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Evi Scheller und Peter Stuiber, 12.11.2020

Online Sammlung des Wien Museums

Von Kunst bis Krampus

Das Wien Museum stellt – nach dem Magazin – das zweite große „Digital-Projekt“ vor: Die neue Online Sammlung präsentiert aktuell über 47.000 Objekte mit Bildern, von denen ein Großteil zum freien Download zur Verfügung steht. Das Konzept dahinter erklärt Projektleiterin Evi Scheller im Interview.   

Peter Stuiber:

Was bedeutet der Begriff „Online Sammlung“? Was ist der Unterschied zur „normalen“ Sammlung und welchen Nutzen hat man davon?

Evi Scheller:

Die Online Sammlung ist ein Recherche- und Download-Angebot des Museums. Hier stehen über 47.000 und laufend mehr Objekte aus der Museumssammlung mit Bildern und Informationen zur Verfügung. Die Online Sammlung kann über unterschiedliche Zugänge durchsucht werden, über 85 % der Bilder können frei weiterverwendet werden und Lieblingsobjekte können in Alben zusammengestellt und geteilt werden. „Echte“ Sammlungsobjekte verwaltet das Museum noch viel mehr, nämlich über eine Million, sie lagern im Depot. Die Online Sammlung ermöglicht also einen unkomplizierten Zugang zu einem Teil der Sammlung des Wien Museums.

PS:

Wendet sich die Online Sammlung an „normale“ User oder an eine wissenschaftliche Community?

ES:

Die Online Sammlung ist für alle da, die sich für die Geschichte Wiens und die Kunstsammlung der Stadt interessieren. Sie kann für Schulprojekte und als Unterrichtsmaterial genutzt werden, zur wissenschaftlichen Recherche, für eine persönliche Spurensuche, als Bilddatenbank für Journalistinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstler, Kreative … Es war uns sehr wichtig, verschiedene Zugangsmöglichkeiten anzubieten und auch jene anzusprechen, die bisher vielleicht nicht auf die Idee gekommen sind, dass es bei uns was zu finden gibt. Deshalb gibt es neben der Suche zwei weitere Bereiche: in den „Vorschlägen“ wird die Bandbreite möglicher Resultate gezeigt, und im Bereich „Alben“ haben wir Objektgruppen zusammengestellt, zu denen eine kleine Geschichte erzählt wird. Auch andere Funktionen wie das Anzeigen von „verwandten Objekten“ oder von Zufallsvorschlägen auf der Startseite sollen zum Stöbern einladen. Für Personen, die genau wissen, was sie suchen, gibt´s wiederum eine klassische Detailsuche.

PS:

Warum hat man die Kriterien „druckfähiges Bild“ etc. als Maßstab genommen, man hätte doch auch alles online stellen können, was erfasst ist, oder?

ES:

Ja, das wäre durchaus auch ein Weg gewesen, den wir überlegt hatten. Es war uns aber wichtiger, eine visuell attraktive Seite zu entwickeln, und Bilder sagen einfach am meisten über unsere Objekte aus, ohne dass es eines Vorwissens bedarf.

PS:

Andere Museen stellen auch ihre Objekte online, stellen diese aber nicht zum Download zur Verfügung. Warum hat sich das Wien Museum zu diesem Schritt entschieden?

ES:

Viele der Objekte sind nicht mehr urheberrechtlich geschützt, da gesetzliche Schutzfristen abgelaufen sind. Als Teil der Museumsarbeit haben wir diese Objekte über viele Jahre digital erfasst und digitalisiert, also fotografiert oder gescannt – was teilweise sehr aufwändig ist. Das Museum hat sich trotzdem dafür entschieden, diese Digitalisate frei zur Verfügung zu stellen, da wir sie als öffentliches Kulturgut sehen, das bestmöglich zugänglich gemacht werden sollte. Was wir erwarten, ist eine „faire“ Nutzung der Abbildungen – das betrifft etwa die Nennung der Urheberinnen und Urheber, Fotografinnen und Fotografen und des Museums als Quelle, den Respekt vor dem Original und andere Empfehlungen, die auch die virtuelle EU-Bibliothek Europeana hinsichtlich „Open Content“ ausspricht.

PS:

Gab es internationale Vorbilder für das Projekt? 

ES:

Es gibt so viele tolle Online Sammlungen! In der Konzeptionsphase war der Austausch mit den Verantwortlichen, die über Entscheidungen, Hürden und technischen Lösungen ganz offen berichten, eine große Hilfe. Im deutschsprachigen Raum ist hier beispielsweise das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) zu nennen, sowie die Museen, mit denen wir auf lokaler Ebene im Austausch sind. Wir haben uns mit den Vorreitern von „Open Data“ Projekten auseinandergesetzt und auch besonders die verfolgt, die stetig in Veränderung bleiben und Neues ausprobieren. Was Umfang, Nutzerfreundlichkeit und Offenheit anbelangt, war unser Lieblingsprojekt die Onlinepräsenz der dänischen Nationalgalerie Statens Museum for Kunst (SMK) – da waren wir uns auch mit unserem Designbüro bleed gleich einig.

PS:

Gibt es Bestände, die wichtig sind, aber nicht in der Online Sammlung vorkommen?

ES:

Insgesamt umfasst die Museumssammlung, die im Depot lagert, über eine Million Objekte, also ja – da fehlt noch einiges interessantes! Aber es gibt bereits jetzt einen breiten Einblick in die vielfältigen Bestände des Museums, und es stehen einzelne Objektgruppen auch vollständig für die Recherche zur Verfügung. Neben Highlights und einer Auswahl von Objekten aus vergangenen Ausstellungen sind große Konvolute aus den Bereichen Fotografie, Grafik, Malerei und Mode zugänglich. 

PS:

Wie lange hat das Projekt Online Sammlung gedauert? Wieviele Personen waren daran beteiligt? Und ist es jetzt mit dem Launch abgeschlossen?

ES:

Es ist ein großes abteilungsübergreifendes Projekt und basiert auf jahrelanger Sammlungs-, Inventarisierung- und Digitalisierungsarbeit. Die Inhalte zu den über 47.000 Objekten stammen aus der Abteilung „Sammlungen“ und wurden von mir und dem Team aus IT, Digitales Sammlungsmanagement, Reproduktionen, externen Grafikerinnen und Grafikern sowie Programmierern zu dieser neuen öffentlichen Plattform zusammengeführt. Das Ganze ist technisch direkt an unsere interne Objektdatenbank angeschlossen und wird dadurch ständig aktualisiert und erweitert. Insgesamt waren über 30 Personen aus dem Museum im vergangenen Jahr an dem Projekt beteiligt. Dass die Seite so benutzerfreundlich, schön und schnell geworden ist, verdanken wir der guten Zusammenarbeit mit dem Design Studio Bleed und den Programmierern von Empty Graphics und Urban Trout.

PS:

Wenn es nicht abgeschlossen ist – wo könnte die Online Sammlung in ein paar Jahren stehen? Welche Funktionalitäten könnten dazu kommen? Welche Perspektiven gibt es?

ES:

Die Objekte, Suchvorschläge und Alben werden laufend mehr. Gleichzeitig wird es zu einzelnen Objekten mehr vertiefende Inhalte wie Texte und Links geben. Ein Ziel für die Eröffnung des neuen Museums am Karlsplatz ist auch die Integration der Objekte, die in der neuen Dauerausstellung zu sehen sein werden. Und technisch gibt es viele Ideen, die Suche noch weiter zu entwickeln. Wir haben von Anfang an mit internationalen Standards gearbeitet und z.B. die Schlagworte für Bildmotive aus „Iconclass“ verwendet, ein international verwendeter Thesaurus aus der Kunstgeschichte und Ikonographie, damit wir hier auch international Verknüpfungen herstellen können.

PS:

Dein Lieblingsbestand in der Online Sammlung und warum gerade dieser?

ES:

Ich selbst kannte ja auch v.a. nur die Objekte, die bereits in Ausstellungen oder Katalogen zu sehen waren. Und dabei habe ich die Bereiche, die mich besonders interessieren in Erinnerung wie Architektur, Stadtentwicklung und Kunst des 20 Jahrhunderts. Wo ich dann in der Online Sammlung immer wieder „hängengeblieben“ bin, ist der große Bestand an Grafiken zur Revolution 1848/1849 oder Objekte aus der numismatischen Sammlung – die kannte ich gar nicht und da gibt es so viele Details, die man sich am Bildschirm ganz nah anschauen kann! Also meine Suchtipps: Revolution 1848/1849, Münzen oder Andreas Groll – aber auch gut: Ziege, Krampus oder Demonstration!  

 

sammlung.wienmuseum.at

Evi Scheller hat Architektur in Berlin und exhibiting/curating/managing an der Universität für angewandte Kunst Wien studiert. Neben Mitarbeit beim steirischen herbst, am Haus der Kunst Brünn oder dem Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen hat sie auch als Gestalterin an Vermittlungsprojekten von trafo.K mitgewirkt. Seit 2012 arbeitet sie am Wien Museum und seit 2018 an digitalen Projekten wie der Online Sammlung als Projektleiterin. 

Peter Stuiber studierte Geschichte und Germanistik, leitet die Abteilung Publikationen und Digitales Museum im Wien Museum und ist redaktionsverantwortlich für das Wien Museum Magazin.

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