Hauptinhalt
Routenplaner: historische Werbeschriften in drei Bezirken
Wien, vergoldet
Pallas Athene, Secession, Pestsäule – in Wien wurde bei Vergoldungen an Gebäuden seit jeher nicht gespart. Weniger Beachtung finden aber die vergoldeten Ladenfronten und Geschäftsportale, die um die Jahrhundertwende en vogue wurden und Wiens Ruf als Zentrum der Schildermalerkunst begründeten. Der Einsatz von Gold vermittelte Eleganz und Exklusivität, durch den Schutz des Glases waren die Schriftzüge vor Witterungseinflüssen geschützt. Ausführungen reichten von rein typographischen Umsetzungen bis hin zu detailreichen Illustrationen aus Matt- und Glanzgold. Unsere Tour führt uns zu einigen verbliebenen Vergoldungen in den Bezirken VI bis VIII.
Unsere Erkundungstour beginnt im 8. Bezirk in der Josefstädter Straße 73, schräg gegenüber vom Café Hummel.
Moderne Fotografie Carl Zapletal
Vom Portal des „Kinder Photographs“ Carl Zapletal ist nicht nur der vergoldete Schriftzug über dem Hauseingang Nr. 73 zu sehen, auch hoch oben an der Fassade findet sich das Wort „Photographie“. Zapletal zog 1923 an diese Adresse, um sich vermehrt der Portraitfotografie zuzuwenden, betrieb hier das Gassenlokal und wohnte auch selbst im Haus.
Bekanntheit hatte er schon zuvor durch seine Presse- und Motorsport-Aufnahmen erlangt. Bereits 1911 fotografierte er als erster österreichischer Berufsfotograf von einem Flugzeug aus, seine „Porträts der Wr.-Neustädter Piloten, Bilder von in Fahrt befindlichen Flugapparaten“ wurden 1912 bei der internationalen Flugausstellung (ifa) in der Rotunde gezeigt.
Hauseingang Nr. 46
Unser Weg führt die Josefstädter Straße stadteinwärts. Aufmerksamen Beobachter*innen werden am Weg einige vergoldete Hausnummern auffallen. So zum Beispiel auch im unteren Bereich der Josefstädter Straße die gegenüberliegenden Häuser auf Nummer fünf und sechs:
Alte Löwen Apotheke
1782 gründete Mathias Moser die Löwen-Apotheke, damals noch am Standort im Haus gegenüber. Unter dem Sohn des Gründers erlangte sie Berühmtheit, hatte er doch im Keller der Apotheke das Gaslicht erfunden. Daran erinnert heute noch die Laterne am Eck der Apothekenfassade.
Auch an Kunstsinn mangelte es Moser nicht, als Ladenschilder ließ er Ferdinand Waldmüller vier lebensgroße Gemälde anfertigen. Heute befinden sich die Werke in der Sammlung des Belvedere, Repliken davon sind in den Schaufenstern der Apotheke ausgestellt. Dort ebenfalls zu sehen sind diverse Eigenanfertigungen der späteren Besitzer, der Familie Trnkoczy. Sie hatte die Apotheke 1886 übernommen und mit „Trnkoczy’s Eisenwein“ oder dem vielfach prämierten Likör „Grandol“ einige Berühmtheit erlangt.
Mehr zur Geschichte der Apotheke finden Sie hier.
Übrigens lohnt sich hier nicht nur der Blick in die Auslage, sondern auch nach oben: An der Fassade sind noch Überreste der alten Beschriftung erhalten, die man auf einem Kupferstich in der Auslage sehen kann.
Wir folgen nun der Piaristengasse, bis wir auf Höhe der Nummer 26 an den verspiegelten Schildern der Plissierwerkstätte Endl (nun: Houska) vorbeikommen. Von hier sind es nur noch wenige Meter bis zur nächsten Station in der Piaristengasse 4-2:
Moderne Haarpflege
Die meisten Passagiere der Linie 13A kennen das Geschäft mit seinem tollen Portal und dem goldenen Sign wohl nur vom Vorbeifahren. Dabei würde es sich durchaus lohnen reinzusehen, denn es ist nämlich Wiens einziger „Kabinen-Salon“. Inhaberin Christine Endres entstammt einer uralten Friseurdynastie und hat dementsprechend viele Anekdoten zu erzählen. Frau Endres kämpft derzeit gegen die Pläne der Hausverwaltung, das Portal zu erneuern. Die Tage dieses besonders eleganten 1950er Schriftzuges könnten durchaus gezählt sein.
Weiter geht es über die Lerchenfelder Straße: Am Portal des Möbelgeschäfts an der Ecke finden sich mehrere goldene Schriftzüge, einer davon ist echt – erraten Sie welcher? Der Weg führt uns dann in Richtung Burggasse, wo wir links einbiegen.
Die alte Bäckerei †
Die detailreichen Beschriftungen des Ecklokals am Fuß des Spittelberg zeugen vom Warenangebot um die Jahrhundertwende. „Schmackhaftes Molken-, echtes Kornbrot und die Spezialität Erdäpfelbrot“ werden da nebst „Mehl und Gries aus den renommiertesten Dampfmühlen“ beworben.
Handwerklich ist das Portal einer der außergewöhnlichsten Schildermalerarbeiten der Stadt. Perlmutteinlegearbeiten, Glanz- und Mattgold, raffinierte Typografie: Die alte Bäckerei zog alle Register. Leider wurde sie im Sommer 2018 überklebt, derzeit ist nur bei ganz genauer Betrachtung das vergoldete Portal unter der Folierung zu erahnen. Zumindest ist dieses Kleinod der Schildermalerkunst damit derzeit vor äußeren Einflüssen geschützt.
Wir biegen nun ein in die Sigmundsgasse und gehen weiter Richtung Mariahilferstraße. In der Stiftgasse 3 erreichen wir unseren nächsten Halt.
Herzmansky
Wie so oft auf unserer Tour lohnt sich auch hier der Blick nach oben.
Ein Blick in die Mariahilfer Straße zeigt deutlich das Dilemma heutiger Geschäftsbeschriftungen: Von Individualität keine Spur, lieblose Beklebungen dominieren.
In der nahen Barnabitengasse erwartet uns ein Highlight der Tour:
Klavierfabrik Rudof Stelzhammer
Die ursprünglich aus Oberösterreich stammende Wiener Klaviermacherfamilie Stelzhammer zog im Jahr 1900 von der nahen Mariahilfer Straße 51 in die Barnabitengasse 8. Über dem Eingang der ehemaligen Klavierfabrik prangt „Stelzhamer“ mit einem „m“, obwohl sich die Familie Stelzhammer mit zwei „m“ schreibt - eine verkürzte Schreibweise, die normalerweise mit Reduplikationsstrich (der hier fehlt) ausgeführt wurde und bei einem Geschäftsschild eher ungewöhnlich war.
Der Sohn Rudolf Stelzhammers war von 1945 bis 1967 Innungsmeister der Musikinstrumentenerzeuger, auch sein Enkel Hugo war noch bis in die Achzigerjahre im Betrieb tätig. Unter seinen Namen wurde das Musikhaus Stelzhammer mit Standorten in der Linzerstraße und im Haus der Musik bis 2011 weitergeführt, ausgerechnet im 160. Jahr der Firmengeschichte folgte schließlich das Aus.
Eine charmante Besonderheit dieser Vergoldung: Wer zur Mittagszeit Glück hat, sieht die stimmungsvolle Reflexion des Schriftzuges „Rudof Stelzhamer“ auf dem Kopfsteinpflaster der Barnabitengasse.
In der Einfahrt zum Innenhof befinden sich übrigens zwei wunderbar erhaltene vergoldete Schilder, die nicht öffentlich zugänglich sind. Sollte die freundliche Besitzerin des Nanna Shops nebenan das Tor öffnen, kann man sogar einen Blick darauf werfen.
Wir gehen weiter und machen einen kleinen Abstecher vor das Apollokino. Dort blicken wir die Kaunitzgasse hinunter:
Spezialatelier für Kostüme
Unser (mittlerweile) geschulter Blick hat sicher längst das Schild des „Spezialateliers Josef Jiráček“ entdeckt, oder? Auch am weiteren Weg in der Gumpendorfer Straße gibt es etliche Dinge „Über Kopf“ zu sehen (z.B. bei den Hausnummern 50, 33, und 17).
Letzter Halt: Café Sperl
Das Café Sperl hatte bis 2020 zwei der schlichtesten, aber äußerst eleganten Schriftzüge der Stadt neben seinem Eingang hängen. Bedauerlicherweise wurden die Originalschilder durch Witterung beschädigt und in der Folge mangelhaft renoviert. Mittlerweise wurden sie leider durch Folienbeklebungen ersetzt. Noch zu sehen: Die dreidimensionalen, vergoldeten Buchstaben an den Seiten des Portals.
Café Drechsler – wir sind am Ziel
Vorm stadtbekannten Neonschriftzug des Café Drechslers endet unsere Tour. Über die Kunst der Vergoldung kann man sich übrigens im nahegelegenen Schildermaler Museum informieren – oder sich im zweiten Teil dieser Tour auf die Spur der Vergoldungen im ersten Bezirk begeben (Fortsetzung folgt).
Start:
Josefstädter Straße 73
(Höhe Café Hummel)
Ende (Teil 1):
Linke Wienzeile,
Café Drechsler
Dauer: ca. 75 Minuten
Öffentliche
Verkehrsmnittel:
keine Öffis benötigt
Google Maps:
Route online
Route und Beschreibung
PDF zum Ausdrucken
Kommentar schreiben
Kommentare
Liebe Frau Eichwalder, vielen Dank für Ihr Feedback! Ja, es wird eine Fortsetzung geben - das Veröffentlichungsdatum steht aber noch nicht fest! Beste Grüße, Peter Stuiber (Wien Museum Magazin)
Vielen Dank für den tollen Artikel,
gibts eine Fortsetzung ?
LG Asrid Eichwalder