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Tabea Rude, 17.2.2022

Wie Wächter bewacht wurden

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Wie in den meisten Städten entwickelte sich in Wien ab dem Mittelalter ein organisierter Wachdienst für Stadttore und Befestigungen. Die Wächter riefen die Stunden aus und waren mit der Einführung der Straßenbeleuchtung oft auch für diese zuständig. Um zu kontrollieren, ob die Wächter ihren Dienst ordnungsgemäß durchführten, wurden Stech- und Stempeluhren entwickelt – die Vorläufer der heutigen Systeme zur Arbeitszeiterfassung. 

Beim Wachtdienst ging es nicht nur darum, zu kontrollieren, wer in die Stadt rein- und rausspazierte, sondern auch um den Feuerschutz und die generelle Sicherheit der Bewohner. Besonders bei Nacht konnte so durch einige wache Augen manche Katastrophe oder Überfall verhindert werden. Ausgestattet mit Horn, Hellebarde oder Spieß und Laterne hatten die Wächter den Auftrag, eine bestimmte Route in bestimmten Zeitabständen zu patrouillieren. Dabei waren sie auch oft Zeitzeichen zugleich und riefen die Stunden aus. Mit dem Aufkommen der Straßenlaternen übernahmen Nachtwächter auch oft das Anzünden und Löschen. Eine weitere Aufgabe war das Kontrollieren der Sperrstunden in den Wirtshäusern.

Ab dem 19. Jahrhundert wurde die Kontrolle der Arbeit bzw. Arbeitszeit nicht nur unter den Wächtern ein generelles Thema. Durch die Industrialisierung und das damit entstehende Fabrikwesen mussten größere Arbeiterschaften organisiert und kontrolliert werden. Die Stempeluhr ist uns heute noch ein Begriff und ist zumindest in elektronischer Form mit Chipkarte immer noch weit verbreitet, vor allem dort, wo Vorgesetzte die Anwesenheit nicht kontrollieren können.

Das war natürlich im Wächterberuf fast durchgehend der Fall, weswegen findige Methoden der Arbeitszeitkontrolle sich dort zuerst ausbreiteten. Ausgelöst wurden diese Impulse zur Reform durch leitende Beamte in der Verwaltung, wo man die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Zuständen in den Amtsstuben und den Leistungszielen als untragbar empfand. Erste ortsfeste Einrichtungen, die ähnlich wie die Arbeits-, Stech- oder Stempeluhr funktionierten, tauchten um 1800 im Schwarzwald auf.

Vom Prinzip her ähnlich wie die ersten Wächterkontrolluhren aus dem Schwarzwald ist dieses österreichische Modell aus der der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es wurde vom Wiener Uhrmacher Joseph Rybensky hergestellt. Der Stundenzeiger stand fest, während sich das Emailzifferblatt drehte. Alle Stifte werden gerade aufgestellt und der zuständige Wächter zog an einer Schnur auf dem Oberteil des Gehäuses und drückte damit den Stift nach vorne. Dies markierte damit den Zeitpunkt seines Kontrollganges. Die Uhr konnte auf die Viertelstunde genau den Kontrollzeitpunkt markieren.

Hierbei konnte natürlich nur eine Kontrollaufzeichnung für zwölf Stunden vorgenommen werden und es gab keine dauerhafte, automatisierte Aufzeichnung auf Papier.

Eine andere Methode, die sich größter Beliebtheit erfreute, war die der tragbaren Wächterkontrolluhren, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Verbreitung fanden. An manchen Häuserwänden finden sich heute noch Überreste, kleine verschließbare Kästchen, die an ihre Verwendung in der ganzen Stadt erinnern. Die Wächter suchten hierzu die Zentraluhr nicht selbst auf, sondern hatten sie dabei. An bestimmten Kontrollpunkten auf ihrer Route befanden sich spezielle Schlüssel an einer Kette – gut versteckt in Kästchen an Hauswänden oder Mauern.

Dieser Schlüssel wurde in die Uhr gesteckt und umgedreht, wodurch er ein Papierband oder eine Papierscheibe perforierte und somit die Uhrzeit markierte, zu der er sich an diesem Kontrollpunkt befand.

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Die tragbare Nachtwächterkontrolluhr sah aus wie eine übergroße Taschenuhr. Sie war robust verpackt und schützte die Uhr vor allem vor dem zu kontrollierenden Nachtwächter. Manipulationsversuche oder einfach genereller Unmut auf den mitgeführten „Kontrolleur“ waren nicht selten, bestenfalls wurde sie unsanft behandelt.

Einblick bietet die Beschreibung einer neu erfundenen Wächterkontrolluhr im Allgemeinen Journal der Uhrmacherkunst im Jahre 1876 zu den Vorteilen eines Modells:

„Führt man Mehl, Sand oder Wasser in das Schlüsselloch, so hat dies keinen Einfluß auf die Uhr, weil das Werk noch besonders in einer luftdicht schließenden Kapsel verschlossen ist.“

Tatsächlich wirken die Uhren wie gepanzert und waren eher selten mit zusätzlichem Zifferblatt und Verglasung ausgestattet, um dem Wächter auch als Dienstuhr dienen zu können.

Spätere Wächterkontrolluhren hatten dann, ähnlich wie bei den uns bekannten Stechuhren, auch Zeitstempelfunktionen. Auf ein eingelegtes Papierband wurde mittels Farbband die Uhrzeit bei Schlüsselbetätigung direkt aufgedruckt. Diese Nachtwächterkontrolluhren wurden noch bis in die 1980er Jahre hergestellt.

Elektrische Kontrolluhren sollten die Kosten auf längere Sicht senken, in dem man die absichtliche, schonungslose Behandlung der Uhren und die hohen Reparaturkosten reduzierte und dem Nachtwächter weniger Material zum Zerstören gab. Außerdem war es möglich, eine elektrische Kontrollanlage mit einem bestehenden Telegraphen- und Feuertelegraphensystem zu kombinieren. Dadurch konnte der Nachtwächter ohne Verzögerung kleinere Meldungen oder ein gesichtetes Feuer sofort an die Zentralstation der Feuerwehr senden.

Eine besonders spannende Luxusversion einer Wächterkontrolluhr, befand sich zum Beispiel im Wirtschaftsamt Wien und gelangte 1920 in die Sammlung des Wien Museums:

Dieser verglaste Kasten stand in der Wachzentrale und zeichnete, ähnlich wie eine Stechuhr, die einzelnen Stationen der Wächter auf. An den einzelnen Kontrollpunkten, die im Wirtschaftsamt verteilt waren, musste jeweils ein elektrischer Stromkreis in Form eines Schalters geschlossen werden. Die Betätigung des Schalters aktivierte einen der Elektromagneten im Oval dieser Uhr. Der Elektromagnet zog wiederum den sogenannten Anker zu sich, der den langen Schreibhebel kräftig nach oben schleuderte und ein Loch in die auf der Rolle platzierte Papierbahn drückte.

Jeder Kontrollpunkt auf dem Weg des Wächters aktivierte einen anderen Elektromagnet, sodass am Ende der Schicht nachvollzogen werden konnte, wann der Wächter wo einen Schalter betätigt hatte.

Quellen:

Ulrich Berger. Nachtwächter in Nordheim, Juni 2014

Ladislaus Fiedler. Die elektrischen Controluhren. In: Die Zeittelegraphen und die elektrischen Uhren vom praktischen Standpunkte. S. 156-166

Helmut Kahlert. Kontrolluhren des 19. Jahrhunderts. In. Alte Uhren April 1984, S. 53-60

Über die Baumsche Kontrolluhr. In: Allgemeines Journal der Uhrmacherkunst 1876, S. 97

Österreichische Uhrmacherzeitung Vol. 13, No. 12, Dez 1924, S. 271

www.geschichtewiki.wien.gv.at

https://blog.deutsches-uhrenmuseum.de/2018/09/13/achtstundentag

Tabea Rude lernte das Uhrmacherhandwerk in Pforzheim und studierte dann Restaurierung für Uhren und dynamische Objekte an der University of Sussex. Seit 2017 ist sie für die Uhrensammlung zuständig. Sie ist besonders interessiert an elektrischen Uhren und Zeitdienstanlagen zwischen 1850 und 1950, publiziert hat sie zu dem Thema im britischen peer-reviewed Antiquarian Horological Journal. Sie begeistert sich außerdem für historische Kunststoffisolierung, taktische Intervallzeitmessung in Konvoys auf See im 1. und 2. Weltkrieg und Feueralarmtelegraphie.

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Kommentare

Elisabeth Fuchs

Ein sehr interessanter Artikel mit vielen aufschlussreichen Informationen zu einem Teilbereich der Wiener Uhrmacherkunst, zur Historie des Nachtwächterberufes und der Arbeitszeitkontrolle. Vielen Dank auch für die großartigen Illustrationen!

Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen

Vielen Dank für diesen spannenden Einblick in die Wiener Geschichte. Nachtwächter-Kontrolluhren kannten wir zwar schon, aber es ist besonders schön einen Artikel von außerhalb dazu zu lesen!

Übrigens haben wir kürzlich auch eine Uhr mit besonderer Geschichte aus Wien in unsere Sammlung aufnehmen können, für Interessierte findet sich hier der zugehörige Artikel:

https://blog.deutsches-uhrenmuseum.de/2022/02/01/pneumatische-uhr-mayrhofer/