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Esther Elena Anatone, 5.6.2025

Rückkehrberichterstattung in der US-amerikanischen Exilpresse

Von freundlichen Worten und mangelnden Taten

Mit dem Kriegsende vor 80 Jahren war die Voraussetzung für eine Rückkehr der aus Österreich geflüchteten und vertriebenen Personen gegeben – zumindest theoretisch. Über die tatsächlichen Optionen und die Stimmungslage vor Ort wurde in drei US-amerikanischen Exilzeitungen mit teils gegensätzlichen Einstellungen berichtet. Ein Überblick über die politisch motivierte Debatte. 

Zwischen dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 und der Schließung der Grenzen im November 1941 flüchteten mindestens 130.000 Personen aus Österreich, unter ihnen vor allem Jüdinnen und Juden, aber auch politische Gegner:innen des nationalsozialistischen Regimes. Ca. 30.000 bis 40.000 von ihnen gelangten über mehrere Stationen in die USA und verbrachten die Kriegszeit dort.
 

Exilpresse als Sprachrohr unterschiedlicher Organisationen

Während des Krieges bildete sich in den Zufluchtsländern eine Exilpresse. In den USA wurden ca. 28 Exilblätter von unterschiedlichen politischen Exilorganisationen herausgegeben. Nach Mai 1945 erschienen von diesen noch drei, die in ihrer politischen Ausrichtung und Berichterstattung über die Rückkehr nicht unterschiedlicher hätten sein können: Die Austro American Tribune galt als Plattform der Kommunist:innen. The Austrian Republic konstituierte sich als sozialdemokratische Exilpresse. Die Austria, die am längsten erschienene Exilzeitung, hatte eine monarchistische und konservative Haltung. Sie alle dienten als Plattform für unterschiedlichste Debatten, zum Informationsaustausch und als Orientierungshilfe.


Politiker:innen ergreifen das Wort

Die Nähe der Exilzeitungen zu den jeweiligen politischen Parteien zeigte sich vor allem in Beiträgen und Stellungnahmen korrespondierender Politiker:innen. Diese nutzten die Exilzeitungen, deren Ausrichtung ihren politischen Überzeugungen entsprach, um mit den in den USA lebenden Österreicher:innen in Kontakt zu treten. Ihre Beiträge waren weniger Rückkehreinladungen oder -aufforderungen als Grüße, Dank für die Exilaktivitäten und Bitten um Unterstützung. So etwa im Februar 1946 im Brief „Greetings from Vienna“ in The Austrian Republic, den Rosa Jochmann und Gabriele Proft an Parteifreund:innen im Ausland richteten. Sie hofften auf ein Wiedersehen, forderten jedoch nicht zur Rückkehr auf. „Wir gedenken dabei aller lieben Genossinnen, die unter dem Druck des Heimwehr- und Nazifaschismus ihre Heimat verlassen mußten und die fern von uns für unsere Idee gekämpft und gewirkt haben. Wir sind ihnen […] zu tiefstem Dank verpflichtet und geben der Hoffnung Ausdruck, daß wir Euch, liebe Genossinnen, bald in unserer Mitte begrüßen können.”

So wie in The Austrian Republic Beiträge von Anhänger:innen der SPÖ, der Arbeiterbewegung oder des Sozialismus verfasst wurden, so ergriffen in der konservativen Austria ÖVP-Politiker (wie Unterrichtsminister Felix Hurdes oder Staatssekretär Ferdinand Graf) das Wort. Ähnlich zeigte die Austro American Tribune in ihrer Berichterstattung und der Veröffentlichung des Aufrufs von KPÖ-Stadtrat Matejka „An die österreichischen Künstler und Wissenschaftler in der U.S.A.” ihre Nähe zum Kommunismus.

Vom Exil zur Mitgestaltung: Rückkehrende und ihr Beitrag nach 1945


Der Wiederaufbau Österreichs und Beitragsleistungen von Exilierten hatten in der Rückkehrberichterstattung einen hohen Stellenwert. Rückkehrende wurden als wichtige Akteur:innen im Wiederaufbauprozess gesehen – insbesondere im Hinblick auf ihre Rolle als Arbeitskräfte sowie bei der Demokratisierung und Entnazifizierung. Die Exilzeitungen schrieben von allgemeinen Hoffnungen, vor allem aber von Einzelpersonen oder berufsspezifischen Leistungen. Dabei wurden Berufsgruppen wie Künstler:innen oder Wissenschaftler:innen priorisiert.
Ein häufig vorgebrachtes Argument für den positiven Beitrag der Rückkehrenden war ihre im Ausland gesammelte Erfahrung. Ein Artikel in der Austria hob beispielsweise ihre dort erworbenen Kompetenzen hervor, die sie nun in den Wiederaufbauprozess einbringen könnten: „Jeder, der heimkehrt und mithelfen will, die Ruinen zu beseitigen, der seine in der Fremde gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse der Heimat zur Verfügung stellen will und kann, jeder, der hofft, sehnt, mitarbeitet, mitorganisiert, mitplant, ist ein grosser, ein notwendiger Baustein am grossen Werk. […] Zehntausende von uns haben diese Heimat vor zehn Jahren verlassen müssen. Sie sind an den modernsten Drehbänken gesessen und haben die allerneuesten landwirtschaftlichen Maschinen gehandhabt. Sie haben an Universitäten gelehrt und internationale Verfassungen ausgearbeitet. Sie haben an technischen Grosswerken mitgearbeitet, Fabriken errichtet, Erfindungen gemacht, Fairness, Toleranz und Hilfsbereitschaft gelernt und am eigenen Leib verspürt.“ Max Ermers – der Autor dieses Artikels – sprach sich dafür aus, Exilierten gezielt Einladungen auszusprechen, um ihnen deutlich zu machen, dass sie in ihrer ehemaligen Heimat willkommen sind und gebraucht werden.


Ein herzliches Willkommen – oder doch nicht?

Ein besonders präsentes und schwieriges Thema war das Verhältnis zwischen den geflüchteten und den daheimgebliebenen Österreicher:innen. Welche Ansichten hatten diese beiden Gruppen und wie funktionierte ihr Wiederaufeinandertreffen? Dies wurde sowohl in der Austria als auch in der Austro American Tribune in langen Artikeln erörtert. Dabei offenbarte sich eine konträre Darstellung. In Ersterer wurde von einer durchgehend positiven Wiederaufnahme der Rückkehrer:innen geschrieben – die Wiener:innen würden Rückkehrende „freudig begrüssen“ und „es werden diesen [den Rückkehrenden] geradezu goldene Berge für den Fall der Rückkehr versprochen“.

Nicht nur im Artikel „Die Wiener einstimmig für die Heimkehr der Emigranten“ zeigte sich der unterdrückte aber fortdauernde Antisemitismus in Österreich. An anderer Stelle wurde beispielsweise geschrieben, dass jüdische und nichtjüdische Personen wie früher wieder „einträchtig“ zusammenleben würden. Die Rede war nur von einem „harmlosen Antisemitismus, um dessentwegen bestimmt kein einziger Oesterreicher jemals in die Emigration gegangen wäre“. Der Wiener Bürgermeister Theodor Körner wies in seinem Artikel „Das Märchen vom Antisemitismus in Wien“ Behauptungen zurück, wonach Jüdinnen und Juden nach Abzug der Alliierten in Österreich nicht sicher seien oder unfreundlich aufgenommen würden. In weiterer Folge schrieb er: „Es ist in Wien niemals zu antisemitischen Ausschreitungen jenes Umfangs gekommen, wie sie in anderen Ländern schon lange vor Begründung des Nationalsozialismus auf der Tagesordnung waren, denn der Wiener ist Weltbürger und daher von vornherein kein Antisemit. Antisemitische Tendenzen sind ihm auch jetzt vollkommen fremd.”

Die Austro American Tribune vertrat in diesem Zusammenhang eine deutlich andere Perspektive. Ihre Berichterstattung hob vor allem die Verständnislosigkeit hervor, mit der Exilierte und Rückkehrer:innen konfrontiert waren. In zwei Artikeln setzten sich Fritz Fabian und Ludwig Ullmann mit gängigen Vorurteilen auseinander, wonach das Exilleben von Luxus und Wohlstand bedeutet haben soll. Ullmann kritisierte in seinem Beitrag „Aus dem Fenster der Emigration…“ die verbreitete Vorstellung, Exilierte seien „wohlgenährt und gutbeheizt, schlau genug gewesen [zu flüchten]“. Ähnliche Klischees über ein vermeintlich privilegiertes Leben im Exil griff auch Fritz Fabian in seinem Artikel „Zwischenruf aus dem Luxushotel“ auf. Darin reagierte er auf einen Beitrag aus Das Kleine Volksblatt (links davon abgedruckt) und ein Bild vom Exil in Luxushotels und an Badestränden zeichnet. Fabian hingegen hob die vielfältigen Aktivitäten hervor, mit denen Exilierte im Ausland für Österreich kämpften.

Diese Artikel zeigen exemplarisch, welche Themenschwerpunkte und Ansichten in den einzelnen Exilzeitungen vertreten waren. Aufgrund ihrer politischen Ausrichtungen gestaltete sich die Rückkehrberichterstattung der drei Zeitungen unterschiedlich. Während sich die Austria um eine beschönigende Darstellung der Situation bemühte, äußerte die Austro American Tribune immer mehr Kritik an der Nachkriegspolitik. Beide Exilzeitungen informierten – wenn auch meist in kontrastierenden Ansichten – über eine große Bandbreite, The Austrian Republic publizierte indes nur eine geringe Anzahl von Artikeln zur Rückkehrthematik. Eine Gegenüberstellung mit der historischen Realität sowie Erkenntnissen aus der Exil- und Remigrationsforschung zeigt, dass die Austro American Tribune ein realitätsnäheres Bild zeichnet als die mitunter beschönigende Austria.

 

Die politische und gesellschaftliche Realität im Nachkriegsösterreich

Das besetzte Nachkriegsösterreich war von einem immensen Ressourcenmangel (Lebensmittel, Unterkünfte, etc.) betroffen. Der wirtschaftliche Wiederaufbau stand im Vordergrund und ließ die Entnazifizierung und Wiedergutmachungsbemühungen in den Hintergrund rückten. In der Bundesregierung stieß die Rückkehr exilierter Personen auf Desinteresse und antisemitische Ressentiments wie u.a. die Ministerratsprotokolle der unmittelbaren Nachkriegszeit belegen. Initiativen zur Rückholung blieben selten und betrafen fast ausschließlich prominente Persönlichkeiten wie Nobelpreisträger Victor Franz Hess oder Schauspieler Karl Farkas.

Aktive Rückholinitiativen gingen fast ausschließlich von der KPÖ aus, etwa durch Stadtrat Viktor Matejka, der gezielt Künstler:innen und Wissenschaftler:innen einlud. Frühe Rückkehr für Kommunist:innen war aus Moskau möglich. Die SPÖ zeigte nur vereinzelt Interesse an Rückholungen und distanzierte sich vom „linken Flügel“ der Partei. Positionen wurden aus dem „rechten Flügel“ besetzt. Die ÖVP positionierte sich argumentativ als „letztes Bollwerk“ gegen den Nationalsozialismus und setzte auf personelle Kontinuität aus dem Austrofaschismus. Rückkehrende Exilierte spielten kaum eine Rolle.

Nur max. 15-20 % der Vertriebenen kehrten zurück, aus den USA sogar deutlich weniger. Die Rückkehr war oft mit Enttäuschungen verbunden: Rückkehrer:innen stießen auf bürokratische Hürden, Desinteresse der Politik und Ablehnung durch die Bevölkerung. Im Nachkriegsösterreich sahen sich die daheimgebliebenen Österreicher:innen nicht nur als die ersten Opfer des Deutschen Reiches, sondern auch als Opfer der Bombardierungen durch die Alliierten. Sie hatten kein Verständnis für die Vertriebenen. Ihr Argument: Die Exilösterreicher:innen hätten den Krieg in Sicherheit verbracht.

Die Zurückgekehrten leisteten durch ihr Wissen über Modernisierung, Wirtschaft und Wissenschaft sowie ihre Auslandserfahrungen einen bedeutenden Beitrag zum Wiederaufbau Österreichs. Fakt ist aber auch, dass der Großteil der Geflüchteten nicht nach Österreich zurückkehrte und in vielerlei Hinsicht einen großen Verlust für das Land bedeutete.

Ausgewählte Literatur

Anatone, Esther (2024). Remigration durch die mediale Brille. Analyse der Berichterstattung zur Rückkehr nach Österreich in der US-amerikanischen Exilpresse. Masterarbeit, Universität Wien.

Bailer-Galanda, Brigitte (1993). Wiedergutmachung kein Thema: Österreich und die Opfer des Nationalsozialismus. Wien, Löcker.

Eppel, Peter/Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) (Hg.) (1995a). Österreicher im Exil: 1934-1945: eine Dokumentation. USA, Band 1: 1938-1945. Wien/München, Österreichischer Bundesverlag.

Eppel, Peter/Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) (Hg.) (1995b). Österreicher im Exil: 1934-1945: eine Dokumentation. USA, Band 2: 1938-1945. Wien/München, Österreichischer Bundesverlag.

Kaindl-Widhalm, Barbara (1990). Demokraten wider Willen? Autoritäre Tendenzen und Antisemitismus in der 2. Republik. Wien, Verlag für Gesellschaftskritik.

Knight, Robert (Hg.) (2000). „Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen". Die Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945 bis 1952 über die Entschädigung der Juden. 2. Auflage, Wien/Köln/Weimar, Böhlau.

Meissl, Sebastian/Mulley, Klaus-Dieter/Rathkolb, Oliver (Hg.) (1986). Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne: Entnazifizierung in Österreich 1945 - 1955: Symposion des Instituts für Wissenschaft und Kunst, Wien, März 1985. Wien, Verlag für Geschichte und Politik.

Straub, Wolfgang/Prager, Katharina (Hg.) (2017a). Bilderbuch-Heimkehr? Remigration im Kontext. Wuppertal, Arco Wissenschaft.

 

Beispiele aus der Exilpresse

Die Wiener einstimmig für die Heimkehr der Emigranten (o.V.) (25.11.1945). In: Austria, Jg. 2, Nr. 11, S. 3-4, verfügbar: DÖW Signatur: Exil 3020.

Ermers, Max (25.10.1948). Rückkehr in die Hoffnung. In: Austria, Jg. 5, Nr. 9, S. 11, verfügbar: DÖW Signatur: Exil 3020.

Fabian, Fritz (August 1947). Zwischenruf aus dem Luxushotel. In: Austro American Tribune, Jg. 6, Nr. 1, S. 8, verfügbar: DÖW Signatur: Exil 3002.

Körner, Theodor (25.03.1947). Das Märchen vom Antisemitismus in Wien. In: Austria, Jg. 4, Nr. 3, S. 2-3, verfügbar: DÖW Signatur: Exil 3020.

Jochmann, Rosa/Proft, Gabriele (Februar 1946). Greetings from Vienna. In: The Austrian Republic, Jg. 1, Nr. 2. S. 2, verfügbar: DÖW Signatur: Exil 3017/16.

Ullmann, Ludwig (August 1947). Aus dem Fenster der Emigration … In: Austro American Tribune, Jg. 6, Nr. 1, S. 5, verfügbar: DÖW Signatur: Exil 3002.

Esther Elena Anatone (*1995) hat das Masterstudium Zeitgeschichte und Medien an der Universität Wien abgeschlossen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Nationalsozialismus, Exil, österreichische Nachkriegszeit und Antisemitismus. Dieser Artikel befasst sich mit dem Thema ihrer Masterarbeit. Aktuell ist sie für die Stabstelle Bezirksmuseen des Wien Museums in der Inventarisierung und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kreisky-Archiv tätig.

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