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Karina Karadensky, 1.6.2022

Street Art auf der Wienerwand

Bauzaun mit Taube

„Wienerwände“: so werden die Flächen in der Stadt genannt, auf denen jederzeit gemalt und gesprayt werden darf. Auch ein Teil unseres Bauzaunes am Karlsplatz zählt dazu – zumindest im Sommer. Bevor dies im Rahmen des neuen Projekts „Urban Cultures. Street Art am Bauzaun“ wieder der Fall ist, zeigen wir einen Rückblick auf Werke nationaler und internationaler Sprayer*innen, die sich 2021 am Karlsplatz zwar nicht verewigt, aber immerhin verwirklicht haben.

Störfaktor, Beschmutzer und Krankheitsüberträger – kaum ein Tier ist in Wien und anderen Großstädten so unbeliebt wie die Taube. Gebäudeteile werden mit Netzen verhängt, Anflugsperren angebracht, mancherorts sogar illegale Giftköder ausgelegt, um die unliebsamen Stadtbewohner fernzuhalten und zu dezimieren. Gerade dieses Tier ist es, das als Symbol für das gemeinsam mit Sprayern konzipierte Projekt Wienerwand ausgewählt wurde. Wohl, weil auch ihre Hinterlassenschaften auf den Wänden Wiens lange nur als Störfaktor und Vandalismus gesehen wurden. Und weil die Taube wie die Werke der Künstler*innen für Urbanität steht und eine Stadt ohne Tauben unvorstellbar ist. 

Obwohl die Stadt Wien anfangs streng gegen Graffiti vorgegangen ist, gab es schon in den 1980ern eine Wand neben dem Flex am Donaukanal, auf der das Sprayen geduldet und schließlich offiziell erlaubt wurde. Sie war der Beginn der Entwicklung eines einzigartigen Street Art-Hotspots, auf dem es heute fast täglich Neues zu entdecken gibt. 2005 entstand schließlich das Projekt Wienerwand, das der Wiener Szene die Möglichkeit bietet, jederzeit ohne strafrechtliche Konsequenzen im öffentlichen Raum zu malen und zu sprayen. Über 20 legale Flächen werden mittlerweile von der Stadt Wien bereitgestellt; als Erkennungszeichen dient die reliefierte Taubenplakette.

Eine dieser Plaketten wurde im Juni 2021 temporär auf einem Teilabschnitt des Bauzauns des Wien Museums angebracht. In den darauffolgenden Monaten haben zahlreiche Künstler*innen ihre Werke dort hinterlassen. Dabei bildete das Writing, bei dem die künstlerische Komposition auf Schriftzügen, meist dem Namen der Sprayer*innen, basiert, einen Schwerpunkt. Unterschiedlichste Zugänge und Stile ließen sich ausmachen – von klassischen Graffiti-Schriftzügen bis hin zu stark abstrahierten Werken, die die Begrenzungen der ursprünglichen Buchstaben-Struktur nur mehr erahnen ließen.

Die ersten, die die neue Fläche am Karlsplatz einweihten und dabei kreativ auf die vorhandene Plakatierung reagierten, waren die Wiener Writer*innen Junek und Cane. Dabei schrieb Junek ihre Buchstaben in die vorhandenen Wien-Museum-Neu-Sujets ein, während Cane einen plakativen Schriftzug mit Wiedererkennungswert hinterließ.

Erst auf den zweiten Blick lesbar – vor allem, wenn man weiß, nach welchen Buchstaben man suchen muss – war Embrios verschlungener Style.

Ruin, der für abwechslungsreiche Sujets im Stadtraum, von farblich reduzierten Throw-ups über surrealistische Bildwelten bekannt ist, hat sein Repertoire zuletzt u.a. auch auf abstrakte, malerische Murals erweitert.

Durch eine ungewöhnliche, geometrisch anmutende Formensprache, fiel Fonts Schriftzug auf.

So kreativ und detailverliebt Jakob der Bruder generell im Stadtraum unterwegs ist, war er es auch am Bauzaun. Plakative Styles, „Jakob“ verpackt in ein abstrakt wirkendes Gemälde, ein Werk, das comic-hafte Character zum Vorschein brachte – alles war dabei.

Natürlich gab es auch zahlreiche Kollaborationen der Künstler*innen, beispielsweise von Jakob und Friend, der, obwohl er schon den beauftragten Teil des Bauzauns mit Linda Steiner gestaltete, auch mehrmals auf der Wienerwand aktiv wurde.

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Auch internationale Namen fanden sich auf dem Bauzaun. So die französische Künstlerin Lady K, die Graffiti schon in den 1990ern für sich entdeckte und ein bekanntes Mitglied internationaler Graffiti-Crews, wie 156, ist.

Aus dem klassischen Graffiti-Writing kommend, hat sich der Stil des Amsterdamer Künstlers Ursh mittlerweile in eine abstrakte Richtung entwickelt, die er selbst als „contemporary“ bezeichnet. Ausgangspunkt bleibt bei jedem Werk die Struktur der Buchstaben des Namens „Ursh“.

Gleich zwei Mal hat sich der Franzose Resoner verwirklicht: Einmal ein klassisch anmutender Graffiti-Schriftzug „Soer“, ein anderes Mal ein verschnörkeltes Gebilde aus Rohren.

Eine spannende Kollaboration entstand zwischen dem Berliner Boa One und Perk_up, der grafische Darstellungen mit malerischen Stillleben und Landschaften kombinierte.

Auch Schriftzüge von Perk_up fanden sich einige Male auf der Wienerwand. Mit einer seiner Arbeiten wird er ab dem 9.6.2022 gemeinsam mit David Leitner bei Part I von „Urban Cultures. Street Art am Bauzaun“ zu sehen sein.

Die Ausstellung „Urban Cultures. Street Art am Bauzaun“ ist von 9. Juni bis 2. Oktober 2022 zu sehen. Gezeigt werden Kunstwerke von David Leitner, Perk_up und Feminist Killjoy. Ein Teil des Bauzauns vor dem Haupteingang des Wien Museums wird Sprayer*innen währenddessen wieder als Wienerwand zur Verfügung stehen.

Der Kunsthistoriker Stefan Wogrin, von dem die meisten der hier gezeigten Fotos stammen, betreibt seit 2001 die Plattform Spraycity, auf der er die österreichische Graffiti-Writing-Szene dokumentiert und die im Stadtraum oft kurzlebigen Werke festhält.

Karina Karadensky studierte Kunstgeschichte und English and American Studies und absolvierte 2018 den /ecm-Masterlehrgang für Ausstellungstheorie & Praxis an der Universität für angewandte Kunst Wien. Seit 2018 ist sie in der Abteilung Ausstellungsproduktion, seit 2019 in den Internen Services des Wien Museums tätig. Bei Wien Museum Neu ist sie als Schnittstelle für die Nutzer*innenabstimmungen zuständig und für die Produktion der Ausstellungen am Bauzaun verantwortlich.

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