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Walter Öhlinger, 19.1.2020

Skisport in Wien

Schanzenrekord am Himmelhof!

Wo wurde der erste Skiklub der österreichisch-ungarischen Monarchie gegründet? In welcher Stadt gab es mehrere Sprungschanzen? Die wenigsten würden hier wohl zuerst an Wien denken. Und doch kann die Stadt auf eine für eine Metropole dieser Lage und Größe erstaunliche Tradition als Wintersportort zurückblicken.

In Wien wurde man 1873 durch die Weltausstellung auf die bis dahin in unseren Breiten unbekannten „Schneeschuhe“ aufmerksam, als im Pavillon Norwegens verschiedene Varianten ausgestellt waren.  Bald waren es nicht nur einzelne Pioniere, die sich an den Abhängen des Wienerwaldes im Skilaufen versuchten:  „Der schneereiche Winter hat dem bei uns neueingeführten Sport des Schneeschuhlaufens gewaltigen Vorschub geleistet. Mit besonderem Eifer wird das Skilaufen unter anderem in Wien betrieben, wo sich bereits ein Skiverein gebildet hat.“  So registrierte die Leipziger „Illustrirte Zeitung“ im Februar 1893 die Begeisterung für den Skisport.

Bei dem erwähnten Verein handelt es sich um den am 31. Oktober 1891 gegründeten „Ersten Wiener Ski-Verein“, aus dem dann der „Niederösterreichische Ski-Verein“  und schließlich der „Österreichische Ski-Verein“ hervorgingen. Er hielt im Februar 1895 in Pötzleinsdorf seine Vereinsmeisterschaften ab. Sie waren ein so großer Publikumserfolg, dass man für den 5. und 6. Jänner 1896 am gleichen Ort eine internationale Veranstaltung, ein „Ski-Derby“ Österreich-Norwegen, ansetzte. Das „Illustrirte Wiener Extrablatt“ berichtete: „Im Laufen haben es unsere Skileute schon ziemlich weit gebracht, weniger gut geht es mit dem Springen, einer Specialität des Skilaufens. Der beste Springrecord, der bisher geschaffen wurde, beträgt 32 Meter.“ (Beim Wettkampf in Pötzleinsdorf sprang der Norweger Eeyrind Roll mit 22 Metern am weitesten. )

Langlaufen und Skispringen

Skilaufen – das bedeute in den Anfängen nach norwegischem Vorbild Langlaufen und Skispringen.  Es war der Skipionier Matthias Zdarsky, der einen eigenen Stil für das Befahren von steileren Hängen entwickelte und propagierte („Alpine Skilauf-Technik“, 1896). 1900 gründete er – in Wien – den „Internationalen Alpen-Ski-Verein“.  Nun verlagerte sich der Skisport zunehmend in weiter von der Stadt entfernte, höher gelegene alpine Regionen. Doch nach wie blieben auch die verschneiten Hügel im Nahbereich der Metropole Schauplatz: Die Hackenbergwiese in Hütteldorf war die Übungswiese des Alpen-Ski-Vereins,  im Februar 1901 veranstaltete er dort ein großes Schaulaufen.

Auch das Skispringen blieb in Wien beheimatet.  Wurde anfangs über vergleichsweise bescheidene Hügel auf den Wienerwaldabhängen in Pötzleinsdorf oder Neuwaldegg gesprungen, schritt man in der Zwischenkriegszeit an den Bau großer Sprungschanzen. Der Wiener Arbeiter-Turnverein (WAT) errichtete 1929 am Cobenzl eine Schanze. Zehntausende Zuschauer verfolgten hier Wettbewerbe, bei denen bis zu 57 Metern gesprungen wurde. Der WAT wurde 1934 verboten. Die Stadt Wien ließ die Schanze im Zuge des Baus der Höhenstraße vom  austrofaschistischen „Freiwilligen Arbeitsdienst“  instand setzen, zum geplanten Bau einer Skiarena kam es aber nicht mehr. Die Anlage verfiel, das Wiener Skispringen verlagerte sich  nach Hadersdorf-Weidlingau, das von den Nationalsozialisten 1938 eingemeindet worden war.  Ein Projekt, das den Neubau Cobenzl-Schanze als Mittelpunkt eines Stadions vorsah, gewann 1948 eine Olympische Goldmedaille im Kunstwettbewerb für Architektur, wurde aber nicht verwirklicht.

Ein Gemälde des Malers Max Frey in der Sammlung Wien Museums zeigt die 1936 in Hadersdorf Weidlingau errichtete „Wienerwaldschanze“ im Jahr 1940. Damals hatte man diese Anlage so erweitert, dass sie Sprünge bis zu 70 Meter ermöglichte. Der Zweite Weltkrieg, die Nachkriegszeit und einige schneearme Winter sorgten dafür, dass sie kaum in Betrieb war und zunehmend verfiel. 1969 gab es – nie verwirklichte – Pläne, auf ihrem Gelände eine neue Sprungschanze zu errichten und mit künstlichem Schnee, der seit 1966 auf der Hohen-Wand-Wiese erzeugt wurde, zu versorgen.

Skisprungveranstaltungen wurden auch auf der im Jänner 1949 eröffneten Schanze am Himmelhof (gegenüber Hütteldorf) durchgeführt. Zu ihren Glanzzeiten verfolgten hier bis zu 20.000 Besucher Meisterschaftsspringen. Der reguläre Schanzenrekord lag bei 42 Metern, bei Trainingssprüngen waren es manchmal mehr. Diese letzte Sprungschanze, die in Wien in Betrieb war, wurde im Juni 1980 von Vandalen niedergebrannt, die Reste in der Folge abgetragen. Auch hier wurde schon an eine Wiedererrichtung gedacht: 2002 gewannen Studenten der Technischen Universität Wien den „Ingenieurpreis der österreichischen Beton- und Zementindustrie“ für ein entsprechendes Projekt.

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Skisport

https://austria-forum.org/af/AustriaWiki/Wiener_Skisprungschanzen

Dank an Josef Holzapfel (www.1133.at) für die Fotos von der Himmelhofschanze.

 

Walter Öhlinger, Historiker, Studium der Geschichte und Deutschen Philologie, seit 1989 Mitarbeiter des Wien Museums, Kurator für Wiener Stadtgeschichte 1500–1918 mit den Schwerpunkten politische Geschichte und Sammlungen des ehemaligen Wiener Bürgerlichen Zeughauses. 

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