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Christine Dobretsberger, 30.1.2024

Zum 100. Geburtstag von Elfi Dassanowsky

In Eigenregie

Sie spielte ausgezeichnet Klavier, trat als Sängerin und Schauspielerin auf und verweigerte dem NS-Regime die Zusammenarbeit. Nach dem Krieg wurde die vieltalentierte Elfi Dassanowsky als Produzentin eine der treibenden Kräfte des österreichischen Films, ehe sie nach Hollywood ging.

Elfriede Dassanowsky galt als Wunderkind. Ihr Talent für Klavierspielen und Gesang führte dazu, dass sie bereits als 15-Jährige an der Wiener Hochschule für Musik und darstellende Kunst zu studieren begann. Woher ihre musikalische Begabung rührt, ist nicht bekannt, ihr Vater, Franz Leopold Dassanowsky, war Beamter in der Finanzlandesdirektion Wien. Aufmerksam auf die Begabung seiner am 2. Februar 1924 geborenen Tochter wurde der deutsche Konzertpianist und ehemalige Franz Liszt-Schüler Emil von Sauer, der sie fortan unterrichtete. Ihre Schauspielausbildung erhielt sie von Eduard Volters, Paula Mark-Neusser zeichnete für ihre Gesangsausbildung verantwortlich.

Erste Erfahrungen mit der Filmwelt machte Elfi Dassanowsky 1942, als der damalige Chef der Wien-Film, Regisseur Karl Hartl, sie engagierte, um einem seiner aufstrebenden neuen Stars das Klavierspielen beizubringen. Der damals 27-jährige junge Mann war Curd Jürgens und sollte in Hartls Mozart-Film „Wen die Götter lieben“ Kaiser Joseph II. verkörpern und in einer Szene Klavierspielen. Letztlich änderte Hartl zwar sein Drehbuch und ließ Jürgens die Geige spielen, dennoch blieb Curd Jürgens mit Dassanowsky in Verbindung, zumal er auch im Willi-Forst-Film „Frauen sind keine Engel“ eine Musikerrolle übernehmen sollte.

Arbeitsdienst statt Musikstudium

1943 wurde Elfi Dassanowskys Studium und Musikkarriere jäh unterbrochen, da sie sich weigerte, einer NS-Jugendorganisation beizutreten und somit nicht wie andere Kulturschaffende vom Arbeitsdienst befreit wurde. Der damalige Rektor der Hochschule, Franz Schütz, hatte in der Partei einflussreiche Freunde, und Elfi Dassanowskys Mutter konnte mit einem Teil des Familienschmucks immerhin erwirken, dass ihre Tochter dank dieser „Kriegsspende“ ihren knapp zweijährigen Arbeitsdienst nicht auf einem Bauernhof, sondern in einer Zigarettenfabrik, später in einem Hospital ableisten und dadurch ihre Hände fürs Klavierspielen schonen konnte.

In dieser Zeit befasste sich Dassonowsky verstärkt mit dem Gedanken, in Zukunft vermehrt in der Filmbranche tätig sein zu wollen. Obgleich bekannt war, dass sie sich hartnäckig weigerte, mit dem NS-Regime zu kooperieren, erhielt sie 1944 von der deutschen Filmproduktionsfirma UFA eine Einladung nach Berlin, um sich für eine Hauptrolle in einem neuen Musical vorzustellen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Reichsfilmdiva Zarah Leander die Gunst von Propagandaminister Goebbels bereits verloren und die UFA wollte einen neuen Star kreieren. Aufgrund ihres großen Stimmumfanges hätte Dassanowsky Leanders Gesangsstil gut imitieren können, blieb aber bei ihrer Haltung, keine Filmkarriere mithilfe einer Regierung machen zu wollen, der sie sich schon von Anfang an widersetzt hatte.
 

Karrierestart nach Kriegsende

Nach Kriegsende feierte sie dann im Alter von 22 Jahren ihr Operndebut als Susanna in Mozarts „Figaros Hochzeit“ am St. Pöltener Stadttheater. Hier lernte sie auch den Komponisten und Dirigenten Alfred Gerstner kennen, der ihr später das Chanson „Liebe? Das muss ein Traum sein.“ widmen sollte. Ihm erzählte sie von ihrer Leidenschaft für den Film und dass sie beim Neustart der österreichischen Filmszene aktiv mitwirken möchte. Gerstner spürte offensichtlich, wie ernst es der jungen Künstlerin mit diesem Ansinnen war und machte sie mit dem Schauspieler und Filmregisseur Emmerich Hanus bekannt. Eine schicksalhafte Begegnung, wie sich bald herausstellen sollte. Denn trotz eines Altersunterschieds von über 40 Jahren herrschte zwischen den beiden in künstlerischer wie in menschlicher Hinsicht vom ersten Augenblick an eine große Vertrauensbasis.

Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder Heinz, hielt sich Emmerich Hanus in den Kriegsjahren vom Film fern, verweigerte eine Anbiederung an das NS-Regime und arbeitete in dieser Zeit als Bankier. Ursprünglich begann seine Karriere in der Stummfilm-Ära, zunächst als Schauspieler, dann als Regisseur, wo er u.a. Werke des Volksdichters Karl Schönherr („Erde“, 1920, „Glaube und Heimat“, 1921) auf die Leinwand brachte. Eine Zusammenarbeit mit seinem Bruder Heinz, der in der Folge zu den Pionieren der österreichischen Filmgeschichte zählen sollte, war kein Thema, vielmehr standen die beiden zueinander in Konkurrenz, was nicht zuletzt auch politische Motive hatte. Als Heinz Hanus 1938 NSDAP-Mitglied wurde, nahm der persönliche Kontakt noch weiter ab. In einem Beitrag, den Elfi von Dassanowsky 1999 in der „Wiener Zeitung“ publizierte, ging sie näher auf die schwierige Beziehung der beiden Hanus-Brüder ein und wies darauf hin „dass politische Ideologie eine Zusammenarbeit zwischen den beiden leider verhinderte. Ein solches Zusammenkommen von wunderbaren Filmtalenten hätte den österreichischen Film dominieren können, wie Louise Kolm und Jakob Fleck es im Stummfilm getan hatten, oder es hätte sogar zu einem wienerischen Ebenbild zu Hollywoods Warner Brothers führen können.“

Gründung von Belvedere Film

Stattdessen wurden 1946 andere konstruktive künstlerische Allianzen geschlossen: Ideologisch und künstlerisch auf einer Wellenlänge beschlossen Emmerich Hanus und Elfi Dassanowsky eine neue Filmgesellschaft zu gründen – als Geschäftsführer von Belvedere Film fungierte August Diglas. Studio und Produktionsstätten befanden sich in einer vom Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenen Jugendstilvilla am Bauernmarkt 24 im ersten Wiener Gemeindebezirk. Diese Adresse hatte schon mehrfach eine Rolle in der österreichischen Filmgeschichte gespielt. In der Stummfilm-Ära wurde das Obergeschoss des Gebäudes als Filmatelier genutzt, ab 1933 als Lehrinstitut für Tonfilmkunst und später als Ausweichquartier für die am Rosenhügel ansässige Wien-Film. Mit diesem Schritt in die Filmbranche war Elfi Dassanowsky – nach Louise Kolm-Fleck – nun die zweite weibliche Filmproduzentin Österreichs und in jedem Fall die jüngste Protagonistin in diesem Metier.

Die ersten Projekte von Belvedere Film waren zwei Kulturfilme: „Symphonie in Salzburg“ (1946) und „Die Kunstschätze des Klosterneuburger Stiftes“ (1947). Die erste Komödie „Die Glücksmühle“ (1947), bei der Dassanowsky auch als Darstellerin agierte (Regie: Emmerich Hanus), wurde vom Filmhistoriker Walter Fritz als „das erste ländliche Lustspiel nach 1945“ bezeichnet. Im Zentrum dieser sowie von allen nachfolgenden Produktionen stand das Ansinnen, typisch österreichische Filmformen, wie den Heimatfilm oder die Wiener Musikkomödie, von ihrer ideologischen Vereinnahmung durch die Nazis zu befreien und durch satirische und gesellschaftskritische Aspekte fürs Nachkriegspublikum attraktiv zu machen.
 

Entdeckung neuer Filmstars

In den Jahren ihres Bestehens produzierte Belvedere Film insgesamt zwar nur sieben Filme, der bekannteste wurde die musikalische Satire „Märchen vom Glück“ (1949), aber als Kreativdirektorin verschaffte Dassanowsky vielen Stars, wie Maria Holst, Karl Skraup oder O.W. Fischer, ein Comeback und entdeckte neue Talente wie Evelyn Künneke, Gunther Philipp und Nadja Tiller, die in der Folge große Filmkarrieren machten. Belvedere ermöglichte auch den ersten Filmauftritt von Burgschauspieler Alexander Trojan in der Komödie „Wer küßt wen? (1947). Sie half auch mit, den jungen Theaterstar Oskar Werner zu überreden, in die Filmwelt einzutreten. Während sie gemeinsam mit Emmerich Hanus nach einer passenden Rolle für ihn suchte, kam ihnen allerdings Regisseur Karl Hartl zuvor, der Werner für den Film „Der Engel mit der Posaune“ gewinnen konnte und somit den Anfang seiner internationalen Filmkarriere besiegelte.

Neben ihrer Arbeit als Filmproduzentin setzte Elfi Dassanowski ihre Karriere als Sängerin und Schauspielerin fort, verkörperte Hauptrollen in Opern, Operetten, Bühnendramen und Komödien, wirkte bei der Gründung mehrerer Theatergruppen mit, war Rundfunksprecherin bei der BBC, stand dem österreichischen Maler Franz Xaver Wolf Modell und lehrte in Meisterklassen Gesang und Klavier. Mit anderen Worten: Dassanowsky war eine vielseitig begabte Künstlerin, die es verstand, ihrer Karriere durch eigene Initiative immer wieder neue Impulse zu verleihen. Dass sie sich in der damals männlich dominierten Filmbranche beweisen konnte, war zweifelsohne eine Pionierleistung, dennoch ließ sie rückblickend in einem Interview durchblicken, dass sie in ihrer Zeit als Juniorpartnerin bei Belvedere Film „von der Öffentlichkeit und von den endgültigen finanziellen Entscheidungen“ großteils ferngehalten wurde. Die genauen Hintergründe, weshalb Belvedere Film 1951 die Produktion einstellen musste, sind nicht bekannt. Elfi Dassanowsky blieb dennoch im Filmgeschäft, wechselte zu Phoebus International Film in Hamburg und wurde die erste weibliche Casting-Direktorin Westdeutschlands.
 

Neuer Lebensabschnitt in Übersee

Mitte der 1950er Jahre führte sie ihre fachliche Expertise als Musikpädagogin und Kennerin der Klaviermethode Ignace Paderewskis nach Kanada, wo sie den gebürtigen Ungarn Laszlo de Csonka heiratete. Die Ehe endete in Scheidung, die beiden Kinder wurden in den folgenden Jahren von ihr großgezogen.

Die nächste Etappe ihres bewegten Lebens führte sie in die USA, zunächst nach New York, ab 1962 nach Los Angeles, wo sie sich dauerhaft niederließ. Trotz ihrer guten Kontakte zu erfolgreichen Exil-Österreichern, wie Otto Preminger oder Oskar Werner, konnte sie in Hollywood als Filmproduzentin nicht Fuß fassen. Vor der Kamera als Schauspielerin zu agieren, war für sie keine Option, da sie nicht jenen Frauentypus verkörpern wollte, der damals in Hollywood von europäischen Darstellerinnen gefragt war. Stattdessen arbeitete sie 15 Jahre lang als „Voice-Coach“ für viele der Stars von Otto Premingers Produktionen – hier schließt sich auch wieder der Kreis zu der langjährigen Zusammenarbeit mit Curd Jürgens.

Zusätzlich zu ihrer musikpädagogischen Tätigkeit schuf sie sich in den USA als Importeurin von österreichischen Büromaschinen ein existenzsicherndes Standbein als Geschäftsfrau. Der Konnex zu ihrem Heimatland blieb zeit ihres Lebens auf enge Weise bestehen. Wo immer es sich einrichten ließ, förderte sie v.a. auf kultureller Ebene den österreichisch-amerikanischen Austausch. Dieses Ansinnen führte 1991 zur Gründung einer Gesellschaft, die an der Schönberg-Bibliothek der University of California (UCLA) publiziertes Material über österreichisches Kunst- und Filmschaffen archiviert.
 

Renaissance der Belvedere Film

1999, im Alter von 75 Jahren, kehrte sie nochmals an ihre Ursprünge zurück und gründete gemeinsam mit ihrem Sohn, dem Filmhistoriker Robert Dassanowsky, zum zweiten Mal die Belvedere Filmgesellschaft, diesmal mit Sitz in Los Angeles und Wien. Als leitende Produzentin schuf sie das preisgekrönte Kurzfilmdrama „Semmelweis“ (USA/A 2001), das dem Wirken von Ignaz Semmelweis ein cineastisches Denkmal setzt, der Mitte des 19. Jahrhunderts an einer Wiener Klinik die Ursachen des Kindbettfiebers erforscht hatte. Beim New York First Run Film Festival wurde dieser Film in den Kategorien „Best Cinematography“, „Best Editing“ und „Best Location Sound Recording“ nominiert und erhielt den „Carl Lerner Award“ für den besten Film mit sozialem Hintergrund. Durch ihr Mitwirken an der Realisierung der Agentenkomödie „Wilson Chance“ (USA 2005) sowie am Verfassen des Drehbuchs der internationalen Verfilmung des 1941 erschienenen und von Joseph Goebbels verbotenen Romans „Mars im Widder“ von Alexander Lernet-Holenia gehörte sie weltweit zu den wenigen noch im Alter aktiven Filmproduzentinnen.

Abruptes Lebensende

Doch ihr lebenslanger künstlerischer Tatendrang fand auf tragische Weise ein abruptes Ende. Während eines Urlaubaufenthalts im August 2007 auf Hawaii musste ihr aufgrund eines plötzlich auftretenden Blutgerinnsels das linke Bein amputiert werden. Um sich von diesem Eingriff zu erholen, wurde sie wenige Tage darauf in eine Reha-Klink nach Kalifornien geflogen. Die Genesung schien zunächst gut voranzuschreiten und es wurde kolportiert, dass sie bereits wieder an ihre laufenden Filmprojekte denke und weiterhin für die Förderung der Kunst und der UNESCO eintreten wolle. Umso größer war der Schock, als sie am 2. Oktober 2007 unerwartet an Herzversagen verstarb. Ihrem letzten Willen Folge leistend, fand die „Kulturdiva“, wie sie in österreichischen Medien oft genannt wurde, in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof ihre letzte Ruhestätte.

Zum Andenken an seine Mutter rief Robert von Dassanowsky die Elfi-Dassanowsky-Stiftung ins Leben. Der Kulturfond wurde 2009 aktiv und soll, wie er betonte, „Frauen ihres Heimatlandes zu ähnlich bahnbrechenden Schritten ermutigen, wie sie sie selbst unternommen hatte.“ Begibt man sich heute in Wien auf Spurensuche, findet man im 17. Bezirk zwischen Hormayrgasse und Rötzergasse den „Elfi-Dassanowsky-Park“, in der Magdalenenstraße in Mariahilf den „Elfi-Dassanowsky-Hof“ und am Bauernmarkt 24, an der Hausmauer des CineCenters, eine Gedenktafel, die an das einstige Gründungs-Trio der Belvedere Film erinnert.

 

Literatur:

Günther Berger: Insieme: Kunst- und Kulturgeschichtliche Beiträge, Frankfurt 2001.

Robert von Dassanowsky: Male Sites/Female Visions: Four Female Austrian Film Pioneers in: Modern Austrian Literature, Vol. 32, No 1, 1999.

Robert von Dassanowsky: World film locations: Vienna, Bristol 2012.

Anton Preinsack: Elfi von Dassanowsky. Eine österreichische Filmlegende wurde 80, in Celluloid 2004.

Rudolf Ulrich: Österreicher in Hollywood, Wien 2004.                      

Christine Dobretsberger, geboren 1968 in Wien. Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften und Philosophie an der Universität Wien. Langjährige Kulturredakteurin der „Wiener Zeitung“. Initiatorin der Gesprächsreihe „Wiener Salongespräche“ und „Seelenverwandte“. Seit 2005 freie Journalistin, Autorin, Lektorin, Ghostwriterin und Herausgeberin von Texten. Sie ist Gründerin der Text- und Grafikagentur „linea.art“ (www.lineaart.at) und befasst sich schwerpunktmäßig mit kulturellen Themen.

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