sein könnte, „damit die Menschen zu Hause bleiben können, ohne sich wirtschaftlich Sorgen machen zu müssen, und Unternehmen vor dem Bankrott gerettet werden könnten – was natürlich einen großen Einfluss auf die Künstler hätte, da wir es uns leisten könnten, Kunst hauptberuflich auszuüben.“
Lukas Hochrieder hofft auf einen bewussteren Umgang mit Ressourcen: „In dieser Hinsicht zeigt die Corona-Krise einerseits neue Wege, mit digitalen Möglichkeiten umzugehen und andererseits wird mir die Bedeutung von Begegnungen in einem analogen Raum, wie sie vor allem der Kunst- und Kulturbereich hervorbringen kann, als wichtige Dimension nochmals bewusster.“
melanieender.com
lukashochrieder.com
jensfroberg.com
Kommentar schreiben
Kommentare
Keine Kommentare