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Astrid Göttche, 9.1.2025

Pelz und Muff im Wandel der Zeit

Ausgemufft

Ohne Pelz und Muff ging in der Mode lange Zeit gar nichts. Die Palette reichte von Zobel bis zum günstigen Imitat. Heute kommt das Tragen von echtem Pelz für viele aus Gründen des Tierschutzes nicht mehr in Frage. Der Muff ist bei uns so gut wie aus dem Kleiderschrank verschwunden und höchstens als Kinderwagenmuff im Einsatz. 

Vor rund 200 Jahren bildeten Muff und Pelz noch eine gern gesehene modische Allianz. 1838 etwa war vollkommen klar, dass der Muff „ein unentbehrliches Bedürfniß der Saison“ war und Pelze aller Gattungen an den Mänteln, Krägen, Tüchern und Garnituren zum Vorschein kamen. Wie die Wiener Zeitschrift zu berichten wusste, zählten Marder, Hermelin, Zobel und Zebra zu den vornehmsten Pelzen. Auch Boas (also lange Schals) waren sehr beliebt. Wer es allerdings besonders distinguiert mochte, hatte darauf zu achten, dass „sie bloß aus den Schweifchen der Hermeline und anderer köstlichen Thierchen“ bestanden. 1841 war der Muff gar ein „unerläßlicher Artikel der Mode geworden“, fast kein „Frauenzimmer“ war ohne Muff unterwegs. Männer hingegen hatten die Gewohnheit, ihre Hände in einem Muff zu wärmen, abgelegt. Im 19. Jahrhundert etablierte sich der Muff somit zu einem reinen Damenaccessoire, das sich je nach Modeströmung in seinen Formen und Dimensionen änderte und bevorzugt in Pelz verarbeitet wurde.

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Saison für Saison wurden die aktuellen Modetrends in den Zeitungen vorgestellt und die Dos und Don'ts sowie die Must-Haves der Mode ausführlich besprochen. So wurde 1885 beispielsweise der Muff als Geldbeutel als das Neueste auf dem Gebiet der Kürschnerei vorgestellt. Mit einem Augenzwinkern vermerkte die Tageszeitung Das Vaterland, dass diese neue Kreation den Damen nunmehr erlaubte, „Geldbeutel und Muff zugleich liegen zu lassen, während sie früher doch blos das Eine oder das Andere verlieren konnten“. In der Pelzmode waren um die Jahrhundertwende Kleidungsstücke, Accessoires, Garnituren und Besätze aus Zobel, Nerz, Astrachan, Edelmarder, Caracul, Fischotter, Chinchilla und Tibetziege beliebt. Als Futter dienten Hermelin, Feh und Chinchilla. Allerdings wurde der Hang zu Pelz nicht von allen Seiten bejubelt. „Der Pelz als wärmende Umhülle ist gewiß über jeden Tadel erhaben“, meinte ein Redakteur des Neuen Wiener Journal 1895. „Jetzt hingegen sind sie von diesem Dienste vollkommen dispensirt, werden aber als Garnitur im Ueberfluß benützt. (...) Nützlich erweist sich der Pelz beispielsweise doch nicht auf der Balltoilette, die gewiß keiner wärmenden Beigabe bedarf. (…) Oder welchen Zweck erfüllt der Pelz auf den Hüten? Oder soll es etwas schön sein, wenn auf einem Hute mehrere zähnefletschende Köpfe placirt sind oder wenn eines dieser kleinen Raubtiere sich dort häuslich niedergelassen zu haben scheint? Keines von Beiden, aber es ist Mode, und so fungirt der Pelz auf allen Kleidungsstücken vom Schlafrock angefangen bis zu Balltoilette.“ 

Der Run auf Pelz und Muff blieb um 1900 ungebrochen. Unisono herrschte in den gehobenen Gesellschaftskreisen die Meinung, dass es nichts Tragbareres und Schmeichelhafteres für den Teint gäbe als Pelz. Eine elegante Toilette ohne Pelzwerk galt daher als unvollständig – ohne Pelz kein richtiges „finish“. Resolut verkündete die Wiener Frauen-Zeitung dementsprechend 1906, dass in der kommenden Wintersaison nur in einem Punkte eine Diktatur in der Mode herrsche, nämlich in der strengsten Vorschrift: Pelz, wobei die lange Stola aus Silberfuchs mit einem reichgarnierten Muff als kostspieliges Lieblingskind dieser vornehmen Mode ausgerufen wurde. Daneben waren wie in den Jahrzehnten zuvor Felle aus Nerz, Bisam, Fuchs, Edelmarder, Steinmarder, Chinchilla, Hermelin sowie Skunks-, Persianer-, Breitschwanz- und Sealskinsfelle modern. Zobel galt in der Riege der Felle als Fürst der Pelze. Der Muff war in jener Zeit vielfach sehr groß, taschenartig, sehr flach und sehr „garniert“ oder – als Opposition – winzig klein, zierlich und sehr fein wattiert. Die „umfangreichen Pakete“, wie die große Ausführung spöttisch auch genannt wurde, konnten sogar den Schoßhund seiner Trägerin beherbergen. Während der Muff nur im Winter zum Einsatz kam, blieb die Boa als Halszier im sommerlichen Abendrepertoire der Toilette erhalten, wo sie an kühlen Tagen getragen wurde. 

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Wie mehrere Wiener Zeitungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbreiteten, führte die große Nachfrage nach Pelzartikeln zu einer starken Preissteigerung. Obwohl dadurch tiefer in die Geldbörse gegriffen werden musste, schreckte es Käufer nicht davor ab, das bereits „Unentbehrliche“ zu erwerben. Eine Leserin der Neuen Freien Presse 1912 zeigte sich über diese Entwicklung höchst erstaunt: „Man muß sich wundern, daß es überhaupt noch Vierfüßler gibt, denn dem unscheinbarsten Tiere wird, wenn es über ein dickes Fell verfügt, die Haut über den Kopf gezogen und ihr durch Färben und Blenden, wie es fachmännisch heißt, ein respektables Ansehen verliehen. Die edlen Sorten werden immer teurer, der Bedarf von Jahr zu Jahr größer. Die Boas sind heuer so groß geraten, daß Dido, wenn sie ein solches modernes Fell umgehabt hätte, der Mühe des Zerschneidens enthoben gewesen wäre.“ 

Wer sich „keine Zobel, schwarzen Fuchs und dergleichen Kostbarkeiten“ leisten konnte, der griff zu Kaninchenfell. Dieses konnten so geschickt präpariert und gefärbt werden, dass „fast jede Art von Fell aufs täuschendste“ imitiert werden und sich damit jede Dame „als glückliche Besitzerin der seltensten und kostspieligsten Pelze“ ausgeben konnte. Dieser Trend hielt auch nach dem Ersten Weltkrieg an. Zwar galten – wie das Monatsmagazin Internationale Frisierkunst und Mode 1922 betonte – Pelzwaren aus Hermelin, Zobel und Chinchilla weiterhin als der Inbegriff von Glanz und Luxus. Aber welche Frauen – so die Frage – konnten sich das noch leisten? „Auch die Pelzmode ist demokratisch geworden“, so die Antwort. „Was früher Alleingut der Luxusmodedame war, wird Gemeingut, und beinahe jede Frau, die etwas auf sich hält, nimmt den Pelzmantel oder zumindest die Pelzjacke in ihr Kleiderprogramm auf. Jedoch ist man bescheidener geworden, nicht Edelpelz muß es sein, man begnügt sich mit Imitationen oder den neuen in Mode gekommenen Pelzsorten.“ Zu ihnen zählten Kaninchen- und Wildkatzenfelle sowie Felle von Hamster, Fehrücken, Ziegen, Schafspelz, Pferdefell, Maulwurfsfell, Marder, Breitschwanz und Skunks. Der Muff erlebte in der Zwischenkriegszeit ein Revival, hatte an Dimensionen aber eingebüßt und wurde mehr als „niedliches Mufferl“ betrachtet. Seine große Zeit als modisches Must-Have ging damit zu Ende.

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Der Hype rund um Pelzwerke ließ im Laufe des 20. Jahrhunderts zwar nach, nicht aber der Elan der Pelzindustrie. Und das, obwohl in den letzten Jahrzehnten das Leid der Pelztiere nicht mehr aus dem öffentlichen Diskurs wegzudenken ist, etwa wenn es um Boykottaufrufe oder die Frage geht, welchen Preis der vermeintliche Luxus hat. So kündigten selbst einige große Luxuslabels in den vergangenen Jahren an, in Zukunft auf Pelz zu verzichten. Pelzmode ist für viele mittlerweile nicht mehr ethisch vertretbar und aus der Zeit gefallen. Die Pelztierzucht ist inzwischen in mehreren europäischen Ländern verboten, in Österreich als einem der ersten Länder bereits seit 2005. In Wien ist darüber hinaus der Verkauf von Pelz auf Märkten seit 2018 verboten. International hat Kalifornien als erster US-Bundesstaat ein umfassendes Verkaufsverbot für (neue) Pelzwaren erlassen, das mit 2023 in Kraft trat. Vorbei ist es mit der Nachfrage dennoch nicht, speziell in Asien oder Russland.

Dass Dänemark, ein Land mit nur rund sechs Millionen Einwohnern, bis vor Kurzem der weltweit größte Nerzfellproduzent war, wurde einer breiten Öffentlichkeit vermutlich erst im Zuge der Covid-19-Pandemie bekannt. Damals verbreitete sich die Nachricht, dass aufgrund der befürchteten Ausbreitung einer Coronavirus-Mutation über 15 Millionen der massenhaft in Käfigen gehaltenen Nerze „gekeult“ werden mussten. Im Zuge dieser Missstände wurde wieder einmal offensichtlich, wie der Mensch mit Nutztieren umgeht und dass damit – abgesehen von ethischen Überlegungen und der oft desaströsen, qualvollen Haltebedingungen – auch Risiken und Schäden für Gesundheit und Umwelt einhergehen. Denn nicht zuletzt kommen bei der Verarbeitung der Felle große Mengen an Chemikalien zum Einsatz. 

 

Hergestellt aus Kunstfell kann der Muff aber durchaus ein modisches Comeback feiern. Ein Beispiel dafür gibt es im Shop des Wien Museums: Der Muff besteht aus Kunst-Kaninfell und stammt aus der Produktion des Integrativen Ausbildungszentrum Lebenshilfe Vorarlberg. Und hier geht´s zur Ausstellung „Winter in Wien. Vom Verschwinden einer Jahreszeit“. 

Literatur:

O.A.: Mode (Rubrik Geselliges). In: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (Beilage). 13.11.1838, o.S.

O.A.: Modebericht. In: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, 21.1.1841, S. 96. 

O.A.: Neue Mode. In: Das Vaterland. 9.9.1885, S. 4.

O.A.: Die Pelzmode. In: Neues Wiener Journal. 4.12.1895, S. 4.

O.A.: Pelzmode. In: Neues Wiener Tagblatt (Beiblatt Wiener Frauen-Zeitung), 30.10.1904, S. 30.

O.A.: Die Pelzsaison. In: Neues Wiener Tagblatt (Beiblatt Wiener Frauen-Zeitung), 21.10.1906, S. 29.

O.A.: Das Pelzwerk im Jahre 1907 (Wer trägt in Wien den schönsten Pelz). In: Neues Wiener Tagblatt. 17.2.1907, S. 8.

O.A.: Vom Muff. In: Neues Wiener Journal. 22.10.1908, S. 8.

O.A.: Modemiszellen. Kaninchen und Hermelin. In: Neues Wiener Tagblatt (Beiblatt Wiener Frauen-Zeitung), 15.10.1911, S. 38.

O.A.: Die Wintertoilette der Wienerin. In: Neue Freie Presse. 13.10.1912, S. 12.

O.A.: Die Pelzmode des Winters 1922. In: Internationale Frisierkunst und Mode. Dezemberheft 1922 (Weihnachtnummer), S. 159 f. (S. 12 f.)

O.A.: Einen Moment, Gnädige Frau! In: Die Stunde. 24.1.1929, S. 5.

O.A.: Wer niemals einen Muff gehabt. In: Die schöne Frau. 6. Jg., Nr. 11 (August), S. 33.

O.A.: Wiedersehe mit dem Muff. In: Illustrierte Kronen-Zeitung. 14.10.1934, S. 3.

Humane Society International - Großbritannien (2023): Der schmutzige Fußabdruck von Pelz. Bericht über die Umweltauswirkungen der Pelzproduktion. www.hsi.org/wp-content/uploads/2023/08/Report-fur-environment-HSI-UK-de.pdf

Astrid Göttche studierte Kunstgeschichte sowie Geschichte, Germanistik und Theaterwissenschaft an den Universitäten Wien und Hamburg. Im Zentrum ihrer Forschungstätigkeit und Publikationen stehen Themen der Wiener Stadt- und Kulturgeschichte sowie der österreichischen Gartengeschichte.

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Kommentare

Elisabeth

Danke für den schönen Beitrag! Ich bekam in den 1970er Jahren von meinem späteren Ehemann einen - bereits aus Kunstfell - selbst genähten Muff zu Weihnachten geschenkt. Besonders beim Eislaufen hat mir dieser Muff einige Jahre gute Dienste geleistet, und meine erfrohrenen Hände gewärmt.

Sibylle

Hochinteressant, danke für diesen geschichtlichen Überblick! Ich habe als Kind in den 70er Jahren noch einen Muff getragen, das war aber auch damals schon eher eine Ausnahme.