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Ausstellung Tim Sandow
Von schäbigen Momenten in aufpoliertem Glanz
Chop Suey als Traum des Fernen: Ein Löffel raus aus der Tristesse der vorhersehbaren Alltagsroutine. Obwohl gerne mit Exotik und fremder Kultur in Verbindung gebracht, hat es doch seinen wahren Ursprung in San Francisco als Gericht aus Küchenresten. Ähnlich verhält es sich im übertragenen Sinn mit den Figuren in Tim Sandows Bildern, die der Künstler aus ihren von der Gesellschaft vorgesehenen Mustern heraustreten lässt.
In ungewöhnlichen, teils befremdlichen Darstellungen romantisiert er tragische Protagonisten in unbeobachteten Momenten, wie etwa einen Autohändler im Rock’n Roll Kostüm der 50er Jahre oder eine Frau mit Kind in den Armen, umgeben von riesigen Wohnblockanlagen am Rande einer Großstadt. Dabei suchen Sandows Malereien stets beide Blicke – den herablassenden, leicht zynischen und vorurteilsbehafteten ebenso wie den romantischen, von Mitgefühl und Zuneigung erfüllten. In der Startgalerie zeigt er gerade neue Arbeiten.
Worum geht es Dir bei Deinen aktuellen Arbeiten in der Startgalerie? Nach welchen Kriterien hast Du sie für Deine Ausstellung ausgewählt?
In einem großen Bilderzyklus unter dem Generaltitel „Am Ende des Tages: Las Palmas“, habe ich mich mit den Sehnsuchtsorten aus der Sicht eines Touristen beschäftigt. Nach und nach bin ich mit den Bildern verwachsen und selbst zu einem Local geworden. Alle Bilder träumen noch immer vom Fernen, tun aber so, als wären die angedeuteten Landschaften gleich um die Ecke. Zumindest geht es mir so dabei.
Wieso eigentlich „Gruppenausstellung mit Chop Suey“?
Ich finde die Erwartungshaltung witzig.
Welche Aspekte sind Dir bei Deiner Malerei besonders wichtig?
Sowohl das Offensichtliche, als auch das polyfokale All Over – irgendwo passiert immer etwas.
Wie gehst Du bei Deinen Arbeiten vor? Suchst Du nach konkreten Motiven oder lässt Du Dich eher vom Zufall leiten?
Ich denke lange nach über jedes Bild. Jedes Thema wird von meiner Seite aus mit sehr viel Fürsorge und mit sämtlichen Details arrangiert. Natürlich verwende ich Fotos, Screenshots, Skizzen und so weiter. Aber bevor ich loslege, muss ich für mich die Umgebung klären und lange entscheiden, wie ich die Figuren anlege. Als Maler sehe ich mich ein Stück weit, wenn Du so willst, sowohl als Drehbuchautor, Regisseur, Bühnenbildner und Stylist.
Wer oder was inspiriert Dich?
Ich habe eine große Vorliebe für schäbige Momente im aufpolierten Glanz. Das kann einfach überall passieren. Je unprätentiöser die Speisekarte, desto einladender wirkt sie auf mich.
Wann war für Dich der Punkt erreicht, an dem Du sagen würdest, dass Du zu Deiner eigenen Formensprache gefunden hast?
Ich habe schon eine konkrete Vorstellung, wie ich gewisse Inhalte oder Themen über das Bild transportieren möchte. Allerdings glaube ich, zum jetzigen Zeitpunkt betrachtet, dieses etwas überkompensieren zu müssen. Bei meinen Anfängen in der Kunstakademiezeit in Düsseldorf, war für mich die Sache, worum es mir bei meinen Bildern ging, immer klar. Nur leider konnten diese viel zu selten eindeutig gelesen werden. In ein Bad Painting konnte ich mich also nicht richtig bequem einsuhlen. Da musste einfach mehr drin sein als die einzelne Geste. Mit Abstand betrachtet ist es wohl ein Resultat meiner Unfähigkeit malen zu können, womit ich mich in Wien erst richtig auseinandergesetzt habe. Das für mich zu entdecken war ein richtiger Glücksmoment.
Welche Themen faszinieren Dich gerade?
Ungenießbare Krümel, die nach Saint Tropez und Amateursport nach dem Aufgießen riechen. Irgendwie sowas.
Inwieweit sind kunsttheoretische Diskurse für Dich relevant oder interessant? Verfolgst Du aktuelles Kunstgeschehen (Ausstellungen, Messen, etc.) oder hältst Du Dich lieber fern davon?
Ich glaube es wäre etwas drüber als Maler*in von sich zu behaupten, dass in den eigenen Bildern ein beziehungsreiches kunsthistorisches Gefüge steckt, das es zu entschlüsseln gilt. Ungewollt vielleicht. Mich selbst da ins Spiel zu bringen ist nicht mein Job. Aber grundsätzlich schau ich mir überwiegend Film und Fotografie an.
Wie war das letzte Jahr für Dich?
Ich muss gestehen, was die Wahrnehmung meiner Arbeit betrifft, war es außergewöhnlich. Wirklich stolz blicke ich auf meine erste große Einzelausstellung im Kunstverein Neckar-Odenwald zurück. Der Alltag fühlte sich aber wie immer an. Ich war im Atelier und hab mit Ausnahmen, sehr wenige Menschen gesehen.
Was sind Deine nächsten Projekte?
Ich male noch für eine Ausstellung, die im September in der Galerie Droste in Düsseldorf stattfinden wird. Aber als wirkliches Projekt kann ich das nicht bezeichnen. Ich suche noch einen passenden Ausstellungstitel. Mein eigentlicher Plan für die Zukunft ist es, einen Film zu drehen. Im Moment arbeite ich an dem Soundtrack.
Tim Sandow, *1988 in Wolgast, Deutschland / 2014 - 2016 Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Siegfried Anzinger / 2016 - 2019 Akademie der bildenden Künste Wien (Diplom) bei Prof. Daniel Richter / 2018 Finalist Art Award DEW21, Museum Ostwall, Dortmund / 2020 Publikumspreis (2. Platz) 74. Internationale Bergische Kunstausstellung, Kunstmuseum Solingen. „Gruppenausstellung mit Chop Suey“ ist noch bis 7. Juli in der Startgalerie im Wien Museum MUSA zu sehen.
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