Website Suche (Nach dem Absenden werden Sie zur Suchergebnisseite weitergeleitet.)

Hauptinhalt

Andreas Winkel, 3.8.2022

Zur Geschichte des Augustinbrunnens

Der Philanthrop und der Lump

Aufgrund der Bauarbeiten für die Verlängerung der U2 musste der Augustinbrunnen jüngst von seinem Standort am Augustinplatz entfernt werden. Bis zur Wiederausstellung in einigen Jahren werden die Teile am Naschmarktparkplatz zwischengelagert. Anlass, einen Blick auf die Geschichte des Brunnens zu werfen, der eigentlich gar kein Augustinbrunnen hätte sein sollen.

Unter den zahlreichen Fotografien von Denkmalenthüllungen aus dem frühen 20. Jahrhundert in der Sammlung des Wien Museums befindet sich auch eine von der Einweihung des Augustinbrunnens in Wien Neubau. Unter Teilnahme von Bürgermeister Karl Lueger, inmitten einer großen Menschenmenge zu sehen, wurde der von Bildhauer Hans Scherpe geschaffene Brunnen am 4. September 1908 feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Über Stufen aus Granit und einem Postament aus Salzburger Marmor erhob sich die bronzene Figur des sagenhaften Sackpfeifers der Wiener Pestzeit: Der Bildhauer Scherpe hatte für seinen Entwurf auf der Frühjahrsausstellung des Künstlerhauses den Reichelpreis zugesprochen bekommen.

Bekanntlich war der trunkene Augustin der Sage nach in St. Ulrich eines Nachts als für tot gehalten in eine Pestgrube geworfen worden, überstand diese Episode aber erstaunlicherweise unbeschadet. Eine erste Nachricht über dieses Ereignis, das im Wiener Pestjahr 1679 stattgefunden haben soll, findet sich bei Johann Constantin Feigius („Wunderbarer Adlerschwung oder europäischer Heldenkern“, Wien 1694), tatsächlich aber handelt es sich um eine ältere Wandersage, die zuvor schon von anderen Orten beansprucht worden war. In Wien jedoch stieg die Erzählung vom unverwüstlichen und mit Galgenhumor gesegneten Musikanten zu besonderer Popularität auf. Maßgeblichen Anteil daran hatte das Buch „Alt-Wien in Geschichten und Sagen für die reifere Jugend“ von Moritz Bermann (1865), in dem die Wandersage mit dem bekannten Lied „Oh du lieber Augustin“ und einer realen Wiener Person des ausgehenden 17. Jahrhunderts, nämlich einem Max (oder Marx/Markus) Augustin, der der erste Volkssänger Wiens gewesen sei, verbunden wurde.

Ein verschmitzter Trinker mit Dudelsack

Spätestens um 1900 dürfte sich eine feste Ikonographie für die Darstellung des „lieben Augustin“ herausgebildet haben, derer sich auch Hans Scherpe bediente: eine junger, verschmitzt lächelnder Mann in historischem Kostüm mit Hut, Mantel und Schnallenschuhen, den Dudelsack geschultert, gerne auch mit einem Trinkgefäß in der Hand (das Wien Museum etwa verwahrt eine so gestaltete Augustinfigur von Josef Beyer von 1900). Verständlicherweise passte dieser Typus gerade in gastronomische Zusammenhänge wie etwa den Wiener Rathauskeller, aber auch die nur in einem Jahrgang erschienene Zeitschrift „Der liebe Augustin“ stellte sich in ihrer ersten Nummer mit einer diesem Typus entsprechenden Darstellung Augustins auf dem Titelblatt vor.

Dieser Augustin galt mit dem ihm zugeschriebenen Lied, nach dem „alles hin“ ist, als Inbegriff einer bestimmten Wiener Lebenseinstellung bzw. eines bestimmten Wiener Typs, wie wir ihn aus anderen zeitgenössischen Zusammenhängen kennen. Franz Rieger interpretierte das Augustindenkmal entsprechend als Denkmal jenes „goldenen, unvergleichlichen Wiener Humors“ und „göttlichen Leichtsinns“, der als Sorgenbrecher in schwerer Zeit ein Denkmal verdiene. Auch die Darstellung selbst wurde solchermaßen empfunden: Es handle sich um „ehrliche, echter Wiener Kunst von der besten heiteren Art“ (Neues Wiener Tagblatt), zudem pries man die nicht-akademische, volkstümliche Ausrichtung des Denkmals.

Karl Lueger soll bei der Eröffnungsfeier schließlich bemerkt haben, dass Augustin „eigentlich nur ein sehr großer Lump“ gewesen sei (ob mit diesem Wort eine Spitze auf den politischen Gegner mitgemeint war, muss dahingestellt bleiben), gleichzeitig pries er ihn aber auch als „Stammahn der Wienertums“. Und: Auch großen Lumpen sollten in entsprechender Weise gewürdigt und geehrt sein, insbesondere, wenn sie das schöne Lumpenlied „Od du lieber Augustin“ erfunden hätten.

Das Augustindenkmal von Josef Humplik

Wie viele andere Denkmäler in Wien überstand die Figur Scherpes den Zweiten Weltkrieg nicht, sondern wurde wegen Materialknappheit eingeschmolzen. Nach Kriegsende regte der Verein „Alt-Wiener Bund“ die Errichtung einer neuen Statue an. Die heutige, nunmehr am Naschmarktparkplatz verwahrte Augustinfigur aus Sandstein wurde von Josef Humplik in Anlehung an das Original geschaffen und am 18. Oktober 1952 von Stadtrat Johann Mandl enthüllt. Nachdem der kleine Platz, auf dem sich der denkmalgeschützte Brunnen befindet, umgangssprachlich Augustinplatzl genannt wurde, erhielt er 2009 offiziell den Namen Augustinplatz, als Namensgeber diente neben dem Volkssänger des 17. Jahrhunderts die Sängerin Liane Augustin (1927–1978). Vom ursprünglichen Augustinbrunnen sind zahlreiche Postkarten geblieben, die von der Beliebtheit des Motives zeugen, aber auch eine kleine, im Wien Museum verwahrte Kopie der Figur aus Marmor von Hans Scherpe.

Überspringe den Bilder Slider
Springe zum Anfang des Bilder Slider

Georg Kellermann und der liebe Augustin

Kaum bekannt ist, dass am heutigen Augustinplatz ursprünglich dem Philanthropen Georg Kellermann ein Brunnen hätte gewidmet werden sollen. Kellermann war der Sohn des aus Waischenfeld in Bayern eingewanderten und erstmals 1820 in Wien greifbaren Lederhändlers Georg Kellermann sen. Er betrieb bis 1854 ein Ledergeschäft in der heutigen Kellermanngasse Nr. 3 (damals Schottenhofgasse Nr. 6). 1895 starb er in seiner Wohnung in der Landesgerichtsstraße und setzte seine Wirtschafterin Marie Bernbacher als Universalerbin eines Millionenvermögens ein. Zudem bestimmte er, dass 300.000 Kronen aus seinem Erbe für die Stiftung eines Kinderspitals eingesetzt werden sollten. Aus der sogenannten „Georg Kellermann`schen Kinderspitalsstiftung“ wurde schließlich eine Abteilung des Wilhelminenspitals finanziert. Aufgrund dieser Großzügigkeit hatte der Gemeinderat am 20. November 1904 beschlossen, auf dem heutigen Augustinplatz anstelle eines sich dort befindlichen einfachen Auslaufbrunnens einen Monumentalbrunnen in Erinnerung an Kellermann errichten zu lassen, wofür 30.000 Kronen gewidmet wurden (davon 25.000 für die künstlerische Arbeit). Vier Bildhauer wurden eingeladen, Entwürfe einzubringen: Hans Scherpe, Richard Kauffungen, Gustav Gurschner und Johannes Benk. Der Ausschuss entschied sich für den Entwurf Scherpes, der sich als einziger nicht auf die Person Kellermanns bezog, sondern den Sockel mit der Figur eines „lieben Augustin“ krönte.

Aufgrund dieser in der Presse durchaus mit Verwunderung zur Kenntnis genommenen Entscheidung wandten sich die Nachkommen Kellermanns an die Stadt Wien und forderten entweder eine Änderung des Projektes oder dass von der geplanten Benennung des Brunnens nach Kellermann Abstand genommen werde – denn mit dem lieben Augustin hätte Kellermann nichts zu tun gehabt. Der Gemeinderat entschloss sich dennoch dazu, das ausgewählte Projekt mit der Figur des beliebten Augustin voranzutreiben und den Brunnen nicht nach Kellermann zu benennen. In Erinnerung an Kellermann jedoch wurde 1910 die Schottenhofgasse in Kellermanngasse umbenannt.

Das Andenken an Kellermann wurde ursprünglich auch in der von ihm mitfanzierten Abteilung des Wilhelminenspitals hochgehalten. In der Durchgangshalle der heute nicht mehr erhaltenen Pavillons der Abteilung befand sich eine bronzene Büste Kellermanns, die der Bildhauer Emanuel Pendl geschaffen hatte. Die ehemalige Aufstellungssituation der Büste ist nach derzeitigem Wissen nur durch eine Abbildung überliefert, die in der „Allgemeinen Bauzeitung“ erschien und auch über die heutige Aufbewahrung der Büste liegen keine Informationen vor.

Eine formgleiche Büste aber findet sich am ebenfalls von Emanuel Pendl geschaffenen Kellermann`schen Familiengrab am Hietzinger Friedhof, das ganz auf die Person Georgs konzentriert ist. In dieser für das 19. Jahrhundert typischen Verschmelzung von Grabmal und Denkmal zumindest ist dem Stifter eine bleibende Erinnerung gesetzt. Ein grabhütender Genius, die Friedenspalme haltend, lehnt sich von links an die Büste Kellermanns, während im Vordergrund bedürftige Kinder vor den Augen des Stifters von der personifizierten Wohltätigkeit beschenkt werden. In dieser Szenerie ist eine Bedeutung Kellermanns angezeigt, die der liebe Augustin schwerlich hätte vermitteln können.

Literatur und Quellen (Auswahl):

Berger, Franz: Die Neubauten beim k.k. Wilhelminenspital im 16.Wiener Gemeindebezirk. In: Allgemeine Bauzeitung, 1902, S. 69-95 (auch als Separatdruck erschienen) 

Bermann, Moritz: Alt-Wien in Geschichten und Sagen für die reifere Jugend, Wien 1865

Der Augustinbrunnen (Zur Enthüllung), in: Neues Wiener Tagblatt (Tagesausgabe), 4. September 1908, S. 6

Der Augustinbrunnen in Wien, in: Linzer Volksblatt, 4. Oktober 1908, S. 1

Der Augustinbrunnen in Wien, in: Ueber Land und Meer, Bd. 100, 1908, S. 1240

Der Augustinbrunnen, in: Architekten- und Baumeister-Zeitung, 6. September 1908, S. 6 

Der Augustin-Brunnen, in: Illustrierte Kronen-Zeitung, 5. September 1908, S. 3

Der Augustinbrunnen, in: Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 29. August 1908, S. 4 

Die Millionenerbschaft einer Wirtschafterin, in: Das Vaterland, 8. Jänner 1896, S. 3. 

Eine Millionen-Erbschaft, in: Neue Freie Presse, 8. Jänner 1896, S. 6. 

Errichtung eines Monumentalbrunnens, Der Bautechniker, 24. Jg., 1904, Nr. 21, S. 465 

F. M. L. Rieger [Franz Rieger] über Wiener Denkmalkunst, in: Danzers Armee-Zeitung, 2. Dezember 1909, S. 6-7

Feigius, Constantin: Wunderbarer Adlerschwung oder europäischer Heldenkern, Wien 1694

Fuchs, Karl: Das Künstlergeschlecht Pendl, Wien 1905 

Koller-Glück, Elisabeth (Hg.): Alt-Wiener Sagen und Legenden und ihre realen Hintergründe, Erfurt 2009 

Neue Wiener Denkmäler, in: Neues Wiener Journal, 11. Juli 1907, S. 4 

Patzer, Franz (Hg.): Die Pest in Wien. 300 Jahre lieber Augustin (188. Wechselausstellung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek), Wien 1979

Rotter, Hans: Neubau. Ein Heimatbuch des 7. Wiener Gemeindebezirkes, Wien 1925 

Wiener Kommunal-Kalender und städtisches Jahrbuch, S. 675

Wienertum, in: Arbeiter Zeitung, 5. September 1908, S. 4

Andreas Winkel hat Kunstgeschichte in Wien und Dublin studiert; 2017/18 kuratorischer Assistent der Otto Wagner-Ausstellung im Wien Museum, seit 2019 Mitarbeiter der Online-Sammlung des Museums.

Kommentar schreiben

* Diese Felder sind erforderlich

Kommentare

Keine Kommentare